Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman. Friederike von Buchner
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Jens beobachtete die beiden und dachte an Franzi.
»Wenn ihr noch lange so rumpoussiert, dann wird die Vesper entweder kalt, verkocht oder brennt an. Hingesetzt wird jetzt!«
»Alois Stimme klang streng. Nicht, daß er ein harter Mensch war, er versuchte damit die Rührung zu überdecken, die der Anblick der Liebenden ausgelöst hatte.
Toni führte Anna zu Jens.
»Jens, das ist meine Anna! Meine geliebte Anna! Meine bergnärrische Flachlandindianerin!«
Die beiden schüttelten sich die Hände. Toni nahm Alois kurz zur Seite, um ihm zu berichten, was am Berg und im »Paradiesgarten« geschehen war. Auch Alois war besorgt.
»Da scheint es, daß ein Kummer den anderen ablöst. Die Erinnerung muß einen Wettersturz in ihm ausgelöst haben. Hoffentlich zerstört er nichts. Nach einem Wettersturz kann es viele Opfer geben, bei Mensch, Tier und Natur. Er kann aber auch schnell wieder vorüberziehen. Dann klärt es schnell auf. Die Sonne steht am blauen wolkenlosen Himmel. Es schaut dann aus als wäre nichts geschehen. Gut, daß du mir alles gesagt hast, Toni. Wir lassen den Jens jetzt in Ruhe.«
Dann setzten sie sich zur Vesper nieder. Alois, als Ältester am Tisch, sprach das Tischgebet.
»Amen!« murmelten alle und bekreuzigten sich.
Normalerweise wurde während des Essens nicht gesprochen, doch heute war eine Ausnahme. Anna und Toni unterhielten sich.
»Ich bin gestern abend spät angekommen. Ich habe dann bei euch daheim übernachtet. Deine Eltern haben sich so gefreut, wie ich so unverhofft durch die Tür kommen bin. Die Meta hätte beinahe die Pfanne fallenlassen. Im letzten Augenblick hat dann dein Vater zugegriffen. Der war auch ganz aus dem Häuschen und hat in der Gaststube eine Runde ausgegeben. Ich soll dich auch schön grüßen von deinen Eltern, Toni.«
»Ich habe gedacht, daß du erst zum Schützenfest kommst, Anna. Jetzt bist doch schon früher da. Wie ist das gekommen?«
»Ich hatte in der Stadt zu tun. In unserer Bankfiliale mußte was geregelt werden. Da meine Chefs jetzt wissen, daß ich von den Bergen so begeistert bin, seit meinem letzten Urlaub, konnte ich es einrichten, daß ich fahren durfte. Da hab’ ich alle meine Überstunden zusammengerafft und mir noch ein paar Tage freigenommen. Ich wollte dich überraschen. Deshalb habe ich vorher nicht angerufen.«
»Des ist ganz famos! Die Überraschung ist dir gelungen! Was sagst du zu den Fortschritten hier auf der Berghütte?«
»Ja, ich hab’ mir schon alles angeschaut. Hatte ja den ganzen Tag Zeit. Ich war natürlich etwas enttäuscht, daß du nicht dagewesen bist. Ich konnte ja nicht wissen, daß du mit dem Jens eine Bergtour machst. Der Alois hat mir dann aber alles erzählt. Bello hat dich würdig vertreten. Der hat vielleicht einen Freudentaumel aufgeführt! Das hättest du sehen müssen. Gleich wollte er spielen und brachte mir sein Stöckchen in die Kammer. Er hat mich nicht aus den Augen gelassen. Er lag quer in der Tür, so daß ich sie nicht zumachen konnte.«
Bello trat neben Anna und legte seinen Kopf auf ihren Schoß.
»Der Bello hat dich sehr vermißt, Anna. Der war an manchen Tagen richtig traurig. Dann lag er vor deinem Bett in deiner Kammer. Wenn es ganz schlimm kam, dann lag er sogar auf dem Bett. Dann hat er einen ganzen Tag nichts gefressen.«
»So anhänglich bist du? Bist so ein großer Hund mit so einer feinen Seele!«
Liebevoll kraulte Anna Bello das Fell.
»Geübt habe ich auch schon mit ihm. Er hat nichts vergessen. Morgen werde ich mit ihm zur Oberländer Almhütte gehen. Mit dem Wägelchen kommt er gut klar. Aber wir machen die Strecke erst mal nur mit Packtaschen.«
Um Jens in das Gespräch einzubeziehen, erzählte sie ihm, daß sie Bello trainierte, damit er als abgerichteter Gebrauchshund für Transporte sie bei der Bewirtschaftung der Berghütte unterstützen konnte.
Sie waren fertig mit dem Abendessen und räumten zusammen den Tisch ab.
Dann setzten sie sich an den Kamin. Jens begann ein Gespräch:
»Du arbeitest bei einer Bank, Anna?«
»Ja, ich bin Abteilungsleiterin in einer Abteilung für Aktiengeschäft und Anlagen. Und du?«
Erst als Anna die Frage ausgesprochen hatte, wurde sie ihr bewußt.
»Entschuldige, Jens, das war taktlos von mir. Alois hat alles erzählt.«
Jens lächelte.
»Muß dir nicht peinlich sein. Mir ist inzwischen alles wieder eingefallen. Alles!« Bei diesen Worten schaute er ins Feuer. »Ja, alles! Jetzt muß ich sehen, wie ich mein Leben hier und mein Leben dort unter einen Hut bringe. Es wird nicht leicht werden. Auf dem Heimweg habe ich mir gewünscht, daß die Erinnerung nicht ganz zurückgekommen wäre. Ich würde mich gerne an alles erinnern, was keine Probleme macht. Auf alles andere könnte ich verzichten. Aber so ist dem nun mal nicht!«
Er seufzte.
»Ich denke, daß ich auch im Namen von Alois und Leo spreche. Wenn du Hilfe brauchst, dann helfen wir dir gern, Jens. Ist Jens richtig?«
»Ja, Jens ist mein richtiger Name. Jörg, das ist mein Zwillingsbruder.«
»Oh, Zwillinge sollen eine enge Herzensbindung haben. Sicherlich ist er ganz krank vor Sorge um dich.«
»Ich werde morgen hinunter ins Dorf gehen und anrufen. Die Telefonnummer ist mir auch wieder eingefallen, wie alles.«
»Jens, ich habe ein Handy! Willst du es?«
Ohne seine Antwort abzuwarten stand Anna auf und ging in ihre Kammer.
»Deine Anna ist eine ganz besondere Frau, Toni. Kaum zu glauben, daß sie Bankerin ist. Wenn man sie so in ihrem Dirndl sieht, denkt man, sie sei hier aufgewachsen.«
»Die Anna war ein richtiger Besen, als sie hier herkam. Ich habe dir die Geschichte ja schon erzählt. Sie wollte gleich wieder fort. Doch dann ist sie hängengeblieben, hier in den Bergen, auf der Berghütte, bei Bello und bei mir. Irgendwann, hoffentlich bald, wird sie ganz übersiedeln. Dann werden wir beide die Berghütte zusammen bewirtschaften. So ist das jedenfalls geplant. Im nächsten Jahr wollen wir den Betrieb regulär aufnehmen.«
Alois griff in seine Tasche.
Er reichte Toni einen Brief.
»Den hat die Anna mitgebracht. Er war ja noch an mich adressiert, weil ich hochoffiziell immer noch als Grundstückseigner im Buche stehe. Deshalb hab’ ich ihn aufgemacht. Wir sollten bald zum Notar gehen, um die Sache mit der Berghütte zu regeln, Toni. Ich bin zu alt für den Kram. Die Berghütte habe ich dir schon längst übergeben. Daß denen auf den Amtsstuben mit ihren verstaubten Aktenbergen ein Handschlag nicht genügt, da kann keiner was dran machen. Da müssen wir uns fügen, du und ich. Jetzt les! Ich sag’ dir gleich, des is nix Gutes.«
Toni entnahm die engbeschriebenen zwei Seiten und las sie.
»Was ist das für ein hirnverbrannter Schmarren? Da holt’s doch die Geier! Bauvorschriften! Bauvorschriften! Genehmigung! Seit