Die schönsten Märchen von Hans Christian Andersen (Illustrierte Ausgabe). Hans Christian Andersen

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Die schönsten Märchen von Hans Christian Andersen (Illustrierte Ausgabe) - Hans Christian Andersen

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sieht, wie einer nach dem andern verschwindet. Und der Prinz klatschte in die Hände: aber der Ostwind bat ihn, das zu unterlassen und sich lieber festzuhalten; sonst konnte er leicht hinunterfallen und an einer Kirchthurmspitze hängen bleiben.

      Der Adler in den dunklen Wäldern flog zwar leicht, doch der Ostwind flog noch leichter. Der Kosak jagte auf seinem kleinen Pferde schnell über die Ebene dahin, doch der Prinz jagte noch schneller.

      »Jetzt kannst du den Himalaya sehen!« sagte der Ostwind. »Das ist der höchste Berg in Asien; nun werden wir bald nach dem Garten des Paradieses gelangen!« Dann wendeten sie sich mehr südlich, und bald duftete es dort von Gewürzen und Blumen; Feigen und Granatäpfel wuchsen wild, und die wilde Weinranke hatte blaue und rothe Trauben. Hier ließen sich Beide nieder und streckten sich in das weiche Gras, wo die Blumen dem Winde zunickten, als wollten sie sagen: »Willkommen!«

      »Sind wir nun im Garten des Paradieses?« fragte der Prinz.

      »Nein, bewahre!« erwiderte der Ostwind. »Aber wir werden bald dorthin kommen. Siehst du die Felsenmauer dort und die weite Höhle, wo die Weinranken gleich einer großen, grünen Gardine hängen? Da hindurch werden wir hineingelangen! Wickele Dich in Deinen Mantel; hier brennt die Sonne, aber einen Schritt weiter, und es ist eisig kalt. Der Vogel, welcher an der Höhle vorbeistreift, hat den einen Flügel draußen in dem warmen Sommer, und den andern drinnen in dem kalten Winter!«

      »So! Das ist also der Weg zum Garten des Paradieses?« fragte der Prinz.

      Nun gingen sie in die Höhle hinein. Hu, wie war es dort eisig kalt! Aber es währte doch nicht lange. Der Ostwind breitete seine Flügel aus, und sie leuchteten gleich dem hellsten Feuer. Nein, welch eine Höhle! Die großen Steinblöcke, von denen das Wasser träufelte, hingen über ihnen in den wunderbarsten Gestalten; bald war es da so enge, daß sie auf Händen und Füßen kriechen mußten, bald so hoch und ausgedehnt, wie in der freien Luft. Es sah aus wie Grabeskapellen mit stummen Orgelpfeifen und versteinerten Orgeln.

      »Wir gehen wohl den Weg des Todes zum Garten des Paradieses?« fragte der Prinz. Aber der Ostwind antwortete keine Silbe, zeigte nur vorwärts, und das schönste, blaue Licht strahlte ihnen entgegen. Die Steinblöcke über ihnen wurden mehr und mehr ein Nebel, der zuletzt wie eine weiße Wolke im Mondscheine aussah. Nun waren sie in der herrlichen, milden Luft; so frisch, wie auf den Bergen, so duftend, wie bei den Rosen des Thales. Da strömte ein Fluß, so klar, wie die Luft selbst; und die Fische waren wie Silber und Gold; purpurrote Aale, die bei jeder Bewegung blaue Feuerfunken sprühten, spielten unten im Wasser; und die breiten Nixenblumenblätter hatten des Regenbogens Farben; die Blume selbst war eine rothgelb brennende Flamme, der das Wasser Nahrung gab, gleichwie das Oel die Lampe beständig im Brennen erhalt; eine feste Brücke von Marmor, aber so künstlich und sein ausgeschnitten, als wäre sie von Spitzen und Glasperlen gemacht, führte über das Wasser zur Insel der Glückseligkeit, wo der Garten des Paradieses blühte.

      Der Ostwind nahm den Prinzen auf seine Arme und trug ihn hinüber. Da sangen die Blumen und Blätter die schönsten Lieder aus seiner Kindheit, aber so lieblich schwellend, wie keine menschliche Stimme hier singen kann.

      Waren es Palmbäume oder riesengroße Wasserpflanzen, die hier wuchsen? So saftige und große Bäume hatte der Prinz früher nie gesehen; in langen Guirlanden hingen da die wunderbarsten Schlingpflanzen, wie man sie nur mit Farben und Gold auf dem Rande alter Heiligenbücher, oder durch die Anfangsbuchstaben geschlungen, abgebildet findet. Das waren die seltsamsten Zusammensetzungen von Vögeln, Blumen und Ranken. Dicht daneben im Grase stand ein Schwarm Pfauen mit entfalteten, strahlenden Schweifen. Ja das war wirklich so! Als aber der Prinz daran rührte, merkte er, daß es keine Thiere, sondern Pflanzen waren; es waren die großen Kletten, die hier wie des Pfaues herrlicher Schweif strahlten. Der Löwe und der Tiger sprangen wie geschmeidige Katzen zwischen den grünen Hecken hin, die wie die Blumen des Olivenbaumes dufteten; und der Löwe und der Tiger waren zahm. Die wilde Waldtaube glänzte wie die schönste Perle und schlug mit ihren Flügeln den Löwen an die Mähne; und die Antilope, die sonst so scheu ist, stand daneben und nickte mit dem Kopfe, als ob sie auch mitspielen wollte.

      Nun kam die Fee des Paradieses; ihre Kleider strahlten wie die Sonne, und ihr Antlitz war heiter wie das einer frohen Mutter, wenn sie recht glücklich über ihr Kind ist. Sie war jung und schön, und die hübschesten Mädchen, jede mit einem leuchtenden Sterne im Haare, folgten ihr. Der Ostwind gab ihr das beschriebene Blatt vom Vogel Phönix und ihre Augen funkelten vor Freude. Sie nahm den Prinzen bei der Hand und führte ihn in ihr Schloß hinein, wo die Wände Farben hatten wie das prächtigste Tulpenblatt, wenn es gegen die Sonne gehalten wird. Die Decke selbst war eine große, strahlende Blume, und je mehr man zu derselben hinaufsah, desto tiefer erschien ihr Kelch. Der Prinz trat an das Fenster und blickte durch eine der Scheiben: da sah er den Baum der Erkenntniß mit der Schlange, und Adam und Eva standen dicht dabei. »Sind die nicht verjagt?« fragte er. Und die Fee lächelte und erklärte ihm, daß die Zeit auf jeder Scheibe ihr Bild eingebrannt habe; aber nicht, wie man es zu sehen gewohnt: nein, es war Leben darin; die Blätter der Bäume bewegten sich; die Menschen kamen und gingen, wie in einem Spiegelbilde. Und er sah durch eine andere Scheibe, da war Jakob's Traum, wo die Leiter bis in den Himmel reichte; und die Engel mit großen Schwingen schwebten auf und nieder. Ja, Alles, was in dieser Welt geschehen war, lebte und bewegte sich in den Glasscheiben; so künstliche Gemälde konnte nur die Zeit einbrennen.

      Die Fee lächelte und führte ihn in einen großen, hohen Saal, dessen Wände transparent erschienen. Hier waren Portraits, das eine Gesicht schöner, als das andere. Man sah Millionen Glückliche, die lächelten und sangen, so daß es in eine Melodie zusammenfloß: die Obersten waren so klein, daß sie kleiner erschienen, wie die kleinste Rosenknospe, wenn sie wie ein Punkt auf das Papier gezeichnet wird. Mitten im Saale stand ein großer Baum mit hängenden, üppigen Zweigen; goldene Aepfel hingen wie Apfelsinen zwischen den grünen Blättern. Das war der Baum der Erkenntniß, von dessen Frucht Adam und Ella gegessen hatten. Von jedem Blatte tröpfelte ein glänzender, rother Thautropfen: es war, als ob der Baum blutige Thränen weinte.

      »Laß uns nun in das Boot steigen!« sagte die Fee, »da wollen wir Erfrischungen auf dem schwellenden Wasser genießen! Das Boot schaukelt und kommt nicht von der Stelle, aber alle Länder der Welt gleiten an unsern Augen vorüber.« Und es war wunderbar anzusehen wie sich die ganze Küste bewegte. Da kamen die hohen, schneebedeckten Alpen mit Wolken und schwarzen Tannen; das Horn erklang tief wehmüthig, und der Hirt jodelte lustig im Thale. Dann bogen die Bananenbäume ihre langen, hängenden Zweige über das Boot nieder; schwarze Schwäne schwammen auf dem Wasser, und die seltsamsten Thiere und Blumen zeigten sich am Ufer; das war Neu-Holland, der fünfte Welttheil, der, mit einer Aussicht auf die blauen Berge, vorbeiglitt. Man hörte den Gesang der Priester und sah den Tanz der Wilden zum Schalle der Trommeln und der knöchernen Trompeten. Aegyptens Pyramiden, die bis in die Wolken ragten, umgestürzte Säulen und Sphinxe, halb im Sande begraben, segelten ebenfalls vorbei. Die Nordlichter leuchteten über ausgebrannten Vulkanen des Nordens: das war ein Feuerwerk, was Niemand nachmachen konnte. Der Prinz war sehr glücklich; ja, er sah noch hundert Mal mehr, als was wir hier erzählen.

      »Und ich kann immer hier bleiben?« fragte er.

      »Das kommt auf Dich selbst an!« erwiderte die Fee. »Wenn Du nicht, wie Adam, dich gelüsten lassest, das Verbotene zu thun, so kannst Du immer hier bleiben.«

      »Ich werde die Aepfel auf dem Erkenntnißbaume nicht anrühren!« sagte der Prinz. »Hier sind ja Tausende von Früchten, eben so schön, wie die!«

      »Prüfe Dich selbst, und bist Du nicht stark genug, so gehe mit dem Ostwinde, der Dich herbrachte. Er fliegt nun zurück und läßt sich in hundert Jahren hier nicht wieder blicken; die Zeit wird an diesem Orte für Dich vergehen, als wären es hundert Stunden, aber es ist eine lange Zeit für die Versuchung. Jeden Abend, wenn ich von Dir gehe, muß ich Dir zurufen: Komm mit! Ich muß Dir mit der Hand winken – aber bleibe zurück! Gehe

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