Gesammelte Werke. Isolde Kurz

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Gesammelte Werke - Isolde Kurz Gesammelte Werke bei Null Papier

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er konn­te ja von nichts an­de­rem re­den, be­ton­ter­wei­se nur l’a­ma­to, also der­je­ni­ge, der ge­liebt wird, der Ge­gen­stand der Lie­be! – Ein­mal sah ich ihn doch vor­über­ga­lop­pie­ren; er hat­te dem ed­len Tie­re, das er ritt, in der glü­hen­den Hit­ze den Schweif ab­neh­men las­sen und schwang das flat­tern­de Pracht­stück wie eine Tro­phäe vor sich her. Die Pein des Pfer­des, das sich der um­schwir­ren­den Stech­mücken und Brem­sen nicht mehr er­weh­ren konn­te, klag­te die Fühl­lo­sig­keit des Be­sit­zers an. Da­mals kann­te ich frei­lich sei­ne Lau­di nicht, die um jene Zeit ent­stan­den sein mö­gen und die mir nach­mals eine an­de­re Mei­nung, nicht von dem Men­schen, aber von dem Dich­ter D’An­nun­zio ga­ben. Ein sol­ches Sin­gen, Quel­len, Spru­deln, Schil­lern, Schäu­men, Sich­kräu­seln und Wir­beln der Spra­che, in die alle Zau­ber des Mee­res und der Wäl­der ge­bannt sind, gab es in der ita­lie­ni­schen Dich­tung nie zu­vor; er hat sie aus der star­ren Sta­tik er­löst, in die Car­duc­cis Mo­nu­men­tal­stil sie ge­bannt hielt, und wenn al­les an­de­re an die­sem Man­ne kal­ter Glanz war, so doch ei­nes nicht: sei­ne tie­fe An­dacht zur Spra­che, der er mit der In­brunst ei­nes Ver­lieb­ten nach­ging, wo er sie aus dem Mun­de al­ter tos­ka­ni­scher Bäu­er­lein als an ih­rem Ur­sprung auf­fan­gen konn­te. Nach den Lau­di konn­te man ihm viel ver­zei­hen, nur nicht die ver­ra­te­ne bloß­ge­stell­te Duse.

      An je­nem Som­mer be­geg­ne­te Freund Fa­so­la vor dem Dorf ei­nem Bäu­er­lein, das mit ei­nem ver­deck­ten Korb aus der Berg­ge­gend her­un­ter­kam und sich bei ihm nach dem Wohn­sitz der Si­gno­ra Nun­zia er­kun­dig­te. Fa­so­la, der von die­ser Dame nichts ge­hört hat­te, frag­te sei­ner­seits nach dem Zweck der Fra­ge, da deck­te der Land­mann eine Bir­ne von un­ge­heu­rem Um­fang auf und sag­te, die­se Rie­sen­frucht sei in sei­nem Baum­gut ge­wach­sen, aber da oben kön­ne sie nie­mand be­zah­len, des­halb habe man ihm ge­ra­ten, sie der Si­gno­ra Nun­zia un­ten am Stran­de zu brin­gen, das sei eine sehr groß­spu­ri­ge und auf al­les Au­ßer­or­dent­li­che er­pich­te Dame, die sie ihm ge­wiss ab­neh­men wer­de. Nun wuss­te der Fra­ger Be­scheid, riet je­doch dem Bäu­er­lein, sich das Su­chen nach be­sag­ter Dame zu spa­ren und lie­ber ihm die Bir­ne zu ver­kau­fen, da auch er ein Lieb­ha­ber von großen Din­gen sei. So kam die Lu­xus­ta­fel des Dich­ters an je­nem Tage um eine Merk­wür­dig­keit. Ich er­zäh­le den Spaß nicht des Spa­ßes hal­ber, son­dern als War­nung für die Ruhm­gie­ri­gen: un­ten am Strand der Dich­ter Ita­li­ens, der »Poe­ta« – d. h. der ein­zi­ge, der ne­ben Dan­te mit dem großen P ge­schrie­ben wur­de – und we­ni­ge Ki­lo­me­ter land­ein­wärts eine von Grö­ßen­sucht be­ses­se­ne Dame Nun­zia! –

      Die Duse! Nach­dem ihr Name ge­nannt ist, blei­be ich einen Au­gen­blick ste­hen, ihr die ge­büh­ren­de Hul­di­gung zu er­wei­sen. In die­ser Zeit­ge­stalt hat die Jahr­hun­dert­wen­de ih­ren weib­li­chen Aus­druck ge­fun­den wie in D’An­nun­zio ih­ren männ­li­chen, auf des­sen her­ri­schen Ruf »Gioire!« sie mit dem ver­zück­ten Ge­gen­ruf »Ser­vi­re!« Ant­wort gab. Arme, arme Duse! Wil­li­ges Op­fer letz­ter furcht­bars­ter Hö­rig­keit!

      Die Duse ge­hört nicht mehr in das Hel­den­zeit­al­ter der ita­lie­ni­schen Schau­spiel­kunst, ein brei­ter Tren­nungs­strich schied sie von dem Tom­ma­so Sal­vi­nis. Zwar hat­te sie in ih­ren größ­ten Au­gen­bli­cken wie die­ser noch den Ur­laut und den jä­hen An­sprung der Lei­den­schaft, aber im üb­ri­gen spiel­te sie Ner­ven; der große Stil war durch den Zeit­ge­schmack zer­fa­sert, aus ih­ren Rol­len hat­te sie ihn nicht ler­nen kön­nen. Was sie dar­stel­len muss­te, war fin de siècle, Pro­ble­ma­tik, bür­ger­li­che De­ka­denz. Aber sie leer­te ihre öden Rol­len aus von dem Kitsch und tat Men­schen­tum hin­ein, ihr gan­zes ge­quäl­tes Frau­en­tum. Man muss sie ge­se­hen ha­ben, wie sie als Mar­gue­ri­te Gau­tier von ih­rem Lie­bes­nest Ab­schied nimmt, je­den Ge­gen­stand, wor­an ein Glück­ser­in­nern hängt, noch strei­chelnd, has­tig, fah­rig wie ein hin­aus­ge­jag­tes Kind. Es konn­te nichts Herz­zer­rei­ßen­de­res ge­ben. Dass sie sich spät noch an die Kleo­pa­tra wag­te, kann nur ein Fehl­griff ge­we­sen sein, und es ist mir lieb, sie nicht in die­ser Rol­le ge­se­hen zu ha­ben, wie sehr auch ihre Be­wun­de­rer sie prie­sen; für Sha­ke­s­pea­re reich­ten ihre Maße nicht aus. Ge­wiss ver­füg­te sie über alle Ver­füh­rung und alle Ge­fähr­lich­keit der kö­nig­li­chen Kur­ti­sa­ne, aber Kleo­pa­tra war mehr als das, sie war auch eine Kö­ni­gin und eine po­li­ti­sche Frau. Wo­her den großen welt­ge­schicht­li­chen Atem neh­men? Und wer be­saß ihn un­ter den Zeit­ge­nos­sen? Da­ge­gen sah ich sie spät ein­mal in ih­rem höchs­ten Glan­ze – in Gol­do­nis »Lo­can­die­ra«. Sie war zwar al­les eher als das ju­gend­lich mut­wil­li­ge Ge­schöpf des Dich­ters, son­dern ganz und gar ihre ei­ge­ne Schöp­fung: die rei­fe, schon lei­se vom Al­tern ge­streif­te, aber de­sto be­rücken­de­re, mit al­len Was­sern ge­tauf­te Frau, das Ur­bild ita­lie­ni­scher Gra­zie und ma­li­zia. Man hät­te müs­sen für das grü­ne Bür­sch­lein ban­gen, das die­se ent­zücken­de Schlan­ge sich zum Gat­ten er­kürt, wenn man über­haupt eine an­de­re Ge­stalt auf der Büh­ne ne­ben ihr ge­se­hen hät­te.

      Ich hat­te nur ein­mal die Freu­de, ei­ni­ge Wor­te mit Eleo­no­ra Duse zu wech­seln, und zwar in Flo­renz bei ei­ner Be­geg­nung auf der Stra­ße, wo mei­ne Fili uns rasch be­kannt mach­te. Sie klag­te über den Un­geist ih­rer Ita­lie­ner, der aber der Un­geist der Zeit war. Ich ant­wor­te­te zum Trost, je­der habe es mit sei­nen Lands­leu­ten. O ich hab es schreck­lich mit den mei­ni­gen, war die Ant­wort; sie fühl­te sich trotz ih­res Wel­truhms um das Bes­te ih­res Kön­nens ver­kürzt. Man muss­te sie so­gleich lie­ben; es war um ihre wun­der­vol­le Per­sön­lich­keit gar kei­ne Thea­ter­luft, nur die Auss­trö­mung ei­ner ed­len, in­ner­lich ech­ten Frau­en­na­tur. Den Be­such, den sie uns, das heißt mei­ner kran­ken Mut­ter, die mit mir zu­sam­men­leb­te, zu­ge­dacht hat­te, aber ih­rer Ner­ven we­gen nicht aus­führ­te, habe ich ihr vie­le Jah­re spä­ter in Aso­lo zu­rück­ge­ge­ben, als ich auf dem hoch­ge­le­ge­nen Fried­hof an der schreck­lich las­ten­den Grab­plat­te stand, die kei­ne In­schrift au­ßer dem großen Na­men trägt. Die Arme, als wäre ihr die Erde nicht schwer ge­nug ge­we­sen! An ei­nem Haus in Aso­lo ist eine Ge­denk­ta­fel zu le­sen, die die große Künst­le­rin als dritt­ge­bo­re­ne Toch­ter von San Mar­co fei­ert, ein Ge­dan­ke, den die hoch­ra­gen­de Burg der Ca­te­ri­na Cor­naro, ober­halb der Häu­ser­zei­le, ein­ge­ge­ben ha­ben mag. Der Stil ver­rät den Ver­fas­ser: es war das Letz­te, was er der eins­ti­gen Freun­din tat, ihr den klin­gen­den Ti­tel für ih­ren Ein­zug in die Uns­terb­lich­keit fin­den.

      *

      Jede Men­schen­see­le scheint für eine be­stimm­te Jah­res­zeit vor­zugs­wei­se ge­schaf­fen, wo sie sich in den at­mo­sphä­ri­schen Be­din­gun­gen am wohls­ten fühlt. Die mei­ni­ge war an den Som­mer ge­bun­den, an sei­ne höchs­ten mit­täg­li­chen Glu­ten. Da ka­men sie zu mir, mei­ne Mit­tags­ge­spens­ter, um die Stun­de, wo drin­nen im Lan­de der Gro­ße Pan auf den glü­hen­den Fel­dern schläft und al­les Un­sicht­ba­re mäch­ti­ger wird. Der Strand, der un­se­re Häu­ser trug, war Schwemm­land und hat­te noch kei­ne Ge­schich­te wie die Städ­te und Städt­chen und Bur­gen im Hin­ter­land, die von his­to­ri­schen Erin­ne­run­gen strotz­ten. Hier konn­ten sich Böck­lins Tri­to­nen und hand­fes­te Meer­wei­ber in den Sturz­wel­len über­pur­zeln (was

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