Gesammelte Werke von Arthur Schnitzler. Артур Шницлер

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Gesammelte Werke von Arthur Schnitzler - Артур Шницлер

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Augenblick ist ihm, als stürze alles wieder hin, was er in seiner Seele aufgebaut; aber im nächsten steht es wieder fest. – Und er weiß, was er ihm sagen wird, wenn er hereintritt: Ich hab es verstanden – bleib!

      Eine Stimme draußen, die Stimme des Freundes.

      Und plötzlich fährt ihm durch den Kopf, daß dieser

      Mann jetzt, ein Ahnungsloser, da hereintreten wird, daß er selbst es ihm erst wird sagen müssen …

      Und er möchte sich vom Diwan erheben, die Tür verschließen . denn er fühlt, daß er keine Silbe wird sprechen können. Und er kann sich ja nicht einmal bewegen, er ist wie erstarrt. Er wird ihm nichts, kein Wort wird er ihm heute sagen, morgen erst … morgen.

      Es flüstert draußen. Richard kann die leise Frage verstehen: »Ist er allein?« Er wird ihm nichts, kein Wort wird er ihm heute sagen; morgen erst – oder später …

      Die Tür öffnet sich, der Freund ist da. Er ist sehr blaß und bleibt eine Weile stehen, als müßte er sich sammeln, dann eilt er auf Richard zu und setzt sich neben ihn auf den Diwan, nimmt seine beiden Hände, drückt sie fest, – will sprechen, doch versagt ihm die Stimme.

      Richard sieht ihn starr an, läßt ihm seine Hände. So sitzen sie eine ganze Weile stumm da.

      Mein armer Freund, sagt endlich Hugo ganz leise.

      Richard nickt nur mit dem Kopf, er kann nicht reden. Wenn er ein Wort herausbrächte, könnte er ihm doch nur sagen: Ich weiß es …

      Nach ein paar Sekunden beginnt Hugo von neuem: Ich wollte schon heute früh da sein. Aber ich habe dein Telegramm erst spät abends gefunden, als ich nach Hause kam.

      Ich dachte es, erwidert Richard und wundert sich selbst, wie laut und ruhig er spricht. Er schaut dem andern tief in die Augen … Und plötzlich fällt ihm ein, daß dort auf dem Klavier – die Briefe liegen. Hugo braucht nur aufzustehen, ein paar Schritte zu machen – und sieht sie … und weiß alles. Unwillkürlich faßt Richard die Hände des Freundes – das darf noch nicht sein; er ist es, der vor der Entdeckung zittert.

      Und wieder beginnt Hugo zu sprechen. Mit leisen, zarten Worten, in denen er es vermeidet, den Namen der Toten auszusprechen, frägt er nach ihrer Krankheit, nach ihrem Sterben. Und Richard antwortet. Er wundert sich anfangs, daß er das kann; daß er die widerlichen und gewöhnlichen Worte für all das Traurige der letzten Tage findet. Und ab und zu streift sein Blick das Gesicht des Freundes, der blaß, mit zuckenden Lippen lauscht.

      Wie Richard innehält, schüttelt der andere den Kopf, als hätte er Unbegreifliches, Unmögliches vernommen. Dann sagt er: Es war mir furchtbar, heute nicht bei dir sein zu können. Das war wie ein Verhängnis.

      Richard sieht ihn fragend an.

      Gerade an jenem Tag … in derselben Stunde waren wir auf dem Meer.

      Ja, ja …

      Es gibt keine Ahnungen! Wir sind gesegelt, und der Wind war gut, und wir waren so lustig … Entsetzlich, entsetzlich.

      Richard schweigt.

      Du wirst doch aber jetzt nicht hier bleiben, nicht wahr?

      Richard schaut auf. Warum?

      Nein, nein, du darfst nicht.

      Wohin soll ich denn gehen? … Ich denke, du bleibst jetzt bei mir? … Und eine Angst überfällt ihn, daß Hugo wieder weggehen könnte, ohne zu wissen, was geschehen.

      Nein, erwidert der Freund, ich nehme dich mit, du fährst mit mir weg.

      Ich mit dir?

      Ja … Und das sagt er mit einem milden Lächeln.

      Wohin willst du denn?

      Zurück!

      Wieder an die Nordsee?

      Ja, und mit dir. Es wird dir wohltun. Ich lasse dich ja gar nicht hier, nein! … Und er zieht ihn wie zu einer Umarmung an sich … Du mußt zu uns! …

      Zu uns? …

      Ja.

      Was bedeutet das »zu uns«? Bist du nicht allein?

      Hugo lächelt verlegen: Gewiß bin ich allein …

      Du sagst »uns« …

      Hugo zögert eine Weile. Ich wollte es dir nicht gleich

      mitteilen, sagt er dann.

      Was? …

      Das Leben ist so sonderbar – ich habe mich nämlich verlobt …

      Richard schaut ihn starr an …

      Darum meint’ ich: »Zu uns« … Darum geh’ ich auch

      wieder an die Nordsee zurück, und du sollst mit mir fahren. – Ja? Und er sieht ihm mit hellen Augen ins Gesicht.

      Richard lächelt. Gefährliches Klima an der Nordsee.

      Wieso?

      So rasch, so rasch! … Und er schüttelt den Kopf.

      Nein, mein Lieber, erwidert der andere, nicht eben rasch. Es ist eigentlich eine alte Geschichte.

      Richard lächelt noch immer. Wie? … eine alte Geschichte?

      Ja.

      Du kennst deine Braut von früher her? …

      Ja, seit diesem Winter.

      Und hast sie lieb? …

      Seit ich sie kenne, erwidert Hugo und blickt vor sich hin, als kämen ihm schöne Erinnerungen.

      Da steht Richard plötzlich auf, mit einer so heftigen Bewegung, daß Hugo zusammenfährt und zu ihm aufschaut. Und da sieht er, wie zwei große fremde Augen auf ihm ruhen, und sieht ein blasses, zuckendes Gesicht über sich, das er kaum zu kennen glaubt. Und wie er angstvoll sich erhebt, hört er, wie von einer fremden, fernen Stimme, kurze Worte zwischen den Zähnen hervorgepreßt: »Ich weiß es.« Und er fühlt sich an beiden Händen gepackt und zum Klavier hingezerrt, daß der Armleuchter auf der Säule zittert. Und dann läßt Richard seine Arme los und fährt mit beiden Händen unter die Briefe, die auf dem schwarzen Deckel liegen, und wühlt, und läßt sie hin und her fliegen … Schurke! schreit er, und wirft ihm die Blätter ins Gesicht.

       Die dreifache Warnung

       Inhaltsverzeichnis

      Im Duft des Morgens, umstrahlt von Himmelsbläue, wanderte ein Jüngling den winkenden Bergen zu und fühlte sein frohes Herz mit allen Pulsen der Welt in gleicher Welle schlagen. Unbedroht und frei trug ihn sein Weg viele Stunden lang über das offene Land, bis mit einem Male, an eines Waldes Eingang, rings um ihn, nah und fern zugleich, unbegreiflich, eine Stimme klang: »Geh nicht durch diesen Wald, Jüngling, es sei denn,

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