Schöne Tage 1914. Gerhard Jelinek
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Gerhard Jelinek
Schöne Tage. 1914
Gerhard Jelinek
Schöne Tage.
1914
Vom Neujahrstag bis zum
Ausbruch des Ersten Weltkrieges
Mit 30 Abbildungen
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© 2013 by Amalthea Signum Verlag, Wien
Alle Rechte vorbehalten
Umschlaggestaltung: Silvia Wahrstätter, vielseitig.co.at
Umschlagmotiv: Anonym © Imagno/Öst. Volkshochschularchiv
Herstellung und Satz: Gabi Adébisi-Schuster, Wien
Gesetzt aus der Elena 10,6/14
Printed in the EU
ISBN 978-3-85002-840-0
eISBN: 978-3-90286-275-4
Inhalt
Vorwort
Am Beginn des Jahres 1914 haben sich die Menschen in Berlin, Paris und London, in St. Petersburg oder Rom, besonders aber die in Wien, sicher gefühlt. Stefan Zweig stellt dieses vorherrschende Grundgefühl so vieler ins Zentrum seiner Erinnerungen Die Welt von Gestern: »Es war das goldene Zeitalter der Sicherheit. Jeder wußte, wie viel er besaß oder wie viel ihm zukam, was erlaubt und was verboten war. Alles hatte seine Norm, sein bestimmtes Maß und Gewicht. An barbarische Rückfälle, wie Kriege zwischen den Völkern Europas, glaubte man so wenig wie an Hexen und Gespenster … Die Städte wurden schöner und volkreicher von Jahr zu Jahr … Nie war Europa stärker, reicher, schöner, nie glaubte es inniger an eine noch bessere Zukunft … Alles in unserer fast tausendjährigen Monarchie war auf Sicherheit gegründet. Dieses Gefühl der Sicherheit war der erstrebenswerteste Besitz von Millionen, das gemeinsame Lebensideal. Immer weitere Kreise begehrten ihren Teil an diesem kostbaren Gut. Erst waren es nur die Besitzenden, die sich dieses Vorzugs erfreuten, allmählich aber drängten die breiten Massen heran; das Jahrhundert der Sicherheit wurde das goldene Zeitalter des Versicherungswesens. Man assekurierte sein Haus gegen Feuer und Einbruch, sein Feld gegen Hagel und Wetterschaden, seinen Körper gegen Unfall und Krankheit.«
Nur gegen einen Weltkrieg konnte sich niemand versichern lassen, er galt als »höhere Gewalt«.
So vertrauten die Eliten und »das Volk« auf die Weisheit der Politiker, die Erfahrung der Diplomatie und die engen wirtschaftlichen Verflechtungen, die Europa jenseits aller Nationalismen zusammengebunden hatten. Ein großer europäischer Krieg galt praktisch als unmöglich. Die Fürsten- und Königshäuser waren miteinander vielfach verwandt und verschwägert. Der deutsche Kaiser Wilhelm II. war ein Enkel der englischen Queen Victoria. Und im republikanischen Frankreich regierten radikale Sozialisten. Ein Krieg schien nicht mehrheitsfähig.
Das »Fin de Siècle« war in den schlafwandlerischen Fortschrittsglauben des beginnenden 20. Jahrhunderts übergegangen. Wachstum, Wissen, Wirtschaft und Wohlstand versprachen ein gutes neues Jahr. Die zwei Balkankriege zwischen 1911 und 1913 hatten nicht zur befürchteten Konfrontation der europäischen Mächte geführt. Auch die zwei Marokko-Krisen, bei denen es um die Ausweitung der Kolonialmacht ging, konnten das Sicherheitsgefühl der Europäer kaum erschüttern. Krieg wegen Marokko? Krieg wegen einiger »Zwetschkenbäume in Serbien«, wie der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand abschätzig spottete? In Mexiko starben Tausende in einem blutigen Bürgerkrieg, bei dem die Vereinigten Staaten ihre Finger im Spiel hatten, England hatte Mühe, die gewaltsamen Proteste der irischen Nationalisten in der Provinz Ulster unter Kontrolle zu halten, da und dort gab es Aufstände am Rand der Kolonialimperien.
Die wirtschaftliche und soziale Lage breiter Bevölkerungsschichten hatte sich seit Ende des 19. Jahrhunderts Schritt für Schritt verbessert. Immer mehr Menschen strömten in die Schmelztiegel der Städte. In der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien lebten mehr als zwei Millionen Menschen. Wien war die Hauptstadt eines komplizierten Reichs mit 52 Millionen Bürgern. Wien war die siebtgrößte Stadt der Welt.
Der technologische Fortschritt schien grenzenlos. »Aeroplane« stiegen immer höher, flogen weiter. Der Mensch begann den Himmel zu erobern. Die Männer in ihren fliegenden Konstruktionen aus Holz und Leinwand avancierten zu den neuen Helden einer futuristischen Moderne. Das Automobil hatte seinen Siegeszug längst angetreten. Das beginnende 20. Jahrhundert lebte die Beschleunigung. Der Film als neues Unterhaltungsmedium flimmerte über immer mehr Leinwände. Die Elektrizität brachte die Städte zum Leuchten. In der Kunst wurden Konventionen abgeschüttelt, alte Formen zertrümmert, es wurde Neuland betreten.
Aber es war eine Zeit unterschiedlicher Geschwindigkeiten. Der Boden, auf dem die Gesellschaft stand, schwankte. Die Kluft zwischen der wissenschaftlich-technisch-künstlerischen Moderne und einem restfeudalen Gesellschafts- und Sozialsystem wurde immer breiter. Wie bei tektonischen Verwerfungen bewegten sich die Fundamente der Gesellschaften und der Nationen in unterschiedlichem Tempo und in gegensätzliche Richtungen. Der scheinbar so feste Boden brach ein und brachte einen Kontinent, mehr noch, große Teile der Welt, zum Einsturz.
Haben die Menschen in den europäischen Hauptstädten zu Silvester 1913/14 geahnt, wie sich ihr Leben innerhalb von wenigen Monaten verändern würde? Spürten sie das Ende einer fast fünf Jahrzehnte währenden Friedensperiode? Mussten die Gewitterwolken am Horizont gesehen, konnte das Ausmaß der bevorstehenden Katastrophe erspürt werden?
Nur wenige Hellsichtige deuteten die Zeichen der Zeit.
1914 begann als schönes Jahr. Die Zeichen standen gut. Die Ballsaison verlief »äußerst animiert«. Nie waren die Wiener Feste festlicher. In Schönbrunn war der alte Kaiser von einer wochenlangen fiebrigen Bronchitis genesen. Der Frühling ging – nach einem Kälteeinbruch im Mai – nahtlos in den schönsten Sommer des noch jungen Jahrhunderts über. Berlin plante Olympische Spiele und fieberte der Moderne entgegen. In Paris wurden Ideen für einen Tunnel unter dem Ärmelkanal vorgelegt. In London kämpften Frauen mit allen Mitteln um gleiche Rechte. Ja, in Albanien bekämpften muslimische Freischärler den soeben erst von den europäischen Mächten eingesetzten deutschen Fürsten von Wied und vertrieben ihn. Wirren in den Zerklüftungen des Balkans. Seit Jahren schon