Die bedeutendsten Maler der Neuen Zeit. Norbert Wolf

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Die bedeutendsten Maler der Neuen Zeit - Norbert Wolf marixwissen

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als man andere Ideale wie den Maler Giorgio de Chirico rücksichtslos aufgab. Der besagte Text stammt von Isidore Ducasse, der, unter dem Pseudonym »Comte de Lautréamont« erst fünfzig Jahre nach seinem frühen Tod (1846–1870) berühmt wurde, nämlich als André Breton die »Gesänge« 1919 im »Journal Littérature« publizierte. Die meistzitierte Passage daraus ist der Vergleich der Schönheit eines Knaben mit der »unvermutete[n] Begegnung einer Nähmaschine und eines Regenschirms auf einem Seziertisch«.

      ZWISCHEN REALISMUS UND ABSTRAKTION (20ER-JAHRE–50ER/60ER-JAHRE)

      Formal waren in den 20er-Jahren im Kern alle Darstellungsmöglichkeiten bereitgestellt, die die Kunst in den nächsten Jahrzehnten bestimmen sollten: das gesamte Spektrum zwischen figurativer und ungegenständlicher Malerei beziehungsweise Plastik. An die figurative Komponente hielt sich der Verismus zwischen den beiden Weltkriegen und die seit 1923 so titulierte »Neue Sachlichkeit« (auch »Magischer Realismus« genannt).

      Parallel zum Beginn des Surrealismus stagnierten die progressiven, mittlerweile jedoch schon zum »Mainstream« gewordenen »Ismen« der beiden ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts in Italien, Frankreich, Russland, Deutschland. Die bis dahin fast unumschränkt gültige Überzeugung, dass die Moderne in der Malerei identisch sei mit der radikalen Abstraktion, war gegen Ende des zweiten Jahrzehnts ins Wanken gekommen. Es ist bezeichnend für die Kehrtwende um 1920, dass der französische Dichter Jean Cocteau zum »rappel à l’ordre« in der Kunst aufrief und sagte, es sei wichtig Stil zu haben, nicht einen Stil, und dass er zudem den Künstler aufforderte, sich intensiver mit den Traditionen auseinanderzusetzen – umso kühner würde er dann neuen Boden erobern.

      Kaum hatte Dada in Zürich, dann in Köln, Berlin, Barcelona, Paris und anderswo den alten Kunstbegriff zersetzt, kam, ganz im Sinne Cocteaus, der Gegenschlag. Giorgio de Chirico und Picasso stiegen zu dessen Leitbildern auf. Sie wandten sich wieder der unversehrten menschlichen Gestalt zu und schlossen sich den Traditionen an, als habe es weder Kubismus noch Kandinsky noch Dada gegeben. Picasso malte Bildnisse von klassischer Schönheit und, 1921 bis 1923, antikisch-wuchtige Frauenfiguren.

      Neben der Hinwendung Picassos zum Neoklassizismus ist der neue internationale Realismus der zwanziger Jahre zu verzeichnen. Nicht zu vergessen, dass Picasso die Kunstszene auch dadurch noch herausforderte, dass er mit der Rückkehr zur Gegenständlichkeit die gängige Vorstellung von einer linearen geschichtlichen Entwicklung unterbrach. Gegenständliche Kunst und abstrakte Kunst wurden von ihm als wahlweises Spiel mit Möglichkeiten einer düpierten Öffentlichkeit vor Augen geführt.

      Bei politischer Ausrichtung konnte sich die Orientierung am Gegenständlichen in einen sozialen Realismus verwandeln – etwa bei den drei großen mexikanischen Freskenmalern Diego Rivera, José Clemente Orozco und David Alfaro Siqueiros. Auch die »American Scene« huldigte vielfach der figurativen Kunst, wofür Namen wie Grant Wood oder Edward Hopper stehen können.

      Im Sozialistischen Realismus der Sowjetunion und im peinlich altmeisterlichen »Blut-und-Boden«-Realismus der Nazizeit (wogegen das Italien Mussolinis den »modernen« Futurismus instrumentalisierte) erlebte das Figurative freilich seine katastrophale Perversion. Mit dem Ende des 2. Weltkriegs brach dann die große Zeit der abstrakt-expressiven Malerei an, die sich in Vielem auf Kandinsky zur Zeit des »Blauen Reiter« berufen konnte. Zentrum des Geschehens war zunächst Paris, eine Spielart war die 1948 gegründete Gruppe »Cobra«, eng verwandt war der um 1950 konstituierte »Tachismus« und das etwa gleichzeitig postulierte »Informel«. Die amerikanische Variante des »Tachismus« ist die »Actionpainting«, die 1947 Jackson Pollock in den USA kreierte. Auf die Farbstürme und vehementen Pinselspuren des abstrakten Expressionismus in der Art eines Willem de Kooning antwortete sodann die abstrakte Kunst mit einer Rückkehr zu eher meditativen Tableaus (zum Beispiel seit dem Ende der fünfziger Jahre das »Color-Field-Painting« mit Repräsentanten wie Morris Louis, Mark Rothko, Barnett Newman, Kenneth Noland, Ad Reinhardt und Frank Stella) oder – mit der in den 50er-Jahren entstehenden Op-Art (Bridget Riley, Jesús Rafael Soto, Günther Uecker, Lucio Fontana und andere) – mit der Rückwendung zu einer wieder stärker optisch-geometrischen Kunst.

      POP-ART (1952ff.)

      Der englische Kunstkritiker Lawrence Alloway hatte den Begriff »Pop«, dessen Herkunft bis heute umstritten ist, 1958 als Bezeichnung für eine Mitte der 1950er-Jahre entstandene Kunstrichtung in die Literatur eingeführt. Sie setzte sich inhaltlich und formal mit Produkten des Massenkonsums, den Signets und werbenden Bildsymbolen der Konsumgüterindustrie, den Formeln des Comic strips, den Lichtreklamen der Großstädte, den klischeebehafteten Mustern aus Film und Fernsehen auseinander und vollzog dabei eine Abkehr vom bislang herrschenden abstrakten Expressionismus hin zu einer wieder gegenständlich gebundenen Bildersprache.

      In London fand sich 1952 eine Gruppe junger Künstler zusammen, die »hohe« und »niedere« Künste, die modernen Massenmedien, wie erwähnt das Design, das Kino, die Werbung, Comics und Science-fiction zu »Popular Arts«, zu einer allen Schichten zugänglichen und verständlichen Sprache vereinen wollten. Richard Hamilton schuf 1956 die Ikone der frühen Bewegung mit der Collage Just what is it that makes today’s homes so different, so appealing? (Tübingen, Kunsthalle).

      Rasch wurden die Zielsetzungen der Pop-Art in den USA aufgegriffen, wo sie, mehr oder weniger kritisch, den »American way of life« – von der Cola-Dose bis zum Marilyn-Monroe-Poster (Andy Warhol) beleuchteten. Neben Warhol wurden Robert Rauschenberg, Roy Lichtenstein, Tom Wesselmann, James Rosenquist und Claes Oldenburg zu den Leitfiguren des Pop.

      Als eine Art Sonderform des Pop darf man ferner den sich in den 60er-Jahren herauskristallisierenden Fotorealismus (auch Hyperrealismus genannt; einige Namen: Chuck Close, Don Eddy, Richard Estes, Franz Gertsch, auch Gerhard Richter gehört hierher, zumindest partiell) betrachten. Nicht zuletzt mit ihm ist eine fatale Trennung ad absurdum geführt, die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der »Aufteilung« der Welt in den »freien Westen« und den kommunistischen Ostblock lange Zeit die westliche Meinung beherrschte: dass abstrakte Kunst Ausdruck von Freiheit und Fortschrittlichkeit sei, figurative Kunst Zeichen von Rückständigkeit und ideologischer Fixierung.

      POSTMODERNE UND NEUER PLURALISMUS (1960ff.)

      1959 fanden in New York die ersten nachdadaistischen Happenings statt. Um 1960 entstand die Bewegung »Fluxus«, in der der koreanische Musiker, Komponist, Performance- und Videokünstler Nam June Paik eine prominente Rolle spielte (auch der Deutsche Wolf Vostell wäre zu nennen). Aktionen – durchaus auch in Nachfolge des Dadaismus – standen im Mittelpunkt ihres Interesses. In Deutschland schloss sich ihr auch Joseph Beuys an, in Österreich Hermann Nitsch. 1969 etablierte sich mit der »Konzeptkunst« eine Richtung in New York, der die Idee wesentlicher war als das objekthafte Werk. Gleichfalls Ende der 60er-Jahre machte die amerikanische »Land Art« von sich reden, angesiedelt in unwegsamem Gelände weitab von der Zivilisation. Und in den 60er-Jahren hielten die neuen Medien Einzug in die bildende Kunst – die Video-Installation entwickelte sich zu einem der zugkräftigsten und – mit Bruce Nauman beispielsweise – auch überzeugendsten Zweige der Gegenwartskunst.

      Gleichzeitig jedoch, mit dem Beginn der sechziger Jahre, erregten einige deutsche Künstler Aufsehen (vor allem Markus Lüpertz, Georg Baselitz, etwas später Jörg Immendorff) die sich einer neuen Gegenständlichkeit zuwandten. Die indes hatte nichts mit der thematisierten Warenwelt der Pop-Art zu tun, welche den Gegenstand nicht als subkulturelles Objekt würdigte, sondern aufgrund seiner dinghaften Präsenz und der daraus resultierenden Faszination – eine Gegenständlichkeit sowie Figuration, die sich bald auch emblematisch auflud und so nicht selten deutsche Vergangenheit und deutsche Befindlichkeit evozierte.

      Alles schien inzwischen möglich und auch

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