Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman. Karin Bucha

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kommst du darauf?«

      Nikolaus teilte ihr seine Beobachtung mit.

      »Ja, er war so seltsam.« Plötzlich umklammerte sie seinen Hals »Nikolaus, jetzt weiß ich es wieder. Er sprach so seltsam, er wird doch nicht sein Leben wegwerfen wollen?«

      Sie fuhr entsetzt zusammen, als Nikolaus dicht an ihrem Ohr sprach:

      »So sehr liebst du ihn, Petra, daß sein Tod dir Tränen entlockt?«

      »Ach, du weißt ja nicht, Nikolaus…« Sie machte eine matte Handbewegung. Die Augen starr geradeaus gerichtet, berichtete sie ihm Wort für Wort die Unterredung mit Sprenger.

      Nikolaus schwieg. Aber Petra merkte, wie es in ihm arbeitete.

      »Vielleicht denkst du nun auch milder über ihn, Nikolaus. Jeder kann einmal im Leben straucheln. Wohl dem, der noch rechtzeitig umkehrt. Sprenger hat es getan.«

      Nikolaus neigte sich über ihre Hände. Andächtig küßte er sie.

      »Ich will versuchen, ihm zu verzeihen, um deinetwillen, Petra.«

      »Und warum bist du gekommen?« Immer noch wich sie seinem Blick aus.

      »Das kannst du noch fragen, Petra?«

      »Du – du willst mich zurückholen?«

      »Ja, Petra. Tante Beate hat Sehnsucht nach dir und Lorchen. Das Werk braucht dich – und ich auch.«

      »Und du wirst mich nicht quälen, deine Frau zu werden?«

      »Wenn du es nicht willst, dann werde ich diese Frage nicht wieder an dich richten.«

      »Laß mir Zeit, Nikolaus, ich bitte dich darum. Es war zuviel, was in letzter Zeit über mich hereinbrach. Noch lebt Jost zu sehr in meinem Herzen.«

      »Du darfst darüber die Lebenden nicht vergessen, Petra«, mahnte er. Seine Stimme klang müde und hoffnungslos.

      »Ich werde an deine Worte denken, Nikolaus.«

      »Willst du schon wieder gehen?« fragte sie ängstlich, als er sich umwandte.

      »Ja, du brauchst unbedingt Ruhe. Ich merke, wie sehr du dich zum Wachsein zwingst. Ich gehe in ein Hotel, und morgen früh hole ich dich und das Kind ab. Ich muß auch Tante Beate benachrichtigen, sie wird vor Aufregung kein Auge zutun in dieser Nacht.«

      »Die Gute… Liebe!«

      Nikolaus hob ihre Hand auf und drückte erneut einen Kuß darauf.

      »Gute Nacht, Petra, und auf Wiedersehen morgen früh.«

      *

      Leontine Eckhardt las den Brief nun schon zum dritten Mal, und noch immer konnte sie den Inhalt nicht begreifen.

      Was hatte Sprenger geschrieben?

      … und so bitte ich Sie, gnädige Frau, geben auch Sie alle Rachegedanken auf. Die Betroffene sind immer nur Sie. Gott ist gerecht. Und alle Schuld rächt sich auf Erden.

      Ich gebe den Kampf auf, weil die Liebe, die wahre Liebe, in mein Leben getreten ist.

      Als ein Mensch, der sein Unrecht eingesehen hat, möchte ich Ihnen warnend zurufen: Schließen Sie Frieden mit all denen, die Sie zu hassen meinen. Sie könnten so glücklich sein mit Ihren Kindern. Sie werden aber für den Rest Ihres Lebens verachtet werden, wenn Sie nur Böses denken und tun.

      Man soll nicht mit Menschenherzen spielen. Und Sie, gnädige Frau, sollten nicht mit dem Herzen Ihres einzigen, Ihnen noch verbliebenen Sohnes spielen.

      Detlef Sprenger

      Schauer über Schauer rannen über den Leib der Frau, die mit starren Augen ins Leere blickte.

      Es war ein schwerer Kampf, den die verbitterte Frau mit sich und ihrem Herzen auszufechten hatte. Noch einmal wirbelte alles durcheinander, was ihr erstrebens- und erachtenswert erschienen war, dann lehnte sie müde, unsagbar müde den Kopf zurück.

      Eine Stunde später, als sie auch die letzten Spuren des inneren Kampfes und der Tränen getilgt hatte, klingelte sie nach dem Zimmermädchen. Mit abgewandtem Gesicht bat sie:

      »Helfen Sie mir beim Packen. Ich muß heim – eine wichtige Angelegenheit. Bestellen Sie mir die Rechnung auf mein Zimmer.«

      *

      Regina Reuter stand neben der hin und her gehenden alten Dame und schaute gleich ihr über die Terrasse zur Auffahrt hinüber, als ein Wagen hielt.

      Beate Eckhardts Gesicht überzog im nächsten Augenblick geisterhafte Blässe.

      »Leontine – du?

      Langsam kam Leontine Eckhardt näher. Von Regina hinweg glitten ihre Augen im Zimmer umher, als müßte sie jeden einzelnen Gegenstand begrüßen.

      »Kann ich dich allein sprechen, Beate?« fragte sie in einem Ton, der Beate nur noch mehr verwirrte.

      Mit einer Verneigung gegen Leontine verließ Regina das Zimmer.

      »Du bist so verändert, Leontine. Ist etwas Besonderes geschehen?« Beate fand, daß die Schwägerin noch nie so ausgesehen hatte wie jetzt, mit dem wehmütigen Zug um den Mund und den ein wenig ratlosen Augen.

      »Lies diesen Brief, Beate, er sagt mehr als viele Worte von mir.«

      Sie drückte der Schwägerin Detlef Sprengers Brief in die Hand und wartete geduldig, bis Beate damit zu Ende gekommen war.

      Ein scheuer und auch verstehender Blick streifte Leontines versonnenes Gesicht.

      »Und – willst du Frieden schließen, Leontine?« kam es stockend von Beates Lippen.

      »Ja – Beate, ich habe den guten Willen dazu.« Angst flackerte in den dunklen Augen der Frau auf. »Glaubst du… glaubst du, daß mein Sohn mir verzeihen wird?«

      Ein warmes Gefühl stieg in Beate Eckhardt empor.

      »Ich glaube es, Leontine.«

      Da sank Leontines Kopf gegen die Schulter der Schwägerin, und sie weinte fassungslos.

      Das war so ungewöhnlich, daß Beate nicht ein Wort des Trostes oder des Zuspruchs fand. Sie strich nur immer über die nassen Wangen Leontines, bis die Schwägerin sich aufraffte.

      »Ich danke dir, Beate. Laß mich auch mit dir Frieden schließen.«

      Die beiden Frauenhände fanden sich zu einem warmen Druck.

      »Ich habe dich immer nur bedauert, Leontine.«

      Die dunklen Augen Leontines, noch tränengefüllt, forschten im lächelnden Gesicht der Schwägerin.

      »Und du hast mich niemals verachtet?«

      »Nein.«

      »Das ist gut, Beate – nochmals laß dir danken.«

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