G. K. Chesterton: Krimis, Aufsätze, Romane und mehr. Гилберт Кит Честертон
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Symes Augen steckten helle Lichter der Sympathie sowie als der Wißbegierde aus.
»Und wie machen Sie das?« sagte er.
»Die Leistung des philosophischen Schutzmanns«, versetzte der Mann in Blau, »ist eine verwegenere und erfinderischere zugleich als die eines gewöhnlichen Detektivs. Der gewöhnliche Detektiv geht in die Kaschemmen, um Diebe zu arretieren. Wir gehen zu artistischen Teegesellschaften, um Pessimisten zu überwachen. Der gewöhnliche Detektiv ersieht aus dem Hauptbuch oder Journal, daß ein Verbrechen begangen worden ist. Wir indes lesen aus einem Sonettbande, daß ein Verbrechen begangen werden wird. Wir haben die Quellen aufzuspüren jener furchtbaren Gedanken, die die Mühlsteine des geistigen Fanatismus und des geistigen Verbrechens treiben. Wir verhinderten beispielsweise den Meuchelmord zu Hartlepool, und das verdanken wir ganz und gar der Tatsache, daß unser Mr. Wilks, ein smarter, junger Bursche, sich durchaus und gründlich auf das Triolet verstand.
»Ja, meinen Sie denn wirklich«, fragte Syme, »daß zwischen Verbrechen und modernem Geist ein so großer Konnex besteht?«
»Sie sind nicht genug Demokrat«, antwortete der Polizist, »aber Sie hatten absolut recht vorhin, als Sie sagten, daß unsere gewöhnliche Behandlung des Armen-Verbrechens ein ziemlich brutales Geschäft sei. Ich kann Ihnen sagen, daß mich mein Amt oft ganz krank macht, wenn ich sehen muß, wie es fort und fort nur den Krieg meint mit den Ignoranten und den Desperaten. Aber unser neues System nun, das ist ein höchst verschiedenes. Wir wissen nichts und wollen nichts mehr wissen von der snobbistischen englischen Anmaßung: daß nur die Ungebildeten die gefährlichen Verbrecher seien. Wir erinnern nur an die Römischen Kaiser. Wir erinnern nur an die vielen großen fürstlichen Giftmischer der Renaissance. Wir sagen: der Gebildete ist der Schwerverbrecher. Wir behaupten: das gefährlichste Verbrechen von heute ist der absolut gesetzlose moderne Philosoph. Gegen ihn sind – gegen ihn sind Einbrecher und Bigamisten moralische Menschen; mein Herz ist ganz mit auf ihrer Seite. Die glauben an das höchste Ideal der Menschen; nur suchen sie es auf der verkehrten Seite. Diebe? Die respektieren das Eigentum. Sie wünschen vom Eigentum nur, daß es sich ihnen aneignen möchte, auf daß sie es dann um so vollkommener respektieren könnten. Aber Philosophen? Die verwerfen das Eigentum als Eigentum an sich. Die wollen gleich den ganzen Begriff Personalbesitz ausmerzen. Bigamisten? Die respektieren die Ehe. Sonst würden sie nicht durch die so hochzeremonielle und sogar ritualistische Formalität der Bigamie gehen. Aber Philosophen? Die verabscheuen die Ehe als Ehe an sich. Der Mörder respektiert das Menschenleben. Er wünscht nur, eine größere Fülle menschlichen Lebens in sich zu erlangen – durch die Opferung von etwas, das ihm weniger lebenswert scheint. Aber der Philosoph? Der haßt das Leben an sich. Sein eigenes sowohl als das aller andern.«
Syme schlug die Hände zusammen.
»Wie so wahr – wie so wahr das alles!« rief er aus. »Ich habs gefühlt, seit meiner Knabenzeit, nur konnt ich nie die verbalische Antithese statuieren. Der gewöhnliche Verbrecher ist ein schlechter Mensch, aber wenigstens ist er, gleichsam, ein – bedingungsweise – guter Mensch. Er sagt, wenn nur ein gewisses Hindernis beseitigt wäre – ein Erbonkel etwan – dann wär er total bereit, an das Weltall zu glauben und Gott zu preisen. Er ist ein Reformator, aber noch lange kein Anarchist. Er will den Tempel gereinigt sehen, aber noch lange nicht niedergerissen. Nur der Schädling: der Philosoph, versucht nicht, die Dinge zu wandeln, sondern sie auszurotten – zu nihilisieren. Ja, die moderne Welt hat all jene Sparten des Polizeidienstes zurückbehalten, die tyrannisch und über die Maßen greulich sind, die Ausplünderung der Armen, das Ausspionieren der Unglücklichen. Und hat ihre würdigste Tat aufgegeben: die Bestrafung der großen Staatsverräter und der großen Kirchenketzer. Ich zweifle immer wieder nur daran, daß wir ein Recht haben sollen, wenn die nicht – dann irgendeinen andern zu bestrafen.«
»Aber das ist doch absurd!« rief der Blaue und rang die Hände – gar nicht wie ein Blauer, »aber das ist doch unausstehlich! Ich weiß nicht, was Sie treiben im Leben, aber sicher vergeuden Sie Ihr Leben. Sie müssen – Sie müßten unserer Spezialarmee gegen die Anarchie beitreten! Ihre Truppen stehen vor unseren Grenzen. Der Pfeil schwirrt von der Sehne. Wenn Sie noch einen Augenblick länger verziehen, ist der Ruhm für Sie verloren, als einer der Unsrigen zu streiten – und damit vielleicht der Heldentod zusammen mit den letzten Heroen dieser Welt.«
»Das ist eine Chance – sicherlich –« pflichtete Syme bei, »die ich mir nicht entgehen lassen sollte. Aber ich kenn mich da immer noch nicht recht aus. Ich weiß wohl so gut wie einer, daß die moderne Welt angefüllt ist von den gesetzlosen kleinen Menschen und von total verdrehten kleinen Emotionen. Aber, so verbiestert das alles auch sein mag, bleibt immer noch das eine Gute – dieses, daß sie miserabel untereinander auskommen. Wie kommen Sie also dazu, von einem Oberkommando an der Spitze einer Armee und vom ersten abschwirrenden Bolzen zu reden? Wie wie – wie verhält es sich denn nun eigentlich mit dieser Anarchisterei?«
»Verwechseln Sie’s beileibe nicht«, versetzte der Konstabler, »mit jenen ungefähren Dynamitattentaten in Rußland oder Irland: die sind weiter nichts als Expansionen, Expektorationen und Explosionen unterdrückter – irrender Menschen. Das andere aber, das ist eine ungeheure philosophische Bewegung, die aus einem äußeren und in einem inneren Ring besteht. Sie können den äußeren Ring getrost den Laienstand und den inneren Ring die Priesterschaft nennen. Ich aber heiße mir den äußeren lieber: das harmlose Lager – und den innern: das im höchsten Grade schuldige. Der äußere Ring – der größte Teil der Anhänger – sind bloße Anarchisten. Das heißt: Leute, die da glauben, die Regeln all und die Formeln hätten das menschliche Glück untergraben. Leute, die da glauben, daß alles Menschenverbrechen aus dem System resultiert, das es eben – Verbrechen getauft hat. Leute, die da nicht glauben wollen, daß das Verbrechen die Strafe erzeugt. Sondern Leute, die da glauben, daß die Strafe das Verbrechen erzeugt hätte. Die glauben, daß, wenn ein Mensch sieben Frauen verführt, der natürlich so schuldlos daraus hervorginge wie eine Blume im Lenz. Glauben, daß, wenn ein Mensch maust, er von den exquisitesten Gefühlen beseelt ist … Diese alle nenne ich das harmlose Lager.«
»Oho!« sagte Syme.
»Natürlich faselt diese Sorte Volks dann von ›einer glücklichen Zeit, die anbrechen wird‹, vom ›Paradies der Zukunft‹ und einer ›Menschheit jenseits von Gut und Böse und so weiter und so fort. Und gerad so faseln die Leute des inneren, Zirkels – die geweihte Priesterschaft. Und faseln so: damit ihnen der Pöbel Beifall schreit – zur glücklicheren Zukunft, zur Befreiung der Menschheit. Aber in ihren Mündern (und der Konstabler sprach leiser), in ihren Mündern verkehren sich diese Phrasen vom Glück heimlich in ein furchtbares Gegenteil. Die wissen von keinen Illusionen, die; die sind viel zu gescheit, als daß sie dächten, der Mensch könne sich jemals ganz von der Erbsünde befreien und über alle finstern Mächte Sieger sein. Wenn sie so reden, so meinen sie damit den Tod. Und wenn sie da sagen, daß die Menschheit dereinst frei werden würde, so meinen sie damit, die Menschheit soll Selbstmord begehen. Wenn sie vom Paradies und Jenseits von Gut und Böse daherreden, so meinen sie damit das Grab. Sie kennen nur zwei Ziele: erst die Humanität auszurotten und dann sich selber. Und darum auch ist es, daß sie Bomben werfen, statt mit Pistolen zu schießen. Die Laien, die sind immer enttäuscht, daß die Bombe den König unversehrt ließ; die hohe Priesterschaft aber jubelt, daß nur irgendwer dabei umkam.«
»Wie kann ich Ihnen beitreten?« fragte Syme,