Der Landdoktor Staffel 2 – Arztroman. Christine von Bergen

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Der Landdoktor Staffel 2 – Arztroman - Christine von Bergen Der Landdoktor Staffel

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wird das Plateau durch das Heidekraut zu einem lilafarbenen dichten Teppich«, erzählte er ihr.

      Dabei stand er so dicht neben ihr, dass sie seinen Duft riechen konnte. Der Duft von Zedernholz und frischer Luft. Er passte zu ihm, dem Waldarbeiter.

      Die Sicht war einzigartig. Unter ihnen lag ein lang gezogenes Tal, ihnen gegenüber erhoben sich die majestätischen Schwarzwaldberge. Und über ihnen erstreckte sich der unendlich weite, wolkenlose Himmel, zum Greifen nah.

      »Nach dem Tod meines Sportkollegen bin ich häufig hier gewesen«, sagte Daniel in ihr Schweigen hinein. »Hier ist mir klar geworden, wie klein und nichtig wir Menschen doch angesichts dieses großartigen Werkes der Natur sind. Die Berge, die Wälder, sie überdauerten Jahrhunderte und wirken in die Ewigkeit fort. Diese Einsicht hat mir auch den Mut gegeben, Schluss zu machen mit dem Sport, etwas anderes zu beginnen. Mut ist ganz wichtig, um etwas Neues anzufangen. Angst ist bekanntlich ein schlechter Ratgeber.«

      Nicole sah ihn von der Seite an. Er blickte hinüber zu den ehrwürdigen Tannen.

      Obwohl er nur vier Jahre älter als sie war, verfügte er über eine Weisheit, um die sie ihn beneidete. In diesem Augenblick wusste sie, dass die Frau, mit der Daniel einmal gemeinsam durchs Leben ging, niemals in Situationen kommen würde, in denen sie nicht mehr weiter wissen würde. Tief berührt von dieser Erkenntnis sowie gleichermaßen traurig, dass sie diese Frau nicht sein konnte, sagte sie mit belegter Stimme: »Wo liegt denn der See, den du mir zeigen willst?«

      »Dort unten.«

      Ihr Blick folgte seinem Arm. Tatsächlich entdeckte sie unterhalb des Hochplateaus eine Mulde inmitten der dunklen Wälder, in der so blitzend wie ein Diamant in der Sonne ein kreisrunder Weiher lag, inmitten einer grünen Wiese.

      »Er ist ein Geheimtipp. Ihn kennen nur wenige Leute.«

      »Und woher weißt du von ihm?«

      »Von meiner Kusine Julia. Sie betreibt mit ihrem Mann Leon und ihrer Großmutter zusammen eine Pension oberhalb von Ruhweiler.« Daniel sah sie aufmunternd an. »Wollen wir?«

      Sie nickte.

      *

      Die Fahrt ging wieder bergab. Durch Wälder, in die die Sonnenstrahlen wie goldene Fäden fielen, durch kleine Dörfer, die nur aus wenigen Bauernhäusern bestanden, und dann bog Daniel von der Landstraße ab in einen schmalen Weg, der zu dem See führte. Er parkte vor der Hütte, deren Veranda aufs Wasser hinausragte.

      Nicole atmete tief ein. Die Luft roch nach Moos und Harz.

      Sie ließ die Stille um sich herum ein paar Augenblicke lang auf sich wirken. Eine Stille, als würde sich die Welt auf sich selbst besinnen. Dabei beobachtete sie die winzigen Ringe, die die Wasserflöhe in die Wasseroberfläche malten, hörte dem leisen Glucksen zu, spürte die Sonne auf ihrer Haut und sah dem Schwalbenpärchen zu, das am weiten Himmel seine Runden drehte. Am Ufer des Weihers dümpelte ein kleines Boot.

      Daniel öffnete die hintere Tür des Jeeps und nahm einen Weidenkorb heraus. Verwundert sah sie ihn an.

      »Es ist bereits eingedeckt«, sagte er mit verschmitztem Blick, während er vor ihr her zum See ging.

      Das Wasser schimmerte hier unten wie grüne Seide. Auf all den kleinen laufenden Wellen blitzte der Widerschein der Sonne mit tausend gaukelnden Lichtern. Welch eine Idylle!

      Daniel half ihr ins Boot. Verblüfft stellte sie fest, dass die Sitzbank mit einer rot-weiß karierten Decke bedeckt war. Unter ihr stand eine Flasche Wein. Mit großen Augen sah sie Daniel an.

      »Wer hat das denn gemacht?«

      »Julia«, lautete seine Antwort. »Sie war heute in der Früh mit ihrem Mann zum Angeln hier.«

      Er stellte den Korb auf den Boden des schwankenden Bootes. »Mal sehen, was wir hier so haben«, meinte er dann munter.

      Vorsichtig setzte sie sich im Schneidersitz auf eines der beiden Kissen, die zu beiden Seiten der zum Tisch umgewandelten Sitzbank lagen, und konnte nur noch staunen, als Daniel die Schwarzwälder Spezialitäten auspackte.

      »Jetzt sag bloß, dass du das alles gemacht hast.«

      »Das wäre allerdings gelogen. Meine Mutter hatte die Idee, nachdem ich ihr von unserem Ausflug erzählt habe.«

      Er hatte also seiner Mutter von ihr erzählt. Der Gedanke gefiel ihr.

      Sie beobachtete ihn, wie er mit sicherer Hand die Flasche Wein entkorkte und zwei Gläser füllte.

      »Danke«, sagte sie leise, während sie ihr Glas entgegennahm.

      Sie sahen sich zwei Atemlängen lang in die Augen, bevor sie tranken. Es war ein kostbarer Augenblick. Das spürte sie genau. Ein Augenblick, den sie tief in sich aufbewahren wollte, damit er ihr Herz in dunkleren Zeiten erhellte.

      *

      Nicole spürte sofort die Wirkung des Alkohols. Oder war es nur die Nähe zu dem Mann, der ihr dieses besondere Geschenk machte?

      Daniel gab ihr nun sein Glas und griff nach den Rudern. Mit kräftigen gleichmäßigen Bewegungen fuhr er auf die Mitte des Sees hinaus. Das Wasser war von kristallener Klarheit, sodass man jeden Steinblock und jeden versunkenen knorrigen Ast auf dem Grund erkennen konnte. Bald zog er die Ruder ein und ließ das Boot dümpeln.

      »Ich hoffe, du hast auch Hunger«, sagte er.

      »Ja, habe ich«, erwiderte sie.

      Seinen leuchtenden Blick empfand sie wie ein Dankeschön.

      Nun machten sich die beiden über den Speck, das knusprige Brot und den Käse her. Dabei plauderten sie ganz zwanglos daher. Daniel erzählte Nicole unter anderem auch von seiner Kusine, die vor Kurzem ihre große Liebe gefunden hatte. Es war seine ganz eigene Art, die Worte zu formen, sie mit Gesten zu begleiten, die Nicole auch heute wieder in ihren Bann zog.

      Nach dem Picknick lehnten sie sich zurück und streckten sie die Beine aus, sodass sich ihre Schuhe unter der Sitzbank in der Mitte berührten. Dabei schaukelte der kleine Kahn langsam hin und her. Wasseramseln haschten nach Insekten, und bunt schillernde Libellen flogen im Zickzackkurs über sie hinweg. Die Ruhe an diesem besonderen Ort, die überwältigende Unendlichkeit des Himmels, die Luft, die so berauschend klar war – Nicole wünschte sich, dies immer genießen zu können. Welch ein Tag! Er war für die Ewigkeit gemacht.

      Sie schloss die Augen, sog den Atem des Waldes ein und hörte den Vögeln zu. Eine tiefe Zufriedenheit, wie sie sie noch nie gespürt hatte, breitete sich in ihr aus. Umgeben von der Schönheit der Natur ahnte sie zum ersten Mal eine höhere Macht, die dies alles hier auf Erden lenkte.

      Ich brauche nur Mut für eine Veränderung, sinnierte sie. Und Vertrauen in diese Macht.

      »Schau mal«, sagte Daniel.

      Sie öffnete die Lider.

      Das Boot dümpelte jetzt am Ufer. Daniel griff nach einem Farnbüschel, um es in Position zu halten. Sein Finger wies ihrem Blick den Weg.

      Da sah sie, zwischen dem Farn herausragend, einen kleinen bräunlich verdorrten Stamm, der sich in drei Äste teilte. Am kleinsten dieser Äste hing ein hellgrünes Blatt. Sie beugte sich aus

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