Der Landdoktor Staffel 2 – Arztroman. Christine von Bergen

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Der Landdoktor Staffel 2 – Arztroman - Christine von Bergen Der Landdoktor Staffel

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nicht mehr deine Träume lebe, sondern endlich meine eigenen.«

      »Aber …, aber, Kind.« Ihre Mutter klang, als hätte sie ihr eigenes Todesurteil erhalten.

      Sofort bekam sie ein schlechtes Gewissen. »Bitte, Mama, lass uns ein anderes Mal darüber reden. Das Telefon ist der falsche Ort dafür. Mach du erst einmal deine Kreuzfahrt, danach sehen wir uns.«

      Ohne eine Reaktion abzuwarten, drückte sie die rote Taste und beendete das Gespräch damit. Normalerweise hätte Franziska Konzack umgehend noch einmal angerufen. Doch dieses Mal blieb das Telefon stumm.

      Erst nachdem Nicole an ihrem kleinen Haus angekommen war, klingelte es wieder. Doch dieses Mal blies der Anruf alle wieder aufgezogenen dunklen Wolken an ihrem Seelenhimmel weg.

      »Ich habe eine Überraschung für dich«, teilte Daniel ihr mit. »Hast du heute am Nachmittag schon etwas vor?«

      Glücklich lächelte sie vor sich hin und drückte das Handy ganz fest ans Ohr, als könnte sie so dem geliebten Mann noch ein Stückchen näherkommen.

      »Nein«, sagte sie.

      Außer an dich denken, fügte sie stumm hinzu.

      »Ich habe mit Mutter besprochen, dass ich heute früher gehe und sie mich im Geschäft vertritt. Wenn es dir recht ist, bin ich gegen vier Uhr bei dir und hole dich ab.«

      »Das ist mir sehr recht.«

      »Übrigens, ganz liebe Grüße von Mutter. Sie würde uns gern in den nächsten Tagen zu Kaffee und Kuchen einladen. Wäre das für dich in Ordnung?«

      Sie lachte. »Und wie das in Ordnung wäre. Deine Mutter war mir auf den ersten Blick sympathisch.«

      »Das passt. Du ihr nämlich auch.«

      *

      »Vertrau mir«, sagte Daniel mit seiner dunklen Stimme.

      Sie standen am Straßenrand außerhalb von Ruhweiler. Vor ihnen erstreckten sich Wälder und Felder. Er hielt ein Tuch in den Händen. »Ich möchte, dass die Überraschung perfekt ist.«

      Nicole lächelte ihn an.

      Ja, sie vertraute ihm. Blind hätte sie sich in seine Hände begeben.

      »Okay«, sagte sie. »Ich habe zwar keine Ahnung, was du vorhast, aber ich bin gespannt.«

      Zärtlich umfasste er ihr Gesicht und küsste sie zart auf die Lippen.

      »Niemals würde ich dir etwas antun, was du nicht willst«, versprach er ihr. »Du kannst auch gleich noch immer Nein sagen.«

      Seine Worte steigerten nur noch ihre Neugier und ihre Aufregung. Voller Hingabe und Vertrauen ließ sie sich mit dem Tuch die Augen verbinden. Dann ging die Fahrt weiter.

      »Wie fahren jetzt noch ein Stück über die Straße«, informierte Daniel sie. »Dann geht’s in einen holprigen Weg.«

      »Aber ermorden willst du mich nicht, oder?«, flachste sie.

      Er lachte. »Im Gegenteil. Ich will dir zeigen, was Leben ist.«

      Sein Jeep rumpelte über einen Weg. Dann blieb er stehen. Nicole horchte. Alles war still. Nur der Sommerwind wehte. Sie mussten sich auf freiem Feld befinden. Die Halme knisterten leise wie Pergament.

      »Wir sind da«, verkündete Daniel. Sie merkte, wie er sich zu ihr hinüberbeugte. Dann nahm er ihr das Tuch von den Augen.

      Sie blinzelte. Das grelle Sonnenlicht traf sie wie ein Scheinwerfer. Sie sah sich um. Zu ihrer Rechten standen hohe Tannen, zur Linken … Ihre Augen weiteten sich.

      »Ein Ballon!«, rief sie überrascht aus. »Ist der für uns?«

      Daniel nickte. »Möchtest du oder hast du Angst vor der Höhe?«

      »Nein, überhaupt nicht. Das war schon immer einer meiner Träume.«

      Er lachte sie an. So glücklich wie ein kleiner Junge, dem eine Überraschung gelungen war.

      »Komm.« Er sprang aus dem Wagen, lief um ihn herum und nahm ihre Hand. »Ich stell dir den Ballonführer vor. Er ist ein erfahrener Mann. Du brauchst dir also keine Sorgen zu machen.«

      Nein, die machte sie sich auch nicht. Mit Daniel an ihrer Seite hätte sie sich sogar in die Hölle getraut.

      Seine Hand hielt ihre fest, als er ihr den älteren, ruhig wirkenden Mann vorstellte, und seine starken Arme halfen ihr dann schließlich in den Korb. Als sie dort stand, erinnerte sie sich an ihre Kindheit. Im Garten ihrer Großeltern war sie immer so gern auf Obstbäume geklettert und hatte aus luftiger Höhe ihre Träume auf Reisen geschickt.

      »Es könnte gleich ein bisschen ruckeln«, sagte der Ballonführer.

      Daraufhin zündete er den Propangasbrenner an, der sich mittig unter der Öffnung der roten Stoffhülle befand. Anschließend warf er mehrere Säcke mit Ballast ab, und das Luftschiff stieg langsam in die Höhe.

      Nicole schloss die Augen, hielt ihr Gesicht in den warmen Sommerwind und Daniels Hand ganz fest in ihrer. Als sie sie wieder öffnete, war die Welt unter ihnen schon ein Stück kleiner geworden. Die Kühe auf den Wiesen wirkten wie Spielzeug­figuren, die Straßen wie silbrige Bänder, die sich durch tiefes Grün und Weizengelb zogen. Jetzt überflogen sie den Doktorhügel, wie die Ruhweiler die Anhöhe nannten, auf der Dr. Brunner lebte und praktizierte. Sie stiegen immer weiter hoch. Nicole umschlang Daniel mit beiden Armen und schmiegte sich an ihn. Ihr Haar wehte wie eine Fahne im Wind.

      »Wunderschön!«, rief sie gegen die Fahrgeräusche an.

      »Schau mal dort hinten. Da siehst du die Alpen.«

      »Das ist atemberaubend.« Tränen standen ihr in den Augen, die nicht vom Wind kamen. Ihr Herz wollte überlaufen vor Liebe und Dankbarkeit.

      Wie klein und unbedeutend einem das eigene Leben vorkam, wenn man die Welt in ihrer ganzen Größe und Erhabenheit betrachtete. Während die Menschen kamen und gingen, würde all dies erhalten bleiben. Was bedeutete dagegen ein Anruf von Heiko Wieland? Ein neues Bühnenengagement? Nichts. Nur die Liebe zählte, ein Mensch an ihrer Seite, der ihr Gutes tun wollte, der ihr diese sie zutiefst ergreifende Erfahrung zum Geschenk machte. Und während der Ballon sie schwerelos über die Welt hinwegtrug, reifte in Nicole der Entschluss, ihrem alten Leben Ade zu sagen. Sie wollte Daniels Einladung in ein neues annehmen.

      Nachdem die Erde sie wiederhatte, umarmte sie Daniel.

      »Danke«, flüsterte sie an seiner Wange.

      Er zog sie ganz fest an sich, legte sein Kinn auf ihren Scheitel und streichelte ihr Haar. Sie waren sich so nah, wie es nur zwei Menschen sein können, die wissen, dass sie für immer zueinandergehören.

      »Du hast mich gestern Abend in dein Leben eingeladen«, fuhr sie fort. »Ich möchte die Einladung annehmen.«

      Da nahm er ihr Gesicht in beide Hände. Sein durchdringender Blick traf bis tief in ihre Seele.

      »Bist du sicher?«

      »Ja.«

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