Dr. Norden Staffel 2 – Arztroman. Patricia Vandenberg

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Dr. Norden Staffel 2 – Arztroman - Patricia Vandenberg Dr. Norden

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sagen, dass meine Mutter gestorben ist, kann ich nicht brauchen. Mal abgesehen davon, dass ich eh schon lange gehen wollte. Ich hab nur noch auf einen passenden Moment gewartet. Mach’s gut!« Damit verließ sie endgültig die schäbige kleine Wohnung und marschierte hinunter zu dem alten Wagen, den ihre Großmutter ihr neben etwas Bargeld hinterlassen hatte.

      »Tu mir einen Gefallen und mach jetzt nicht schlapp, altes Mädchen«, bat sie ihr Auto.

      Diese Bitte war nicht ganz unbegründet. Der Wagen war in die Jahre gekommen und bedurfte dringender Reparaturen. Thorsten hatte ihn immer nur notdürftig repariert, damit er sich wieder vom Fleck bewegte. Doch für die dringend benötigten Ersatzteile fehlte das Geld.

      »Komm schon, Olle!«, sprach Olivia mit dem Auto wie mit einem lebendigen Wesen. Sie hatte das Gepäck im Kofferraum verstaut und saß hinter dem Steuer. Zum Glück hatte ihre geliebte Oma noch darauf bestanden, dass ihre einzige Enkelin den Führerschein machte. Ein Wunsch, der sich spätestens jetzt bezahlt machte. »Los, spring an!«, forderte Olivia den betagten Wagen nach einigen erfolglosen Versuchen noch einmal auf und drehte entschlossen den Zündschlüssel herum. Und tatsächlich: Diesmal heulte der alte Motor auf, und ächzend und knirschend setzte sich das Gefährt in dem Moment in Bewegung, als Thorsten – er beobachtete das Geschehen vom Balkon aus – einen spöttischen Kommentar hinunterrufen wollte. So blieb ihm nichts anderes übrig, als seiner Freundin nachzusehen, die in dem ruckenden, zuckenden Wagen für immer davonfuhr.

      *

      »Oje, der Chef ganz in Schwarz!«, stellte Wendy betroffen fest, als sie an diesem Montagmorgen aus dem Fenster der Praxis hinaus auf die Straße blickte.

      »Ist ein Patient gestorben?«, wunderte sich ihre Kollegin Janine Merck. »Ich hab gar nichts mitbekommen.«

      »Hoffentlich kein überraschender Trauerfall in der Familie«, tat Wendy ihre Hoffnung kund. Obwohl sie ein gutes Verhältnis zur Familie Norden pflegte, konnte man ja nie wissen.

      Wie jeden Morgen waren die beiden Assistentinnen von Dr. Daniel Norden senior und Danny Norden junior schon zeitig in der Praxis, um die Vorbereitungen für den Tag zu treffen. Dazu gehörte auch, Kaffee zu kochen. Der aromatische Duft zog durch die Räume, als Daniel Norden hereinkam.

      »Guten Morgen, die Damen!«, begrüßte er seine Mitarbeiterinnen gut gelaunt, und insgeheim atmete Wendy auf. Er war ganz offensichtlich guter Dinge, sodass sie ihn ohne Scheu auf die für die warme Jahreszeit ungewöhnliche Kleiderwahl ansprach.

      »Es ist tatsächlich eine Patientin gestorben. Allerdings war sie schon lange nicht mehr hier. Christine Javier war schon seit einiger Zeit schwer krank und in einem Pflegeheim untergebracht.« Nun huschte doch ein Schatten über sein Gesicht. »Tragischer Fall. Sie war erst knapp fünfzig.«

      »Christine Javier?« An diesen Namen erinnerte sich Wendy genau. »Ist das nicht diese bekannte französische Schriftstellerin?« Vor Jahren hatte sie ihre Bücher verschlungen.

      »Sie war Deutsche und lebte seit vielen Jahren in München«, klärte Daniel Norden seine Mitarbeiterin über ihren Irrtum auf. Inzwischen hatte er das viel zu warme Sacko an den Haken gehängt und nahm dankend den Kaffee, den seine Assistentin Janine ihm reichte. Sie selbst begnügte sich mit einer Tasse Tee, was Daniel mit Sorge registrierte. »Haben Sie immer noch diese Magenprobleme?«, erkundigte er sich mit gerunzelter Stirn.

      Seit Wochen ging das schon so. Zunächst hatte Dr. Norden an eine Schwangerschaft gedacht, was sich glücklicherweise nicht bestätigt hatte. Janines Lebensumstände waren im Augenblick zu kompliziert, als dass sie sich aufrichtig über Nachwuchs gefreut hätte. Seit Monaten führte die ehemalige Krankenschwester eine Fernbeziehung mit ihrem Verlobten. Bei einem tragischen Autounfall in Deutschland war Lorenz Herweg jedoch schwer verletzt worden und erholte sich inzwischen auf der Insel der Hoffnung. Sooft es ging, besuchte seine mädchenhaft schmale Verlobte ihn, was ihrer ohnehin angeschlagenen Gesundheit nicht zuträglich war. Janine selbst schob die Übelkeit auf den ständigen privaten Stress. Doch langsam konnte und wollte Daniel diesem Argument keinen Glauben mehr schenken.

      »Keine faulen Ausreden!«, warnte er sie, als sie schon wieder eine der üblichen Beschwichtigungen auf den Lippen hatte.

      Betreten senkte Janine den Kopf.

      »Na ja, viel besser ist es ehrlich gesagt nicht geworden.«

      Am Tresen stehend nippte Daniel an seinem Kaffee. Eine unwillige Falte stand auf seiner Stirn, als er seine Assistentin besorgt musterte.

      »Das dauert jetzt aber schon ganz schön lange«, erklärte er kritisch. »Für meinen Geschmack viel zu lange. Was halten Sie davon, wenn wir uns die Sache bei allernächster Gelegenheit mal genauer ansehen?«

      Janine kaute auf der Unterlippe und dachte nach.

      »Aber nur, wenn Sie mir versprechen, dass Lorenz von dem Ergebnis nichts erfährt«, bat sie leise und sichtlich ängstlich.

      »Das ist ganz allein Ihre Entscheidung«, lächelte Dr. Norden beruhigend, ehe er sich zu seinem Sohn Danny umdrehte, der eben die Praxis betreten hatte.

      »Ah, da ist ja mein Mitstreiter!«, begrüßte er ihn lächelnd. Doch Dannys trübe Miene zeugte nicht eben von guter Laune. »Ist dir an diesem schönen Morgen schon eine Laus über die Leber gelaufen, oder warum ziehst du so ein Gesicht?« Sein kritischer Blick streifte die verbundene Hand. »Gibt es ein Problem?«

      Danny, der nicht zugeben wollte, dass die Wunde an der Handfläche immer noch schmerzte und pulsierte, schüttelte den Kopf und rang sich ein Lächeln ab.

      »Du kennst doch mein Verhältnis zum frühen Morgen«, erfand er schnell eine fadenscheinige Ausrede.

      »Und du kennst das Sprichwort: Der frühe Vogel fängt den Wurm«, konterte Dr. Norden schlagfertig.

      Angeekelt verzog Danny den Mund.

      »Danke, statt Würmern bevorzuge ich morgens Wendys hervorragenden Kaffee.«

      »Es ist Janines hervorragender Kaffee«, korrigierte Wendy diesen Irrtum schnell. »Und nichts für ungut, Chef, aber zu Dannys heutiger Situation passt ›Morgenstund hat Gold im Mund‹ viel besser.« Mit spitzbübischer Miene griff sie nach der Patientenkarte, die ganz oben auf dem Stapel lag und reichte sie Danny. »Herr Gold kommt gleich. Er hat heute schon frühmorgens angerufen, weil er eine schlaflose Nacht hinter sich hat.«

      »Das auch noch!«, stöhnte Danny auf und machte sich auf den Weg in sein Sprechzimmer, ehe weitere Hiobsbotschaften auf ihn einprasseln konnten.

      Lächelnd sah Daniel seinem Sohn nach, wie er missmutig den Flur hinunterstapfte. Er konnte Danny verstehen. Patrick Gold war ein Hypochonder, wie er im Buche steht, und kam fast jede Woche mit einer neuen eingebildeten Krankheit in die Praxis. Doch selbst ein so anstrengender Patient war noch besser als eine Beerdigung am Vormittag, stellte Daniel insgeheim fest, bevor auch er sich in sein Zimmer zurückzog, um zu arbeiten, bis es Zeit zum Aufbruch wurde.

      *

      Auch wenn der Besuch von Patrick Gold wie erwartet verlief, brachte er für Danny doch wenigstens die erhoffte Ablenkung von seinen eigenen Schmerzen. Die verletzte rechte Hand in einen frischen Verband gewickelt, saß er am Schreibtisch und hörte geduldig den Erklärungen seines Patienten zu.

      »Ich weiß ja, dass ich Senk-Spreiz-Füße habe. Und mein rechtes Bein ist fast zwei Zentimeter kürzer als das linke«, berichtete Herr Gold in dem ihm eigenen, immer ein wenig selbstmitleidigen

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