Gesammelte Werke. Isolde Kurz
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Die körperliche Seite des Hellenentums verwirklichte Vanzetti, der Herr des Naturlebens. Er sammelte die Jugend um sich, stellte Turngeräte vor seinem Hause auf und begeisterte sie für die damals noch wenig gepflegte Gymnastik. Wie er selber stolz auf seinen Wuchs eines antiken Ringers war und nie anders als halbnackt und tiefgebräunt gesehen wurde, so zog er in Forte ein junges Geschlecht heran, das bei Wettlauf, Ringkampf, Rudern, Ballschlagen und Bocciaspielen seinem Meister auch äußerlich ähnlich wurde und mit dem er allsommerlich seine Olympiade feierte, ohne wohl je von Olympia gewusst zu haben. Heute würde er mit seinen Erfahrungssätzen von der Physiologie der Bewegung und dem Einfluss der gymnastischen Wettspiele auf die Charakterbildung nur offene Türen einrennen; damals waren sie überraschend, und es bedrückte ihn einigermaßen, dass er sich viel zu flüchtigen Geistes wusste um sie schriftlich festlegen zu können. Auch die Sonnenbäder, die er am Strand für seine mitgebrachte Klientel einführte, bildeten lange Zeit eine bestaunte oder belächelte Neuheit. Für ihn bestand der Beruf des Arztes weniger im Heilen als im Verhüten von Krankheiten, und lieber als Leistungen am Krankenbett mochte er sich von den Klienten die Zeit vergüten lassen, wo er sie gesund erhielt. So legte er auch den größten Wert darauf, überall, wo er gerufen wurde, selber in strahlender Verfassung zu erscheinen, weil es ihm feststand, dass der Arzt dem Patienten mit dem Beispiel der Gesundheit vorangehen müsse. Er sagte von sich, dass er nicht mit dem Kopf denke, sondern mit den Poren der Haut, und in der Tat besaß er in seinen aufs äußerste verfeinerten Sinnen Wahrnehmungsorgane, die ihm Erkenntnisse aus der Natur zutrugen, ohne dass er sich mit ihrer geistigen Verarbeitung quälte, weil sie kaum über die Sphäre des Körperlichen hinausdrangen. Die Natur hatte diesen Menschen wie kaum einen anderen zum Glücklichsein ausgestattet. Wenn er frühmorgens über die Felder ging, so schlürfte er Wonnen ein; alle blühenden Büsche, die harzduftenden Bäume, die aromatischen Kräuter trugen ihm ihre Wohlgerüche zu und er schwelgte noch im Beschreiben. In dem Streichen der Morgenluft über seinen nackten braunen Oberkörper wollte er schmeichelnde Nymphenfinger erkennen; so war ihm in der Tat jede Pore seiner Haut eine Tür, um das Glück einzulassen. Ebenso glücklich waren seine Augen, die jede Schönheit der Landschaft bis herab zu der feinsten Schattierung des Grüns der Felder wahrnahmen. Gute Musik, gleichviel ob ernsten oder heiteren Charakters, versetzte ihn in einen Glückstaumel, ohne sein Gemüt zu erschüttern; widrige Geräusche dagegen, wie sie den feinnervigen Edgar zur Verzweiflung brachten, erreichten ihn gar nicht. Der ganze Mensch war die notwendige Skala von Komplimentärfarben zu der Farbenskala seines schwierigen Freundes.
Wie er mir die Ableger seines Gartens brachte, dass sie in meinem Garten lustig weitertrieben, so trug er mir auch aus seinen persönlichen Erfahrungen zu, was mir für meine künstlerischen Zwecke dienen konnte, mit der Erlaubnis, daraus zu machen was ich wollte. Mancher besondere Zug, den ich in der Dichtung verwenden konnte, war eine schnell gepflückte Ranke aus dem Lebensgarten des erlebnisfrohen Freundes. In meinen Aufzeichnungen finde ich ein paar Strophen, die von diesem heiteren Verkehr zeugen:
Von deinem Garten
in meinen Garten
trugest du manche
Sträucher und Bäume,
hast mir viel Blumen
am sonnigen Orte
nicht eine verdorrte –
weihend gepflanzt.
In meinem Garten
wachsen viel Bäume,
blühen viel Blumen
aus deinem Garten,
die ich gezogen,
die mein geworden,
die mir mit Früchten,
die mir mit luftigen, duftigen Ranken
die Pflege danken.
So auch entschwirrten
aus deinem Busen
in meinen Busen
viel schnelle Gedanken
und Bilder des Lebens.
Sie wurden mein eigen,
sie trieben Keime,
sie kehrten wieder
in Maß und Reime
als neue Lieder.
Siehe, sie haben ein andres Gesicht,
wenn du sie siehst, du erkennst sie nicht.
Eine solche Ranke von fast orchideenhafter Seltsamkeit überbrachte er mir einmal eines späten Abends in Florenz, als ich schon meine schöne Wohnung an der Via de’ Bardi innehatte. Er ging in der Nachtluft spät noch den Lungarno entlang, um sich die Stirn von einer fiebernden