Die wichtigsten Werke von Oscar Wilde. Оскар Уайльд

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Die wichtigsten Werke von Oscar Wilde - Оскар Уайльд

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verschonen wird. Ich glaube jedes Wort, das ich gesprochen habe. Ich habe die größte Verachtung für den Optimismus. Was das zerstörte Leben betrifft, so ist kein Leben zerstört, dessen Wachstum nicht gehemmt wird. Wenn man eine Persönlichkeit verderben will, braucht man sie nur zu verbessern. Die Ehe allerdings ist eine Narretei, aber es gibt andere und interessantere Bande zwischen Mann und Frau. Natürlich würde ich dazu eher raten. Sie haben den Reiz, fashionabel zu sein. Aber da ist Dorian selbst. Er wird dir mehr sagen, als ich es kann.«

      »Lieber Harry, lieber Basil, ihr müßt mir beide Glück wünschen«, sagte der Jüngling, während er den Abendmantel mit den atlasgefütterten Flügeln abwarf und den Freunden die Hand schüttelte. »Ich war niemals so selig. Natürlich ist alles plötzlich gekommen; alles Entzückende kommt plötzlich. Und doch scheint es das einzige gewesen zu sein, wonach ich mein Leben lang auf der Suche war.« Er glühte vor Aufregung und Freude und sah außerordentlich hübsch aus.

      »Ich hoffe, du wirst immer sehr glücklich sein, Dorian,« sagte Hallward, »aber ich kann es dir nicht ganz verzeihen, daß du mir deine Verlobung nicht mitgeteilt hast. Harry hast du es mitgeteilt.«

      »Und ich kann es dir nicht verzeihen, daß du zu spät kommst«, fiel Lord Henry lächelnd ein und legte seine Hand auf die Schulter des jungen Mannes. »Komm, wir wollen uns setzen und versuchen, was der neue Chef hier kann, und dann erzählst du uns, wie alles gekommen ist.«

      »Da ist wirklich nicht viel zu erzählen!« rief Dorian, als sie sich um den kleinen Tisch gesetzt hatten. »Was geschah, war einfach so. Als ich dich gestern abend verließ, Harry, zog ich mich an, aß in dem kleinen italienischen Restaurant in Rupert Street, das ich durch dich kennengelernt habe, und ging um acht Uhr ins Theater. Sibyl spielte die Rosalinde. Natürlich war die Dekoration greulich und der Orlando zum Lachen. Aber Sibyl! Ihr hättet sie sehen sollen. Als sie in ihren Knabenkleidern auftrat, war sie einfach wunderbar. Sie trug ein moosgrünes Samtwams mit zimtbraunen Ärmeln, eine kurze, braune, überm Knie kreuzweise geschnürte Hose, ein reizendes grünes Barett mit einer Falkenfeder, die von einem funkelnden Stein gehalten wurde, und war in einen dunkelrot gefütterten Kapuzenmantel gehüllt. Sie war mir nie schöner vorgekommen. Sie hatte all die zarte Grazie der Tanagrafigur, die du in deinem Atelier hast, Basil. Das Haar schlang sich um ihr Gesicht wie dunkles Laub um eine blasse Rose. Und ihr Spiel – nun, ihr werdet sie heute abend sehen. Sie ist eben eine geborene Künstlerin. Ich saß ganz verzaubert in der schmierigen Loge. Ich vergaß, daß ich in London war und im neunzehnten Jahrhundert lebte. Ich war mit meiner Geliebten weit fort in einem Wald, den noch kein Menschenauge gesehen hatte. Nach der Vorstellung ging ich hinter die Bühne und sprach mit ihr. Als wir nebeneinander saßen, trat plötzlich ein Ausdruck in ihre Augen, den ich nie vorher gesehen hatte. Meine Lippen fühlten sich zu ihr hingezogen. Wir küßten uns beide. Ich kann euch nicht beschreiben, was ich in dem Augenblick gefühlt habe. Mir schien, daß all mein Leben in einen vollkommenen Moment rosenfarbiger Wonne zusammengepreßt wäre. Sie zitterte am ganzen Leibe und bebte wie eine weiße Narzisse. Dann warf sie sich auf die Knie und küßte meine Hände. Ich weiß, ich sollte euch das alles nicht erzählen, aber ich kann mir nicht helfen. Natürlich ist unsere Verlobung tiefstes Geheimnis. Sie hat nicht einmal zu ihrer Mutter davon gesprochen. Ich weiß nicht, was meine Vormünder dazu sagen werden. Lord Radley wird sicher wütend sein. Ist mir ganz gleich. In weniger als einem Jahre bin ich volljährig und kann dann machen, was ich will. Hatte ich nicht recht, Basil, meine Geliebte aus dem Reich der Dichtung wegzuholen und meine Frau in Shakespeares Stücken zu finden? Lippen, die Shakespeare reden gelehrt hat, haben mir ihr Geheimnis ins Ohr geflüstert. Rosalindens Arme lagen um meinen Hals, und ich habe Julia auf den Mund geküßt.«

      »Ja, Dorian, ich glaube, du tatest recht«, sagte Hallward langsam.

      »Hast du sie heute schon gesehen?« fragte Lord Henry.

      Dorian Gray schüttelte den Kopf. »Ich verließ sie im Ardennenwald und werde sie in einem Garten von Verona wiederfinden.«

      Lord Henry schlürfte nachdenklich seinen Champagner. »In welchem Augenblick hast du von Heirat gesprochen, Dorian? Und was erwiderte sie darauf? Vielleicht hast du das schon ganz vergessen.«

      »Lieber Harry, ich habe es nicht als Geschäft behandelt und habe ihr keinen förmlichen Antrag gemacht. Ich sagte ihr, daß ich sie liebe, und sie sagte, sie verdiene nicht, mein Weib zu sein. Nicht verdienen! Was ist denn die ganze Welt für mich, wenn ich sie mit ihr vergleiche!«

      »Die Frauen sind wunderbar praktisch,« murmelte Lord Henry – »viel praktischer als wir. In Situationen dieser Art vergessen wir oft, etwas von Heirat zu erwähnen, und sie erinnern uns immer daran.«

      Hallward legte die Hand auf seinen Arm. »Nicht doch, Harry. Du kränkst Dorian. Er ist nicht wie andere Männer. Er würde nie jemand unglücklich machen. Seine Natur ist dafür zu edel.«

      Lord Henry blickte über den Tisch. »Dorian fühlt sich nie gekränkt durch mich«, antwortete er. »Ich habe aus dem besten Grund gefragt, den es geben kann, aus dem einzigen Grund, der eine Entschuldigung für eine Frage ist – einfach aus Neugier. Ich habe eine Theorie, wonach es immer Frauen sind, die uns einen Antrag machen, und nicht wir den Frauen. Natürlich ausgenommen die Mittelklassen. Aber die Mittelklassen sind eben nicht modern.«

      Dorian Gray lachte und schüttelte den Kopf. »Du bist ganz unverbesserlich, Harry; aber ich bin nicht böse. Man kann dir ja gar nicht böse sein. Wenn du Sibyl Vane siehst, wirst du fühlen, daß der Mann, der ihr ein Leid antun kann, ein Tier sein muß, ein herzloses Tier. Ich kann nicht begreifen, wie man es über sich gewinnen kann, ein Wesen, das man liebt, in Schande zu bringen. Ich liebe Sibyl Vane. Ich möchte sie auf einen goldenen Sockel stellen und dann sehen, wie die ganze Welt das Weib anbetet, das mir gehört. Was ist Ehe? Ein unwiderrufliches Gelübde. Du spottest deshalb darüber. Ach, spotte nicht! Ein unwiderrufliches Gelübde will ich ablegen. Ihr Vertrauen macht mich treu, ihr Glaube macht mich gut. Wenn ich bei ihr bin, verleugne ich alles, was du mich gelehrt hast. Ich werde ein ganz anderer Mensch als der, den du in mir siehst. Ich bin verwandelt, und die bloße Berührung von Sibyl Vanes Hand läßt mich alle deine falschen, bezaubernden, vergifteten, entzückenden Theorien vergessen.«

      »Und die wären?« fragte Lord Henry, während er Salat nahm.

      »Oh, deine Theorien über das Leben, deine Theorien über die Liebe, deine Theorien über den Genuß. Tatsächlich alle deine Theorien, Harry.«

      »Genuß ist das einzige auf der Welt, das eine Theorie verdient«, antwortete er mit seiner sanften, musikalischen Stimme. »Aber ich fürchte, es ist nicht meine eigene Theorie. Sie gehört der Natur, nicht mir. Genuß ist das Siegel der Natur, das Zeichen ihrer Zustimmung. Wenn wir glücklich sind, dann sind wir immer gut, aber wenn wir gut sind, sind wir nicht immer glücklich.«

      »Ah, doch, was verstehst du unter gut?« rief Basil Hallward.

      »Ja,« wiederholte Dorian, indem er sich in seinem Stuhl zurücklehnte und über den massigen Strauß rotblütiger Schwertlilien in der Mitte des Tisches zu Lord Henry blickte, »was verstehst du unter gut, Harry?«

      »Gut sein, heißt mit sich selbst im Einklang sein«, antwortete er, den dünnen Stengel seines Glases mit blassen, feingespitzten Fingern umfassend. »Mißklang heißt es, mit anderen übereinstimmen müssen. Das eigene Leben – das ist es, worauf es ankommt. Was das Leben unserer Nachbarn betrifft, nun, wenn man durchaus ein Affe oder ein Puritaner sein will, dann mag man ihnen ja seine moralischen Ansichten ins Gesicht schleudern, aber sie gehen einen schließlich gar nichts an. Abgesehen davon, hat der Individualismus in der Tat die höheren Ziele. Die moderne Sittlichkeit besteht darin, daß man den Maßstab seiner Zeit anerkennt. Ich habe die Meinung, daß jeder kultivierte Mensch, der den Maßstab seiner Zeit anerkennt, damit eines der gröbsten Sittlichkeitsverbrechen begeht.«

      »Wenn

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