Anne & Rilla - Der Weg ins Glück. Lucy Maud Montgomery

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Anne & Rilla - Der Weg ins Glück - Lucy Maud Montgomery Anne Shirley Romane

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Montgomery

      Anne und Rilla Der Weg ins Glück

      Zum Gedenken an

      Frederica Campbell MacFarlane,

      die von mir ging, als der Tag anbrach,

      am 25. Januar 1919,

      eine treue Freundin,

      eine außergewöhnliche Persönlichkeit,

      eine treue und tapfere Seele.

      „Wer in jungen Jahren so Großartiges vollbracht hat, wird für uns immer jung bleiben.“

      Sheard

      Inhalt

      Cover

      Titel

      Wochen der Ungewißheit

      Eine Kriegshochzeit

      Gertrudes Traum

      Aufruhr in der Kirche

      Liebesaffären

      Mondays Vorahnung

      Nun denn, gute Nacht

      Rettung in letzter Minute

      Shirley nimmt Abschied

      Der Heiratsantrag.

      Warten

      Schwarzer Sonntag

      Verwundet und vermißt

      Gezeitenwechsel

      Mrs. Matilda Pitman

      Nachricht von Jem

      Sieg!

      Susans Flitterwochen

      Rilla-meine-Rilla

      Weitere Titel von Lucy Maud Montgomery

      Weitere Infos

      Impressum

      Wochen der Ungewißheit

      Rilla las ihren ersten Liebesbrief im Regenbogental, in ihrem geheimen Schlupfwinkel unter den Tannen. Nichts ist für ein junges Mädchen so aufregend wie der erste Liebesbrief, auch wenn er für ältere Leute noch so kitschig klingen mag. Nachdem Kenneths Regiment Kingsport verlassen hatte, folgten zwei Wochen zermürbender Ungewißheit und Sorge, und wenn die Gläubigen Sonntag abends in der Kirche sangen „Herr, erhöre unser Fleh’n, hilf den Notleidenden auf See“, dann versagte Rillas Stimme, weil sich ihr bei diesen Worten das schreckliche Bild von einem versinkenden Schiff aufdrängte, das erbarmungslos unter den Schreien und dem Todeskampf der Männer von den Wellen verschlungen wurde.

      Dann kam die Nachricht, daß Kenneths Regiment unversehrt in England angekommen sei. Und jetzt, endlich, hielt Rilla seinen Brief in der Hand. Der Anfang des Briefes machte Rilla überaus glücklich, und der letzte Abschnitt klang so wunderbar und zauberhaft, daß sie vor Freude ganz rot wurde. Der Mittelteil betraf die letzten Neuigkeiten und war so sachlich und unbeschwert geschrieben, daß er genausogut jeder anderen Person hätte gelten können. Doch der Anfang und das Ende des Briefes waren für Rilla Grund genug, ihn unter ihr Kopfkissen zu legen und wochenlang darauf zu schlafen. Und wenn sie nachts aufwachte, dann glitten ihre Finger unter das Kissen und tasteten danach. Die anderen Mädchen konnten ihr richtig leid tun. Die Briefe, die sie von ihren Verehrern bekamen, waren bestimmt nicht halb so wunderbar und aufregend. Kenneth war nicht umsonst der Sohn eines berühmten Schriftstellers. In seinem eigenen Stil vermochte er die Dinge in wenigen scharfen und treffenden Worten auszudrücken, in Worten, die weit über ihre Bedeutung hinauszugehen schienen. Was er schrieb, konnte man immer und immer wieder lesen, es wirkte nie abgedroschen, langweilig oder dumm. Als Rilla sich auf den Heimweg machte, hatte sie das Gefühl zu fliegen.

      Aber solche erhebenden Augenblicke waren in diesem Herbst die Ausnahme. Das heißt, es gab einen Tag im September, als nämlich die großartige Nachricht kam, daß die Alliierten im Westen einen entscheidenden Sieg errungen hatten. Susan lief gleich hinaus, um die Fahne zu hissen, das erstemal seit dem Durchbruch der russischen Front und das letztemal für viele trostlose Monate.

      „Das ist bestimmt der Anfang des Großangriffs, liebe Frau Doktor!“ rief Susan ganz aufgeregt. „Bald werden die Hunnen am Ende sein. Und das bedeutet, daß unsere Jungen bis Weihnachten wieder zu Hause sind, hurra!“

      Im selben Augenblick, als sie hurra schrie, schämte sich Susan und entschuldigte sich kleinlaut für ihren kindischen Gefühlsausbruch. „Ach wissen Sie, liebe Frau Doktor, diese gute Nachricht ist mir ganz einfach zu Kopf gestiegen nach diesem schrecklichen Sommer mit der Niederlage der Russen und dem Rückschlag von Gallipoli.“

      „Gute Nachricht!“ empörte sich Miss Oliver. „Ob wohl die Frauen, deren Männer dafür sterben mußten, das auch eine gute Nachricht nennen? Bloß, weil unsere eigenen Männer nicht an dieser Stelle der Front stehen, freuen wir uns und tun so, als ob der Sieg kein Menschenleben gekostet hätte.“

      „Liebe Miss Oliver, so dürfen Sie das aber nicht sehen“, sagte Susan tadelnd. „Erstens haben wir in letzter Zeit doch wirklich kaum Anlaß zur Freude gehabt, und zweitens können wir nichts mehr daran ändern, daß Männer dabei umgekommen sind. Sie dürfen den Kopf nicht so hängenlassen. Cousine Sophia ist genauso. Als sie von der Nachricht hörte, da sagte sie: ‚Das ist doch bloß wieder so ein Wolkenloch. Diese Woche schöpfen wir Mut, und nächste Woche lassen wir ihn wieder sinken.‘ – ‚Hör mal, liebe Sophia Crawford‘, habe ich da gesagt – von ihr lasse ich mir nämlich nichts gefallen, liebe Frau Doktor —, selbst der liebe Gott kann nicht zwei Hügel erschaffen ohne eine Mulde dazwischen, sagt man, also warum sollten wir nicht das Gute sehen, wenn wir schon mal oben sind?‘ Aber Cousine Sophia schimpfte weiter. ‚Die Gallipoli-Expedition war ein Reinfall, der Großherzog Nicholas ist abgesetzt, und jeder weiß, daß der Zar von Rußland auf der Seite der Deutschen steht und die Alliierten keine Munition haben und Bulgarien nichts von uns wissen will. Und das Ende ist noch nicht in Sicht, denn England und Frankreich müssen für ihre Todsünden bestraft werden, bis sie in Sack und Asche büßen.‘ – ‚Ich denke‘, sagte ich, ‚daß die in Uniform und im Schlamm der Schützengräben Buße tun werden und daß die Hunnen auch ein paar Sünden zu bereuen haben.‘ – ‚Die sind doch für den Allmächtigen bloß Instrumente, mit denen er die Kornkammer reinigt‘, sagte Sophia. Das hat mich wütend gemacht, liebe Frau Doktor, und ich habe zu ihr gesagt, ich glaube nie im Leben, daß der Allmächtige solche schmutzigen Instrumente in die Hand nimmt, egal für welchen Zweck, und ich fände es nicht anständig von ihr, mit den Worten der Heiligen Schrift genauso schludrig umzugehen wie mit ihrer Umgangssprache. Sie wäre doch schließlich kein Pfarrer oder so was, habe ich zu ihr gesagt. Der habe ich es vorläufig gezeigt. Bei Cousine Sophia ist wirklich Hopfen und Malz verloren. Ihre Nichte, Mrs. Dean Crawford aus Overharbour, ist da ganz anders. Sie wissen ja, daß die Dean Crawfords schon fünf Buben haben, und das Baby, das jetzt gekommen ist, ist glatt wieder ein Junge. Die ganze Verwandtschaft und Dean Crawford sowieso waren zutiefst enttäuscht, weil sie sich alle ein Mädchen in den Kopf gesetzt hatten. Aber Mrs. Dean lachte nur und sagte: ‚Egal, wo ich diesen Sommer hingegangen bin, ständig bin ich auf einen Aushang gestoßen mit den Worten Männer gesucht. Glaubt ihr wirklich, ich könnte unter solchen Umständen ein Mädchen auf die Welt bringen?‘ Das nenne ich aber Humor, liebe Frau Doktor. Aber Cousine Sophia würde dazu sagen, das Kind wäre bloß wieder neues Kanonenfutter.“

      Cousine Sophia konnte in diesem trüben Herbst ihrem Pessimismus so richtig freien Lauf lassen, und selbst Susan als unverbesserlicher

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