Liebestrommeln auf Haiti. Barbara Cartland
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André lachte. „Ich hatte die Absicht, mich als Engländer auszugeben, aufgrund der Tatsache, daß mein Blut zur Hälfte englisch ist.”
„Mein Blut ist zur Hälfte weiß”, antwortete Jacques, „trotzdem haben mich die Weißen nie als ihresgleichen betrachtet, außer wenn sie meine Dienste benötigten.”
„Gut. Ich gebe zu, daß ich Franzose bin. Mein Name ist André de Villaret.”
Der Mulatte zögerte. Dann sagte er: „Sind Sie mit den de Villarets verwandt, deren Plantage im Tal der Black Mountains lag?”
„Ja.”
„Sie sind alle tot.”
„Das weiß ich seit zwei Jahren. Kirk hat es mir gesagt.”
„Warum sind Sie dann hergekommen?”
André beschloß, ihm klaren Wein einzuschenken.
„Weil ich glaube, daß mein Onkel Geld und andere Wertsachen auf seinem Besitz vergraben hat. Da ich der einzige Erbe bin, gehört das Vermögen mir.”
„Sofern unser Herr und Gebieter Ihnen etwas davon übrig gelassen hat”, meinte Jacques skeptisch.
„Gibt es einen Weg, herauszufinden, ob er die Sachen entdeckt hat? Wenn dies noch nicht geschehen ist, möchte ich die Plantage meines Onkels aufsuchen.”
„Er möchte sie aufsuchen!” Jacques Dejean schlug die Hände über dem Kopf zusammen. „Als ob das so einfach wäre! Was Sie vorhaben, ist nicht ungefährlich.”
„Nun komm schon, Jacques”, mischte sich Kirk ein, „wenn einer André helfen kann, bist du es. Das weißt du so gut wie ich. Es muß doch in Erfahrung zu bringen sein, wen Dessalines geschröpft hat und wie hoch. Ich hörte, er soll in den Bergen ein wahres Beutelager eingerichtet haben.”
„Das stimmt”, gab Jacques zu. „Aber er kann weder lesen noch schreiben und führt daher auch keine Bücher. Ich glaube kaum, daß er irgendjemandem genügend traut, um ihn mit der Aufstellung seiner Schätze zu beauftragen.”
Durch ein Achselzucken gab André zu verstehen, was er von Erwägungen dieser Art hielt.
Schließlich sagte Jacques: „Es gibt einen Menschen, der uns Auskunft darüber geben könnte, wie weit die de Villarets in Dessalines Schatzkammer vertreten sind.”
„Wer soll das sein?” fragte Kirk.
„Orchis!”
„Orchis? Willst du damit sagen, daß sie hier ist?”
Jacques nickte.
„Sie hat sich in General Leclercs Villa häuslich eingerichtet und tut, als sei sie Napoleon Bonapartes Schwester persönlich, die dort wohnte, solange sie mit Ledere verheiratet war, und die seit seinem Tod als Ihre Kaiserliche Hoheit Pauline Borghese in Europa residiert.”
„Nicht zu fassen!” rief Kirk aus.
„Kann mir bitte jemand erklären, wer Orchis ist?” fragte André.
Kirk lachte. „Wenn du lange genug auf Haiti bist, wirst du es bald selbst wissen.”
„Wer ist sie?”
„Sie ist Dessalines Geliebte”, erklärte Kirk. „Er hat an die zwanzig. Aber sie versteht es am besten mit ihm. Jede von ihnen bezieht ein regelmäßiges, nicht unbeträchtliches Gehalt, oder wie du es nennen willst, aus der Staatskasse. Nur von Orchis heißt es, sie habe den ganzen Säckel mitgehen lassen.”
Jacques lachte lauthals.
„Das ist der richtige Ausdruck, alter Freund. Was sie seit einem Jahr treibt, geht entschieden zu weit. Am liebsten würde sie sich zur Königin von Haiti krönen lassen. Dabei vergißt sie, daß Dessalines schon eine Frau hat.” Immer noch lachend fuhr Jacques fort: „Zum Trost spielt sie auf vollendete Weise die Rolle Prinzessin Paulines. Sie empfängt ihre Anbeter zum Frühstück und am späten Abend. Um diese Zeit müßte Monsieur de Villaret ihr seine Aufwartung machen.”
„Ich dachte, das sei nicht möglich”, wandte Kirk ungläubig ein.
„Nicht als er selbst, natürlich”, verbesserte sich Jacques. „Als Weißer würde er nicht weit kommen. Es gibt zwar noch einige weiße Männer im Hafen, amerikanische Büchsenmacher und Munitionsarbeiter zum größten Teil. Aber nicht einmal sie sind bei Dessalines gern gesehen. Jeder Weiße ist schon wenige Meilen vor der Stadt ein toter Mann.”
„Was schlägst du also vor?” fragte Kirk.
Jacques betrachtete André kritisch von Kopf bis Fuß.
„Er könnte einen nicht unüblen Mulatten abgeben.”
„Einen Mulatten?” schrie André entsetzt auf.
„Warum nicht? Zum Glück haben Sie schwarze Haare. Wir werden Ihnen ein paar Locken verpassen, und mit den Augen gibt es auch keine Probleme. Wären sie blau oder grau gewesen, hätten wir Schwierigkeiten bekommen. Wenn Sie erst dieselbe Hautfarbe haben wie ich, dürfte alles klargehen.”
„Ich hatte eigentlich nicht an eine Maskerade gedacht”, wandte André betreten ein.
„Dann werden Sie sterben”, erklärte Jacques ohne Umschweife. „Und wenn Dessalines oder einer seiner Leute die Hände im Spiel hat, wird es kein sehr angenehmer Tod sein, der auf Sie wartet.”
Jacques Dejean hatte recht. Niemand auf Haiti durfte auch nur einen Augenblick lang glauben, er, André, sei Weißer oder gar Franzose.
„Ich werde jetzt nach Hause gehen und ein Bräunungsmittel holen, das aus der Rinde eines ganz bestimmten Baumes gewonnen wird. Es ist genau das Richtige, um Ihnen das Aussehen eines Mulatten zu geben. Und wenn ich Ihnen raten darf, Monsieur, tragen Sie Ihre auffallendsten und verrücktesten Kleider. Wir Mulatten haben's gern so bunt wie möglich.” Schon halb unter der Tür fragte er: „Verstehen Sie Kreolisch?”
„Ich bemühe mich seit einem Jahr darum. Allerdings nur mit Hilfe von Büchern. Aber hier auf dem Schiff gibt es einen Kreolen, bei dem ich Unterricht genommen habe.”
„Gut so”, sagte Jacques. „Kirk wird Ihnen bestätigen, daß wir Mulatten größtenteils gebildete Leute sind. Wenn Sie wollen, zeige ich Ihnen meine Zeugnisse, obwohl ich glaube, daß Ihnen mein Kopf dienlicher sein wird!”
Bei Einbruch der Dunkelheit wurden zwei Mulatten von Bord des amerikanischen Schoners gerudert.
André war von oben bis unten mit einer Flüssigkeit eingefärbt, deren Gestank ihm unangenehm in die Nase gestiegen war, als Jacques, den Schwamm in der Hand, sich angeschickt hatte, die Prozedur vorzunehmen.
„Wenn das Zeug erst auf der Haut ist, verliert sich der Geruch sofort”, hatte der Mulatte ihn beruhigt. „Aber mit der braunen Haut allein ist es nicht getan. Sie müssen lernen, wie ein Mulatte zu denken.”
Zum