Gesammelte Werke. Isolde Kurz

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Gesammelte Werke - Isolde Kurz Gesammelte Werke bei Null Papier

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sturm­durch­tob­ten Stran­des ge­wach­sen wa­ren. Man­ches lern­te ich von dem Bei­spiel mei­nes Nach­bars Van­zet­ti, der ein lei­den­schaft­li­cher Gärt­ner war und mir mit der An­la­ge sei­nes Gar­tens um ein Jahr vor­aus. Er schaff­te mit Feuerei­fer, und was ihm am schöns­ten ge­dieh, da­von brach­te er mir die Ab­le­ger, die so­gleich ein­wuch­sen und wei­ter­trie­ben, weil ja der Mut­ter­stamm schon hei­misch war. So konn­te ich schnell zwei lan­ge Pap­pel­rei­hen durch die gan­ze Tie­fe mei­nes Gar­tens zie­hen; es war der ein­zi­ge Laub­baum der sich an­pass­te, und er wuchs in we­ni­gen Jah­ren hö­her als das Dach des Hau­ses, weil noch kei­ne Nach­bar­gär­ten mit ein­drin­gen­dem Wur­zel­werk ihm Raum und Nah­rung schmä­ler­ten. Mit Pfir­sich­bäum­chen hat­te ich gleich­falls Glück, nur dass mir die Früch­te weg­gen­ascht wur­den, be­vor sie reif­ten; auch Ro­sen und an­de­re Blu­men­ar­ten ga­ben sich mit der be­schei­de­nen Nah­rung zu­frie­den. Das Was­ser muss­te noch aus dem run­den länd­li­chen Zieh­brun­nen am lan­gen Strick ge­schöpft wer­den: es war ein im Wett­ei­fer be­trie­be­nes Kunst­stück, den Ei­mer so hin­ab­zu­stür­zen, dass er sich im Kip­pen füll­te und von selbst wie­der auf­rich­te­te, um voll in die Höhe ge­zo­gen zu wer­den. Un­zäh­li­ge der schwe­ren Ei­mer zog ich Tag für Tag nach Son­nen­un­ter­gang und in der ers­ten Mor­gen­frü­he un­ter dem ängst­li­chen Wi­der­spruch mei­ner Mut­ter her­auf, um alle mei­ne An­pflan­zun­gen zu trän­ken. Da­für fei­er­te mei­ne Gar­ten­kunst auch einen Tri­umph, als ich zu­erst von al­len neu­en An­sied­lern einen Re­gen­wurm auf­zu­wei­sen hat­te zum le­ben­di­gen Be­weis, dass sich mir der Sand in Hu­mus zu wan­deln be­gann. Ei­nen noch viel grö­ße­ren Tri­umph soll­te ich er­le­ben, als es mir mit der Zeit ge­lang, die vor mei­nem Hau­se ste­hen­ge­blie­be­ne, nur dem Por­tal ge­gen­über durch­bro­che­ne künst­li­che Düne zur Trä­ge­rin ei­ner fan­tas­tisch üp­pi­gen tro­pi­schen Flo­ra zu ma­chen. Ur­sprüng­lich war das gan­ze Ge­län­de, wor­auf jetzt un­se­re Häu­ser stan­den, von eben­sol­cher Düne ge­schützt ge­we­sen; die an­de­ren Käu­fer hat­ten sie ein­ge­eb­net, um Vor­gärt­chen zu zie­hen, die nur der Ge­walt des Mee­res ge­gen­über zu klein­lich schie­nen. Nie­mand be­griff mei­ne Hart­nä­ckig­keit, die zwei nack­ten Sand­hü­gel Jahr für Jahr vor mei­nem Hau­sen ste­hen­zu­las­sen, die al­len ein Dorn im Auge wa­ren. Aber ich wuss­te was ich woll­te. Ich gab ih­nen eine et­was ge­fäl­li­ge­re Form, ver­senk­te dann Las­ten schwe­rer Bau­stei­ne dar­ein und be­pflanz­te sie zu­nächst mit Strand­ha­fer, um sie ge­gen Re­gen­güs­se und Stür­me zu fes­ti­gen. Da­nach be­ka­men sie noch meh­re­re Jah­re hin­durch nur das schnell wu­chern­de di­cke Kraut »Fetthen­ne« ge­nannt zu tra­gen, das sie ganz mit sei­nem dunklen Grün und im Som­mer mit großen ro­ten und gel­ben Blü­ten über­schüt­te­te, bis sie gründ­lich mit Wur­zel­werk durch­floch­ten wa­ren. Dann aber pflanz­te ich die sta­chel­be­wehr­te, sich rasch ver­brei­ten­de Aloe an und in Rei­hen die hoch­stre­ben­de Juk­ka; aus ih­rer mes­ser­schar­fen Blät­ter­kro­ne schoss im Früh­jahr und Herbst der mehr als me­ter­lan­ge Sten­gel mit dem mäch­ti­gen wei­ßen Blü­ten­kan­de­la­ber em­por, der die hol­de Ge­stalt des Mai­blüm­chens ver­rie­sen­facht und sei­ne schne­ei­gen Glo­cken im Mond­licht wie Feen­lei­ber schim­mern lässt. Ich lieb­te je­des ein­zel­ne mei­ner Son­nen­kin­der und sprach sie an, als war­te­ten sie auf den Zu­spruch des Men­schen, was ich heu­te noch über­zeug­ter glau­be als da­mals. Mei­ne Pflan­zung ver­mehr­te sich mit un­glaub­li­cher Schnel­lig­keit, das in­di­sche Gras mit sei­nen ho­hen hel­len Bü­scheln we­del­te im See­wind dar­über, und die dicht­be­wach­se­nen, un­be­tret­ba­ren Hü­gel ga­ben mit ih­ren nach al­len Sei­ten star­ren­den Waf­fen den Ein­druck ei­nes eben­so fan­tas­ti­schen wie wehr­haf­ten Boll­werks, das je­doch treff­lich dem Stil der Land­schaft ent­sprach. Kein Wan­de­rer, der nicht über­rascht vor der dich­ten hoch­ge­türm­ten grü­nen Fül­le in­mit­ten der wei­ten un­be­bau­ten Sand­wüs­te ste­hen­blieb, und man­cher nahm das Bild heim­lich in sei­ner Ka­me­ra mit. – Vi­el­leicht war es kin­disch und ist es in der Wie­de­r­er­we­ckung noch, den Bau des klei­nen Gar­tens so wich­tig zu neh­men. Für mich war er mehr, er war mir die er­füll­te Sehn­sucht ei­nes von vorn­her­ein ins Geis­ti­ge ge­pflanz­ten Da­seins nach sei­nem an­de­ren Pol, dem Stoff­li­chen. Wenn mei­ne Hän­de im Erd­bo­den pflanz­ten und schaff­ten, so war mir als wür­de ich durch die­ses Tun im greif­bar Wirk­li­chen erst ein gan­zer Mensch. Kei­ne vom Gärt­ner ge­schaf­fe­ne noch so große und herr­li­che An­la­ge hät­te mir nur ein Hun­derts­tel von dem Glücks­ge­fühl ge­ge­ben, das mich beim An­schau­en mei­ner ei­ge­nen klei­nen Schöp­fun­gen durch­drang. Sie schie­nen die Lie­be, wo­mit ich sie an­blick­te, zu füh­len und durch ihr freu­di­ges Wachs­tum er­wi­dern zu wol­len. Denn Lie­be ist das ir­di­sche Son­nen­licht; nichts Le­ben­des, und stün­de es auf der un­ters­ten Stu­fe, wi­der­steht ihm.

      Schnell wuchs die Sied­lung. Auf der einen Sei­te, dem Dorf zu, bau­ten sich Hil­de­brands und Fa­so­las, spä­ter die Wit­we des Zoo­lo­gen Dohrn aus Nea­pel mit großen Vil­len an, auf der an­de­ren in der Rich­tung auf den Fi­u­met­to die ver­wit­we­te Frau An­ge­la Böck­lin und ihr Schwie­ger­sohn Bruck­mann, alle in wei­ten Ab­stän­den mit grö­ße­ren Gar­ten­an­la­gen da­zwi­schen. Die neu­en zo­gen ihre Freun­de nach, aber noch wach­te Ed­gar als Pfad­fin­der und ers­ter An­sied­ler über die Zu­las­sung, dass kei­ne ba­nau­si­schen oder sno­bi­schen Ele­men­te ein­dran­gen, die den auf ad­li­ge Frei­heit ge­stell­ten Geist des klei­nen Men­schen­bun­des ge­fähr­det hät­ten. Er durf­te so wäh­le­risch sein, denn es wa­ren al­les Kli­en­ten von ihm, die ihm nach­zo­gen um auch in der Som­mer­fri­sche die Nähe ih­res ärzt­li­chen Be­ra­ters nicht zu ent­beh­ren. Man leb­te wie eine große Fa­mi­lie, fand sich am Strand zu­sam­men, be­such­te sich ge­gen­sei­tig in den aus Schilf er­rich­te­ten, mit Laub­werk ge­deck­ten Ba­de­hüt­ten, wo man hal­be Tage mit ei­ner Ar­beit sit­zen konn­te. Ein mo­di­sches Trei­ben wie in an­de­ren See­bä­dern durf­te es in For­te nicht ge­ben, größ­te Ein­fach­heit war Ge­bot; die Da­men­welt be­gnüg­te sich mit den von mir er­fun­de­nen Meer­ge­wän­dern von grie­chi­schem Schnitt, die so schön im See­wind bausch­ten; am al­ler­schöns­ten lie­ßen sie sich aus der bil­li­gen wei­ßen Nes­sel her­stel­len, die, wenn feucht aus­ge­wun­den, die schön­ge­bro­che­nen Fal­ten er­gab, wie man sie auf der an­ti­ken Plas­tik sieht. Die meis­te Zeit des Ta­ges ge­hör­te dem Bad und dem La­gern auf heißem Sand, wo Ge­sicht und Glie­der bräun­ten. Die Neu­lin­ge mit ih­ren wei­ßen Glied­ma­ßen, die an ab­ge­zo­ge­ne Häs­lein er­in­ner­ten, wur­den aus­ge­lacht, die wei­ßes­ten wa­ren im­mer die Be­su­cher aus Deutsch­land, aber die Son­ne gab auch ih­nen schnell den Stem­pel. Bei ho­hem See­gang wur­den lan­ge Ket­ten ge­bil­det, die sich bei den Hän­den hiel­ten, da­mit das schwä­che­re Ge­schlecht nicht weg­ge­ris­sen wür­de, und dann spran­gen alle mit der Wel­le. Die Vor­keh­rung war nicht un­nütz, denn das Meer hat­te, wenn der Li­bec­cio län­ge­re Zeit blies, un­sicht­ba­re, höchst ge­fähr­li­che Strö­mun­gen, de­nen schwer zu wi­der­ste­hen war; er­leb­te ich es doch ein­mal, dass in nächs­ter Nähe, fast in Greif­wei­te, ein Freund des Hau­ses, der ein ge­üb­ter Schwim­mer war, ohne dass wir es be­merk­ten, mit ver­zwei­fel­ter An­stren­gung um sein Le­ben rang und noch lan­ge da­nach blau­rot im Ge­sicht kaum den Atem wie­der­fin­den konn­te. Auch wur­de bei star­kem Sturm der Grund völ­lig um­ge­wühlt, es ent­stan­den lo­cke­re San­d­ab­la­ge­run­gen, die un­ter dem Fuße wi­chen,

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