Gesammelte Werke. Isolde Kurz

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Gesammelte Werke - Isolde Kurz Gesammelte Werke bei Null Papier

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brauch­te je­des Mal der Li­bec­cio, bis er sich aus­ge­tobt hat­te. Da­nach schwamm es sich se­lig in der wie­der­be­ru­hig­ten, son­ne­spie­geln­den Flut; glas­hel­le, blau­ge­rän­der­te Me­du­sen, schön zu se­hen wie Blu­men des Mee­res, schwam­men mit; nur ihre Berüh­rung, die ziem­lich stark brann­te, muss­te man ver­mei­den. Aber das­sel­be Glücks­meer, das uns Men­schen­kin­der be­se­lig­te, lock­te die ar­men be­tör­ten Zitro­nen­fal­ter und an­de­re Ta­ges­schmet­ter­lin­ge in den Un­ter­gang; sie konn­ten der glei­ßen­den Flä­che nicht wi­der­ste­hen, flat­ter­ten hin­aus und im­mer wei­ter, bis sie er­mü­det sich nach Rast um­schau­ten. Oft habe ich ih­nen drau­ßen mei­nen Ba­de­hut als Meer­schiff an­ge­bo­ten, um sie heil zu­rück­zu­brin­gen, aber sie woll­ten nicht, ver­such­ten es lie­ber mit der Wel­le, fuh­ren er­schro­cken wie­der auf, um nach we­ni­gen Flü­gel­schlä­gen aber­mals nie­der­zu­ge­hen, wo­bei sie spur­los ver­schwan­den. – Un­ter­des­sen plät­scher­te un­ser Müt­ter­lein won­ne­voll in dem seich­ten Ufer­was­ser, das so durch­wärmt war, dass Ed­gar es das Kin­der­bad nann­te; für sie war es der Jung­brun­nen, der sie durch das gan­ze Jahr ge­sund und frisch er­hielt. Dass ihr Sohn ihr die An­fangs­grün­de des Grie­chi­schen bei­brach­te und dass wir ihr da­nach zu­sam­men die »Alt­grie­chi­schen Un­ter­richts­brie­fe zum Selbst­stu­di­um« von Koch zum Ge­burts­tag ver­ehr­ten, an de­nen sie sich auch al­lein wei­ter­hel­fen konn­te, das vollen­de­te ihr Glück.

      Die kör­per­li­che Sei­te des Hel­lenen­tums ver­wirk­lich­te Van­zet­ti, der Herr des Na­tur­le­bens. Er sam­mel­te die Ju­gend um sich, stell­te Turn­ge­rä­te vor sei­nem Hau­se auf und be­geis­ter­te sie für die da­mals noch we­nig ge­pfleg­te Gym­nas­tik. Wie er sel­ber stolz auf sei­nen Wuchs ei­nes an­ti­ken Rin­gers war und nie an­ders als halb­nackt und tief­ge­bräunt ge­se­hen wur­de, so zog er in For­te ein jun­ges Ge­schlecht her­an, das bei Wett­lauf, Ring­kampf, Ru­dern, Ball­schla­gen und Boc­cia­spie­len sei­nem Meis­ter auch äu­ßer­lich ähn­lich wur­de und mit dem er all­som­mer­lich sei­ne Olym­pia­de fei­er­te, ohne wohl je von Olym­pia ge­wusst zu ha­ben. Heu­te wür­de er mit sei­nen Er­fah­rungs­sät­zen von der Phy­sio­lo­gie der Be­we­gung und dem Ein­fluss der gym­nas­ti­schen Wett­spie­le auf die Cha­rak­ter­bil­dung nur of­fe­ne Tü­ren ein­ren­nen; da­mals wa­ren sie über­ra­schend, und es be­drück­te ihn ei­ni­ger­ma­ßen, dass er sich viel zu flüch­ti­gen Geis­tes wuss­te um sie schrift­lich fest­le­gen zu kön­nen. Auch die Son­nen­bä­der, die er am Strand für sei­ne mit­ge­brach­te Kli­en­tel ein­führ­te, bil­de­ten lan­ge Zeit eine be­staun­te oder be­lä­chel­te Neu­heit. Für ihn be­stand der Be­ruf des Arz­tes we­ni­ger im Hei­len als im Ver­hü­ten von Krank­hei­ten, und lie­ber als Leis­tun­gen am Kran­ken­bett moch­te er sich von den Kli­en­ten die Zeit ver­gü­ten las­sen, wo er sie ge­sund er­hielt. So leg­te er auch den größ­ten Wert dar­auf, über­all, wo er ge­ru­fen wur­de, sel­ber in strah­len­der Ver­fas­sung zu er­schei­nen, weil es ihm fest­stand, dass der Arzt dem Pa­ti­en­ten mit dem Bei­spiel der Ge­sund­heit vor­an­ge­hen müs­se. Er sag­te von sich, dass er nicht mit dem Kopf den­ke, son­dern mit den Po­ren der Haut, und in der Tat be­saß er in sei­nen aufs äu­ßers­te ver­fei­ner­ten Sin­nen Wahr­neh­mungs­or­ga­ne, die ihm Er­kennt­nis­se aus der Na­tur zu­tru­gen, ohne dass er sich mit ih­rer geis­ti­gen Ver­ar­bei­tung quäl­te, weil sie kaum über die Sphä­re des Kör­per­li­chen hin­aus­dran­gen. Die Na­tur hat­te die­sen Men­schen wie kaum einen an­de­ren zum Glück­lich­sein aus­ge­stat­tet. Wenn er früh­mor­gens über die Fel­der ging, so schlürf­te er Won­nen ein; alle blü­hen­den Bü­sche, die harz­duf­ten­den Bäu­me, die aro­ma­ti­schen Kräu­ter tru­gen ihm ihre Wohl­ge­rü­che zu und er schwelg­te noch im Be­schrei­ben. In dem Strei­chen der Mor­gen­luft über sei­nen nack­ten brau­nen Ober­kör­per woll­te er schmei­cheln­de Nym­phen­fin­ger er­ken­nen; so war ihm in der Tat jede Pore sei­ner Haut eine Tür, um das Glück ein­zu­las­sen. Eben­so glück­lich wa­ren sei­ne Au­gen, die jede Schön­heit der Land­schaft bis her­ab zu der feins­ten Schat­tie­rung des Grüns der Fel­der wahr­nah­men. Gute Mu­sik, gleich­viel ob erns­ten oder hei­te­ren Cha­rak­ters, ver­setz­te ihn in einen Glück­stau­mel, ohne sein Ge­müt zu er­schüt­tern; wid­ri­ge Geräusche da­ge­gen, wie sie den fein­ner­vi­gen Ed­gar zur Verzweif­lung brach­ten, er­reich­ten ihn gar nicht. Der gan­ze Mensch war die not­wen­di­ge Ska­la von Kom­pli­men­tär­far­ben zu der Far­bens­ka­la sei­nes schwie­ri­gen Freun­des.

      Wie er mir die Ab­le­ger sei­nes Gar­tens brach­te, dass sie in mei­nem Gar­ten lus­tig wei­ter­trie­ben, so trug er mir auch aus sei­nen per­sön­li­chen Er­fah­run­gen zu, was mir für mei­ne künst­le­ri­schen Zwe­cke die­nen konn­te, mit der Er­laub­nis, dar­aus zu ma­chen was ich woll­te. Man­cher be­son­de­re Zug, den ich in der Dich­tung ver­wen­den konn­te, war eine schnell ge­pflück­te Ran­ke aus dem Le­bens­gar­ten des er­leb­nis­fro­hen Freun­des. In mei­nen Auf­zeich­nun­gen fin­de ich ein paar Stro­phen, die von die­sem hei­te­ren Ver­kehr zeu­gen:

       Von dei­nem Gar­ten

       in mei­nen Gar­ten

       tru­gest du man­che

       Sträu­cher und Bäu­me,

       hast mir viel Blu­men

       am son­ni­gen Orte

       nicht eine ver­dorr­te –

       wei­hend ge­pflanzt.

       In mei­nem Gar­ten

       wach­sen viel Bäu­me,

       blü­hen viel Blu­men

       aus dei­nem Gar­ten,

       die ich ge­zo­gen,

       die mein ge­wor­den,

       die mir mit Früch­ten,

       die mir mit luf­ti­gen, duf­ti­gen Ran­ken

       die Pfle­ge dan­ken.

       So auch ent­schwirr­ten

       aus dei­nem Bu­sen

       in mei­nen Bu­sen

       viel schnel­le Ge­dan­ken

       und Bil­der des Le­bens.

       Sie wur­den mein ei­gen,

       sie trie­ben Kei­me,

       sie kehr­ten wie­der

       in Maß und Rei­me

       als neue Lie­der.

       Sie­he, sie ha­ben ein andres Ge­sicht,

       wenn du sie siehst, du er­kennst sie nicht.

      Eine sol­che Ran­ke von fast or­chi­de­en­haf­ter Selt­sam­keit über­brach­te er mir ein­mal ei­nes spä­ten Abends in Flo­renz, als ich schon mei­ne schö­ne Woh­nung an der Via de’ Bar­di in­ne­hat­te. Er ging in der Nacht­luft spät noch den Lun­gar­no ent­lang, um sich die Stirn von ei­ner fie­bern­den

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