Father Brown - Krimis. Гилберт Кит Честертон
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Wie Iwan den Gästen erklärte, hatte ihr Gastgeber telephoniert, er sei noch auf zehn Minuten zurückgehalten. In Wirklichkeit war er dabei, noch einige letzte Anordnungen für Hinrichtungen und ähnliche garstige Dinge zu treffen, und obwohl ihm diese Pflichten von Grund aus widerwärtig waren, vollzog er sie doch stets mit aller Pünktlichkeit. Unbarmherzig in der Verfolgung von Verbrechern, war er sehr nachsichtig bezüglich ihrer Bestrafung. Seit er an der Spitze des französischen und im allgemeinen auch europäischen Polizeiwesens stand, verwandte er seinen großen Einfluß ehrlich zugunsten einer Milderung der Verurteilungen und einer Säuberung der Gefängnisse. Er war einer jener menschenfreundlichen Freidenker, welche das einzige Schlimme an sich haben, daß sie das Erbarmen sogar noch kälter als die Gerechtigkeit machen.
Als Valentin eintraf, steckte er bereits in schwarzer Kleidung mit der roten Rosette – eine elegante Gestalt mit dunklem, jedoch bereits ergrauendem Barte. Er begab sich geradeaus durch sein Haus in sein Studierzimmer, welches auf den dahinter liegenden Grundbesitz hinausging. Die Gartentüre war offen, und nachdem er seine Handtasche an ihren dafür bestimmten Platz versperrt hatte, stand er zwei Sekunden am offenen Fenster und blickte in den Garten hinaus.
Die scharfe Mondsichel kämpfte mit den fliegenden Fetzen und Trümmern eines Sturmes und Valentin betrachtete ihn mit einer für eine wissenschaftliche Natur, wie es die seinige war, ungewöhnlichen Nachdenklichkeit. Vielleicht besitzen solche wissenschaftliche Naturen irgendeinen seelischen Weitblick auf die schrecklichsten Probleme ihre Lebens. Wenigstens beeilte er sich, eine solche Stimmung von sich abzuschütteln, denn er wußte, er war spät daran und seine Gäste hatten schon begonnen einzutreffen. Ein Blick in den Salon genügte ihm bei seinem Eintreten, ihn zu vergewissern, daß sein hauptsächlichster Gast jedenfalls noch fehlte. Er sah all die anderen Stützen der kleinen Gesellschaft: er sah Lord Galloway, den englischen Gesandten, einen cholerischen alten Herrn mit einem rotbraunen Gesichte wie ein Apfel, und dem blauen Bändchen des Hosenbandordens. Er sah Lady Galloway, schmächtig und dünn wie ein Faden, mit silbernem Haar und einem empfindsamen und überlegenen Gesicht. Er sah deren Tochter, Lady Margaret Graham, ein bleiches und hübsches Mädchen mit einem Elfengesicht und kupferfarbenem Haar. Er sah die Herzogin von Mont St. Michel, schwarzäugig und üppig, und mit ihr ihre zwei Töchter, ebenfalls schwarzäugig und üppig. Er sah Dr. Simon, den typischen französischen Gelehrten mit Brille, braunem Spitzbart und einer von jenen parallelen Runzeln durchfurchten Stirne, welche die Strafe des Hochmutes sind, da sie durch fortwährendes Hochziehen der Brauen entstehen. Er sah Father Brown aus Cobhole in Essex, den er vor kurzem in England kennen gelernt hatte. Er sah – vielleicht mit mehr Interesse als irgend jemand von all diesen – einen großen Mann in Uniform, der sich zu den Galloways herabbeugte, ohne jedoch ein besonders herzliches Entgegenkommen zu finden, und nun herantrat, dem Gastgeber seine Aufwartung zu machen. Das war Hauptmann O’Brien von der französischen Fremdenlegion. Er war eine geschmeidige und doch etwas großtuerische Gestalt, glattrasiert, dunkelhaarig, blauäugig und, wie es bei einem Offizier jenes berühmten Regimentes siegreicher Mißerfolge und erfolgreicher Selbstmorde natürlich schien, mit einem Ausdrucke von Ungestüm sowohl wie von Schwermut. Er war von Geburt Irländer und hatte in jungen Jahren die Galloways gekannt – besonders Margaret Galloway. Von Gläubigern bedrängt, hatte er seine Heimat verlassen und brachte jetzt seine vollständige Verachtung für britische Etikette dadurch zum Ausdruck, daß er in Uniform und mit Säbel und Sporen umherschlenderte. Als er sich Zur Familie des Gesandten herniederbeugte, verneigten sich Lord und Lady Galloway steif und Lady Margaret blickte zur Seite.
Doch aus welchen alten Gründen auch immer solche Leute aneinander interessiert sein mochten, ihr ausgezeichneter Gastgeber nahm kein besonderes Interesse an ihnen. Keines von ihnen war wenigstens in seinen Augen der Gast des Abends. Valentin erwartete aus besonderen Gründen einen Mann von weltumfassendem Rufe, dessen Freundschaft er sich auf einigen seiner großen Detektivreisen in den Vereinigten Staaten erworben hatte. Er erwartete Julius A. Brayne, jenen Multimillionär, dessen riesige und selbst erdrückende Schenkungen zugunsten kleiner Religionsgemeinschaften den amerikanischen Blättern Anlaß zu manchem leichten Scherz und zu manchem leichten Ernst gaben. Niemand konnte genau angeben, ob Mr. Brayne Atheist war oder Mormone oder Gesundbeter; aber er war stets bereit, Geld in jedes geistige Gefäß zu schütten, solange dieses keins war, das sich überlebt hatte. Eines seiner Steckenpferde bestand darin, auf den amerikanischen Shakespeare zu warten – ein Steckenpferd, das mehr Geduld erforderte als Angeln. Er bewunderte Walt Whitman, hielt aber Lukas P. Tanner aus Paris, Pa., für »fortschrittlicher« als Whitman. Er hatte eine Vorliebe für alles, was er für fortschrittlich hielt. Auch Valentin hielt er für fortschrittlich, tat ihm damit aber ein großes Unrecht an.
Das Erscheinen Julius K. Braynes im Zimmer wirkte so entscheidend wie die Tischglocke. Er besaß jene große Eigenschaft, welcher sehr wenige von uns sich rühmen können, nämlich daß seine Gegenwart so fühlbar wirkte wie seine Abwesenheit. Er war von mächtiger Gestalt, ebenso fett wie stark, steckte in tadelloser Abendtoilette, ohne ihr auch nur durch so viel wie eine Uhrkette oder einen Ring nachzuhelfen. Sein Haar war weiß und wie bei einem Deutschen glatt nach rückwärts gekämmt, das Gesicht rot, leidenschaftlich und unschuldig, mit einem dunklen Knebelbarte an der Unterlippe, was diesem sonst kindlichen Gesichte etwas Theatralisches, ja selbst Mephistophelisches verlieh. Nicht lange jedoch beschränkte sich dieser Salon darauf, den berühmten Amerikaner anzustarren, sein verspätetes Kommen war schon ein häusliches Problem geworden und mit aller Beschleunigung wurde er mit Lady Galloway am Arme in das Speisezimmer geschickt.
Einen Punkt ausgenommen, waren die Galloways ganz heiter und unbefangen. Solange Lady Margaret nicht den Arm jenes Abenteurers O’Brien nahm, war ihr Vater ganz zufrieden, und sie hatte es nicht getan, sie war, wie es sich geziemte, mit Dr. Simon eingetreten. Nichtsdestoweniger war der alte Lord Galloway unruhig und beinahe grob. Während des Diners benahm er sich noch halbwegs als Diplomat, als aber bei den Zigarren drei von den jüngeren Herren – Simon, der Doktor, Brown, der Priester, und der störende O’Brien, der Verbannte in fremder Uniform – sich verzogen, um sich unter die Damen zu mischen oder im Gewächshause zu rauchen, wurde der englische Diplomat in der Tat sehr undiplomatisch. Alle sechzig Sekunden stachelte ihn der Gedanke auf, der Taugenichts von einem O’Brien könnte irgendwie Lady Margaret Zeichen machen; auf welche Weise, bemühte er sich erst gar nicht sich vorzustellen. Er war mit Brayne, dem weißhaarigen Yankee, der an alle Religionen glaubte, und Valentin, dem ergrauenden Franzosen, der an gar keine glaubte, seinem Kaffee überlassen. Miteinander streiten, das konnten sie, aber keiner von ihnen war imstande, ihn ins Gespräch zu ziehen. Nach einiger Zeit hatte die fortschreitende Wortklauberei den Gipfelpunkt der Langweile erreicht und Lord Galloway erhob sich und suchte den Salon auf. Sechs bis acht Minuten verlor er in den langen Gängen seinen Weg, bis er die hochgestimmte, dozierende Stimme des Doktors und dann die langsame des Priesters gefolgt von allgemeinem Gelächter hörte. Aber im Augenblicke, da er die Salontüre öffnete, sah er nur eines – er sah was nicht dort war. Er sah, daß Hauptmann O’Brien fehlte und daß auch Lady Margaret nicht da war.
Ungeduldig, wie er das Speisezimmer verlassen hatte, den Rauchsalon verlassend, stampfte er nochmals den Gang entlang. Sein Bestreben, seine Tochter vor dem irisch-algerischen Tunichtgut zu beschützen, war etwas wie der Mittelpunkt seines Geistes, eine nahezu fixe, verrückte Idee geworden. Als er der Rückseite des Hauses zuschritt, wo Valentins Arbeitszimmer lag, war er überrascht, seine Tochter zu treffen, welche mit blassem, achtlosem Gesichte vorüberschoß, was ein zweites Rätsel darstellte. Wenn sie mit O’Brien zusammen war,