Die bedeutendsten Maler der Neuen Zeit. Norbert Wolf
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DER IMPRESSIONISMUS (AB 1874)
»Nennen Sie es einfach ›Impression‹ – Sonnenaufgang«, antwortete Claude Monet 1874 auf die Frage nach dem Bildtitel einer inhaltlich kaum noch zu erkennenden Hafenansicht aus seiner Hand. Die Kritiker Louis Leroy und Jules Castagnary griffen den Vorschlag auf und verwendeten ihn als Spottname für die »Impressionisten«, das heißt für all jene Künstler, die sich gegen die Normen der offiziellen Pariser Kunstausstellungen auflehnten. Von den zwischen 1874 und 1886 an den Gruppenausstellungen teilnehmenden Künstlern hat keiner die Ziele dieser Richtung, die heute so eindeutig vor Augen zu stehen scheinen, in Reinkultur verwirklicht.
Der im Zusammenhang des Impressionismus oft genannte Édouard Manet war als Anreger zweifellos von großer Bedeutung, stand aber immer in einiger Distanz zur Gruppe; das Lebenswerk von Edgar Degas, Henri de Toulouse-Lautrec und Auguste Renoir fällt, wie zu betonen bleibt, nur teilweise mit den impressionistischen Bestrebungen zusammen.
Die Impressionisten (genannt seien außer den bereits erwähnten nur noch die wichtigsten Repräsentanten: mit Einschränkungen Gustave Caillebotte und James Abbot McNeill Whistler, dann Berthe Morisot, Mary Cassatt, Camille Pissarro, Alfred Sisley, in Deutschland Max Liebermann, Lovis Corinth, Max Slevogt) setzten die Tendenzen des Realismus fort und korrigierten sie zugleich, indem sie ihr Interesse nicht nur auf die »greifbare« Gegenständlichkeit richteten, sondern auch auf das, was sich im spontanen Sehakt niederschlägt. Die dezidierte Umkehrung der akademischen Regel vom Vorrang der Linie über die Farbe, das von den Impressionisten fixierte Spiel des Lichts auf den Oberflächen der Dinge, ihre meist hellen, kräftigen Farbtöne bei freiem, lockerem Pinselstrich ohne vorbereitende Konturen dienen der direkten Umsetzung des Seheindrucks ins Bild. Angeregt durch japanische Farbholzschnitte und durch die von ihnen im 1861 eröffneten Atelier von Félix Nadar aufmerksam studierten Fotografien präsentieren viele Impressionisten Motive aus ungewohnten Perspektiven, schneiden diese an den Bildrändern ab oder überlagern sie im Sinne eines flüchtigen Ausschnitts.
In Italien hatten sich um 1855 in Florenz Künstler formiert, die »Macchiaioli«, die eine leicht und locker, in nebeneinander gesetzten Flecken hingetupfte Manier zur Wiedergabe der im Freien studierten Natur unter wechselnder Beleuchtung anwandten – ein dem französischen Impressionismus verwandtes Phänomen, wenn auch bei stets beibehaltener stärkerer Formkonstanz. Unter ihnen ragte Giovanni Fattori heraus. Erwähnenswert sind ferner Silvestro Lega und Telemaco Signorini. Sie alle verbinden eine lockere, duftige und dennoch klar strukturierte Mal- und Kompositionsweise mit einer an die gestalterische Kraft der Renaissance zurückerinnernden Klassizität. Aus dem Stil der »Macchiaioli« entwickelte dann der mit Manet befreundete Giuseppe de Nittis seine Formensprache in Richtung eines Impressionismus, der in seiner Konsequenz und seiner Qualität nach mit der französischen Hauptströmung konkordiert.
AUF DEM WEG ZUR MODERNE (AB DEN 1880ER-JAHREN)
Seit den 1880er-Jahren stellten die Pointillisten mit den beiden Hauptrepräsentanten Georges Seurat und Paul Signac den mittlerweile etablierten Impressionismus infrage. Dazu intensivierten sie die im Impressionismus bereits vorbereitete kleinteilige Farbzerlegung, im Wissen, dass sich die Farbpartikel nach den Komplementärgesetzen im Betrachterauge wieder zu einem Gesamteindruck vermischen. Das Wort »Pointillismus« bezeichnet treffend das Neue der daraus resultierenden Formensprache. Die Pointillisten reduzierten nämlich die Farbpartikel zu Punkten von nahezu rasterartiger Geschlossenheit. Deren Präzision verhindert jede psychische Spontaneität beim Malen von Bildern und bei ihrer Rezeption. Seurat nannte seine Methode »Chromo-Luminarismus«, Kritiker tauften sie »Neoimpressionismus«, »Divisionismus« oder eben »Pointillismus«.
Dieser verfiel allerdings keineswegs, wie man denken könnte, in eine Atomisierung der Bildwelt. Ganz im Gegenteil. Aus der engen Abfolge der Farbpunkte resultieren im Betrachterauge homogene Farbfelder, aus der Verkettung der Farbpunkte entsteht wieder eine harmonisch geschlossene Form – freilich eine souverän das Wirklichkeitsvorbild verfremdende. Der Weg zur modernen Autonomie der gestalterischen Mittel war somit eingeschlagen. Und dies taten noch radikaler und auf ganz anderem Wege drei Künstler, die man nicht umsonst als »Väter der Moderne« apostrophiert.
Paul Cézanne setzt beim Impressionismus an und geht sofort einen entscheidenden Schritt weiter, sodass er für manche Kritiker einerseits den Endpunkt der »traditionellen« abendländischen Kunstgeschichte, für andere den Beginn der Moderne in Richtung auf Abstraktion markiert. Während man Cézanne als einen Wegbereiter des Kubismus im 20. Jahrhundert betrachtet, gilt Vincent van Gogh als ein solcher des Expressionismus. Durch die Ausdrucksstärke der Farben und emotional bestimmte, expressive Farbkontraste versuchte er, seine subjektiven Eindrücke von Mensch und Natur in eine vollkommen persönliche Handschrift zu übertragen. Mit breitem, derbem Pinselstrich will er zu einer Synthese von Farbe und Linie gelangen. Paul Gauguin wiederum entwickelte zusammen mit Émile Bernard und anderen um 1886 im bretonischen Künstlerdorf Pont-Aven einen linien- und flächenbetonten Stil.
Schwingende, kraftvoll farbige Konturen, die sich zu rhythmischem Eigenleben verselbstständigen, umrunden in die Fläche gepresste, intensiv farbige Motive. Auf illusionistische Bildräumlichkeit ist völlig verzichtet, modellierendes Licht und Schatten spielen kaum noch eine Rolle. Die »Nabis« (außer Bernard vor allem auch Paul Sérusier, Maurice Denis, Kerr-Xavier Roussel, Paul Elie Ranson, Édouard Vuillard, Félix Vallotton – zeitweilig zudem der spätere Bildhauer Aristide Maillol) nahmen von hier ihren Ausgang und entwickelten zwischen 1888 und 1905 einen höchst dekorativen, von flächengebundener Farbigkeit (die ihre Darstellungswertigkeit weitgehend verlor) sowie vom Verzicht auf perspektivische Räumlichkeit geprägten Gruppenstil.
PRÄRAFFAELITEN UND SYMBOLISMUS (1848–UM 1900)
1848 wurde in London die Bruderschaft der Präraffaeliten gegründet (William Holman Hunt, John Everett Millais, Dante Gabriel Rossetti, assoziiert waren: Ford Madox Brown, William Dyce, Edward Burne-Jones, William Morris; die Bildhauer übergehe ich). Die Maler strebten Bildthemen an, die sie in mittelalterlicher Sage und Literatur, in der Bibel und in Shakespeare-Stücken vorformuliert glaubten; indes erschöpften sich ihre Ideale nicht in einer Vergangenheitsperspektive, sie setzten sich auch mit Gegenwartserscheinungen auseinander. Häufig diente die altertümliche und allegorische Einkleidung der Thematisierung namentlich sexueller und morbid-psychologischer Inhalte, die von der viktorianischen Moral tabuisiert waren. Mit der Betonung ornamentaler Details zählten die Präraffaeliten überdies zu den Wegbereitern des Jugendstils.
Und sie gliederten sich jener Bewegung ein, die man »Symbolismus« nennt. Erfahrungen, die man bevorzugt außerhalb der gültigen moralischen Normen suchte, spiegeln sich bei den Symbolisten vor allem in der Beschäftigung mit Liebe und Sexualität, thematisiert nicht zuletzt im Bild der Frau als »Femme fatale«, als anbetungswürdiges wie männermordendes Wesen, als Madonna, Eva oder Salome. Und ebenso gerne suchten Symbolisten wie Gustave Moreau, Odilon Redon, der Grafiker Aubrey Beardsley, die einstigen »Deutschrömer« Max Klinger und Arnold Böcklin, der Schweizer Ferdinand Hodler, der Norweger Edvard Munch, die Belgier Fernand Khnopff und James Ensor