Im Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman. Patricia Vandenberg
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»Du, das vertrage ich gar nicht«, begehrte sie auf. »Wenn du so dummes Zeug redest, nehme ich mein Mitbringsel wieder mit.«
Aber das tat sie doch nicht, und beglückt betrachtete er das kleine goldene Medaillon an einem feinen Kettchen.
Sie legte es ihm um. »Nun hänge ich an deinem Hals«, sagte sie zärtlich.
»Und ich darf dir nicht mal einen Kuss geben«, murmelte er.
Sie legte ihren Zeigefinger auf ihren Mund und dann auf seinen. »Ich habe Mami versprochen, dass ich dich nicht in Verlegenheit bringe. Wir werden uns so wenig wie möglich sehen!«
»Warum?«
»Es ist besser für uns beide, meinte sie.«
»Diese weisen Mütter. Und was meinst du?«
»Sie werden schon recht haben, diese weisen Mütter.«
»Nur wer die Liebe kennt, weiß was er leidet«, zwitscherte Stella, als Fabian später dem davonfahrenden Wagen nachblickte.
»Sei nicht so frivol«, ermahnte Rosemarie Rückert ihre Tochter. »Dir wird es eines Tages auch noch so ergehen.«
»Ich lasse mir Zeit, Mamachen. Ich freue mich viel zu sehr darauf, dass ich mal Hahn im Korb sein werde, wenn Fabian unter deinen Fittichen hervorgekrochen ist. Es sei denn, sie hätten es sehr eilig, euch Enkelkinder zu bescheren.«
»Das wird eine schöne Rauferei geben zwischen den Großeltern«, brummte Fabian. »Ich überlege schon, ob ich mich dann nicht lieber versetzen lasse.«
Erschrocken sah ihn seine Mutter an. »Das tust du uns doch nicht an, Junge«, seufzte sie.
»Es würde Mama das Herz brechen«, meinte Stella.
Nein, das würde er nicht fertigbringen. Seine Kinder sollten einmal im Sonnenwinkel aufwachsen, das stand für ihn schon fest.
*
Unter Ausschluss der Öffentlichkeit war Conny von Rosch beerdigt worden. Nicht einmal neugierige Zaungäste hatten sich eingefunden. Die Zeit der Roschs war endgültig vorbei, und bald munkelte man, dass sie nach einem anderen Wohnsitz suchten. Niemand bedauerte das.
Henrike hatte einen neuen Wagen bekommen, diesmal auf ihren eigenen Wunsch einen Käfer, weil Fabian auch einen hatte. In der Schule waren sie jetzt doppelt nett zu ihr, obgleich Fabian trotz des Protestes aller Eltern nicht in die Abiturklase zurückkehrte. Ihre Prüfung, in der man ihr wirklich nichts erspart hatte, hatte sie glänzend bestanden und damit auch denen eine Schlappe versetzt, die nicht auf Fabian Rückerts Seite standen.
Ulla erholte sich noch ein paar Tage unter der mütterlichen Fürsorge von Frau von Rieding, dann nahm auch sie wieder am Unterricht teil. Es war ein banger Augenblick, als sie an Henrikes Seite die Klasse betrat. Aber sie wurde nicht anders begrüßt, als wäre sie eben nur mal krank gewesen.
Alles ging seinen Gang, wenngleich sich im Sonnenwinkel neue Aufregungen anbahnten, als eines Mittags, kaum dass sie aus der Schule gekommen waren, vor dem Nachbarhaus ein großer heller Wagen hielt.
»Das ist Herr Ullrich«, erklärte Hannes, der die Ankunft als erster bemerkt hatte, aufgeregt.
»Das ist er«, bestätigte Bambi. »Er sieht genauso aus wie auf dem Bild.«
»Die Zwillinge haben es gar nicht gesagt, dass er kommt«, meinte Hannes.
Für die Zwillinge war es ebenso eine Überraschung wie für Georgia. Sie begrüßten ihren Vater stürmisch, Nonna begrüßte ihn mit einem sichtlichen Aufatmen. Georgia verschwand vorerst in ihrem Zimmer und versuchte, ihrer Erregung Herr zu werden. Damit hatte sie nicht gerechnet.
Arnold Ullrich ließ ihr nicht viel Zeit für Überlegungen. Er trat in ihr Zimmer, als sie sich das Haar bürstete.
»Das ist aber eine Überraschung«, sagte sie mit einem gequälten Lächeln. Die Hand, die sie ihm entgegenstreckte, war eiskalt. Flüchtig zog er sie an seine Lippen.
»Allem Anschein nach keine angenehme für dich«, bemerkte er gleichmütig. »Hübsch ist es hier. Es war wohl das Beste, was Hessler je für dich getan hat.« Beißender Sarkasmus tönte in seiner Stimme. »Dieser charmante Herr wird ja wohl schon hiergewesen sein.«
»Nur kurz«, erwiderte sie tonlos.
»Was hat er für die nächste Zeit geplant?«, fragte er kühl.
»Nichts. Ich habe die Tournee abgesagt. Aber die Kinder werden dir sicher viel zu erzählen haben«, lenkte sie überstürzt ab.
»Du nicht?« Seine Augenbrauen hoben sich leicht. »Damit wir uns recht verstehen, Georgia, ich bin nicht wegen der Kinder hier. Die kann ich mitnehmen, wenn ich will.«
Seine Selbstsicherheit raubte ihr die Fassung. Ihr ohnehin heißblütiges Temperament rebellierte.
»Das kannst du nicht«, brauste sie auf.
Er betrachtete sie mit durchdringendem Blick. »So – wer sollte mich daran hindern? Nonna? Sie wird auch mitkommen, oder glaubst du etwa, dass sie diesen Hessler umsorgen wird?«
Er ist ja eifersüchtig, ging es ihr durch den Sinn, aber seine kühle Miene ließ keine weiche Regung in ihr aufkommen. Sie warf den Kopf in den Nacken. Ihre Augen schleuderten Blitze.
»Wir wollen nicht streiten, Georgia«, begann er wieder, bevor sie noch etwas sagen konnte. »Wir werden uns ganz vernünftig unterhalten, wie es unter Erwachsenen üblich sein sollte. Ich möchte nicht mit der Diva sprechen, sondern mit der Mutter meiner Söhne.«
Sie raffte sich auf. »Nonna ist gewohnt, dass wir pünktlich essen«, sagte sie tonlos.
»Das kommt mir entgegen. Ich habe einen Mordshunger«, erklärte er leichthin. »Außerdem habe ich Nonnas gute Küche lange genug entbehrt.«
»Ob er nun auch hierbleibt?«, überlegte Hannes laut.
»Das sollte deine Sorge nicht sein«, stellte Inge fest. »Was hast du uns für eine Note in Mathematik zu bieten, Herr Sohn?«
»Besser als du denkst, Mami. Rate mal.«
»Da wirst du staunen«, mischte sich Henrike ein. »Euer Sohn macht sich.«
»Doch nicht gar einen Zweier?«, fragte Inge staunend.
»Nö, einen Einser«, erwiderte Hannes stolz. »Jetzt habe ich es begriffen. Und wenn man es mal begriffen hat, ist es gar nicht so schwer.«
»Das macht nur, weil die Zwillinge in Mathematik so gut sind«, neckte Henrike.
»Macht ja auch mehr Spaß, wenn man seine Hausaufgaben nicht allein zu machen braucht. Wenn ihr Vater sie nun wieder mitnimmt?«, fuhr er dann bekümmert fort.
»Sie sind gerade erst eingezogen«, mischte sich Bambi ein. »Und sie haben das Haus doch gekauft.«