Gesammelte Werke. Isolde Kurz
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Oftmals kam auch Hildebrand, der in Forte seine Abhandlungen über künstlerische Dinge schrieb, mit einem Stoß Manuskript mitten in meine Arbeit hinein, damit ich ihm hülfe, seine zyklopischen Sätze für das Verständnis des Lesers zurechtzuhämmern. Diese Unterbrechung ließ ich mir gerne gefallen, denn die Erquickung, die von den stundenlangen, geistentbindenden Zwiegesprächen ausging, machte den Zeitverlust reichlich gut.
Ich habe nie den greisen Faust begriffen, den die »zwecklose Kraft unbändiger Elemente« zum Verzweifeln beängstet, weil mit dem prahlerischen Getue der Wogen nichts Nützliches geleistet ist. Wer weiß, wie bald es der Technik einfallen wird, sich auch diese Urkraft zu bändigen, indem sie Wundergestade wie diese mit höchst zweckvollen Anstalten, Kraftwerk an Kraftwerk umsäumt, jeden Fußbreit freier Schönheit vernichtend, dass der alte Meergott sein grün umkränztes Bette nicht mehr kennt. Ob dann nicht eines Tages die Urdämonen die Geduld verlieren werden, dass sie die vergreiste Erdrinde in Stücke schlagen, sich vielleicht wieder einmal den Mond herunterlangen und mit den zersprengten Kontinenten solange Fußball spielen, bis aller Platz frei wird für ein neues, wieder kindliches Geschlecht. Sie werden noch wissen, wie es gemacht wird, wenn sie auch für jetzt nur je und je kleine Probestückchen vorführen. Ich denke an gewisse Winternächte, die ich allein mit meinem Mütterchen in dem kleinen Haus verbrachte, wo keine Frau des Dorfes mit uns schlafen wollte, weil auf und ab an dem donnernden Strand in dieser Jahreszeit keine andere Menschenseele atmete als wir. Da stand ich allein die langen Stunden am Fenster, während sie schlief, und sah im wechselnden Mondlicht, das da und dort durch Wolkenritze drang, die alte Midgardschlange sich mit wütendem Gebrüll in ihrem Bette wälzen, bald hoch zum Himmel hinaufgebäumt, bald sich mit unendlichem Schwall und Schaum bis nahe vor meine Haustür ergießend. Und mehr als einmal habe ich mich da gefragt, ob wohl am Morgen dieses kleine Häuslein noch in seinen Grundmauern wurzeln oder weit da draußen mit seinen beiden Insassinnen auf den hohen Wogenkämmen treiben werde.
Da waren auch die großen Herbstmanöver am Himmel, die zum schauernden Entzücken der Zuschauer von den Wolken und Winden aufgeführt wurden:
Über dem Meere der Wolkenzug,
Wolken vom Bergessaume:
Feindliche Riesen auf leisem Flug
Treffen sich hoch im Raume.
Keuchen und Stoß auf Stoß,
Feucht und schwer ihr Gefieder,
Tropfen ringen sich los,
Einer muss nieder.
Qualvoll Busen an Busen gepresst
Liegen die Zwei und ringen:
Ostwärts jener und der nach West
Will die Fahrt sich erzwingen.
Heißer Atem wie Dampf
Sengt die schweigenden Felder,
Bang in den Riesenkampf
Blicken die Wälder.
Raum! Gib Raum! Und ins Wutgestöhn
Schmettern die Siegsfanfaren.
Hoch in Wipfel und Waldeshöh’n
Kommt der Westwind gefahren.
Dem Meere brüllt er: Steh auf!
Schnell gehorcht es dem Rufer,
Ganze Geschwader zuhauf
Wirft es ans Ufer.
Weh, was klirren die Scheiben so wild?
Balken und Ziegel schmettern.
Alles ruft er, was Menschengebild,
Auf zum Tanz mit den Wettern.
Hoch aus geborstenem Schlund
Fahren feurige Drachen,
Tief entblößen den Grund
Gähnende Rachen.
Wilde Gesichter aus Schaum und Flut
Tauchen empor und grinsen,
Lauter fordert des Meeres Wut
Seine verlornen Provinzen:
Alter, sei stark, sei stark!
Was das Land dir gestohlen,
Samt dem menschlichen Quark
Wollen wir’s holen!
Tief im Lande der Schwall und Schaum
Stürzender Wasserkolosse,
Springend weiden am Wiesensaum
Neptuns weißmähnige Rosse.
Wind und Wellentriumph!
Morgen wollen wir sehen.
Erde die spielt den Trumpf:
Schweigen und stehen.
In solchen Stunden hatte ich große Not mit meinem Mütterlein. Nichts auf der Welt fürchtete sie so wie die Gewitter, und zwar den Donner: die Blitze beängsteten sie weniger, weil sie schon da waren, ehe man sie kommen sah. Es blieb bei starken Entladungen nichts übrig, als sich mit ihr auf die Treppe zu setzen, an die Stelle,