Gesammelte Werke. Aristoteles
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Siebentes Kapitel
Da nun die Gegenstände theils allgemeine, theils einzelne sind; (allgemein nenne ich, was von mehreren Gegenständen ausgesagt werden kann und einzeln, wo dies nicht geschehen kann; so ist z.B. Mensch ein Allgemeines, Kallias aber ein Einzelnes), so muss man bei der Aussage, dass etwas ist, oder nicht ist, dies entweder von einem Allgemeinen oder einem Einzelnen aussprechen. Wenn man nun von einem Allgemeinen allgemein aussagt, dass etwas in ihm enthalten ist und dass es nicht, in ihm enthalten ist, so werden diese Aussagen einander entgegengesetzt sein. Ich meine unter: »von einem Allgemeinen etwas allgemein aussagen« es so, wie z.B. jeder Mensch ist weiss, und: kein Mensch ist weiss. Wenn aber die Aussagen zwar von einem Allgemeinen, aber nicht allgemein geschehen, so sind sie einander nicht entgegengesetzt, obgleich das Ausgesagte mitunter entgegengesetzt sein kann. Von einem Allgemeinen etwas nicht allgemein aussagen, meine ich so, wie z.B.: der Mensch ist weiss, oder: der Mensch ist nicht weiss; denn: der Mensch ist zwar ein Allgemeines, aber er wird in der Aussage nicht als ein solches behandelt; denn der Zusatz »jeder« bezeichnet nicht das Allgemeine des Gegenstandes, sondern dass das von ihm Ausgesagte allgemein gelten soll.
Wollte man einem allgemein ausgesagten Allgemeinen etwas allgemein beilegen, so wäre dies nicht richtig; denn keine Bejahung ist wahr, wo von dem allgemein genommenen Allgemeinen etwas allgemein ausgesagt wird, z.B. wenn man sagte: Jeder Mensch ist jedes Geschöpf.
Eine Bejahung steht einer Verneinung dann widersprechend entgegen, wenn jene dem Gegenstande etwas allgemein beilegt und diese nicht-allgemein; z.B. die Aussagen: Jeder Mensch ist weiss, und: nicht-jeder Mensch ist weiss; ferner: kein Mensch ist weiss; und: ein einzelner Mensch ist weiss. Gegentheilig stehen sich die allgemeine Bejahung und die allgemeine Verneinung gegenüber; z.B.: jeder Mensch ist weiss, und: kein Mensch ist weiss; ferner: kein Mensch ist gerecht, und: jeder Mensch ist gerecht. Deshalb können diese gegentheiligen Urtheile nicht beide zugleich wahr sein, während bei den, einem allgemeinen Urtheile widersprechend entgegen stehenden Urtheilen es vorkommen kann, dass mehrere davon gleichzeitig wahr sind; wie z.B. die Urtheile; nicht-jeder Mensch ist weiss, und: ein einzelner Mensch ist weiss.
So weit nun widersprechende Urtheile über ein Allgemeines allgemein lauten, muss eines von beiden Urtheilen wahr und das andere falsch sein und dies gilt auch für widersprechende Urtheile von einem Einzelnen; z.B. Sokrates ist weiss, und: Sokrates ist nicht – weiss. Wenn aber solche Urtheile zwar über ein Allgemeines, aber nicht allgemein lauten, so ist nicht immer das eine wahr und das andere falsch, denn man kann in Wahrheit gleichzeitig sagen, dass der Mensch weiss und der Mensch nicht weiss ist, und dass der Mensch schön und der Mensch nicht schön ist; da, wenn er hässlich ist, er nicht schön ist und wenn er erst schön wird, er noch nicht schön ist. Auf den ersten Blick könnte wohl dergleichen widersinnig erscheinen, weil die Aussage: der Mensch ist nicht-weiss, zu bedeuten scheint, dass kein Mensch weiss sei; allein diese Aussage bedeutet dies nicht und sie bedeutet auch nicht nothwendig, dass beides gleichzeitig statt finde.
Auch ist klar, dass es von jeder Bejahung nur eine Verneinung giebt; denn die Verneinung muss genau dasselbe verneinen, was die Bejahung bejaht und von demselben Gegenstande, sei es ein einzelner oder ein allgemeiner; oder sei von letzterem etwas allgemein ausgesagt, oder nicht. Ich meine dies so, wie z.B. Sokrates ist weiss, – Sokrates ist nicht weiss. Wenn aber der zweite Satz etwas Anderes oder zwar dasselbe, aber von einem andern Gegenstande aussagt, so ist er nicht der Gegensatz, sondern nur ein anderer Satz als der erste. Hiernach sind also Gegensätze: Jeder Mensch ist weiss, und: Nich-jeder Mensch ist weiss; ferner: ein Mensch ist weiss und kein Mensch ist weiss; ferner: der Mensch ist weiss und der Mensch ist nicht-weiss.
Somit habe ich dargelegt, dass einer Bejahung nur eine Verneinung widersprechend entgegensteht und welche dies sind und dass die gegentheiligen Sätze andere sind und welche es sind; ebenso, dass nicht jeder widersprechende Satz entweder wahr oder falsch ist und weshalb nicht, und wenn er entweder wahr oder falsch ist.
Achtes Kapitel
Diejenige Bejahung und Verneinung ist eine, welche nur eins von Einem aussagt; mag dies von einem Allgemeinen allgemein oder nicht allgemein geschehen; z.B.: jeder Mensch ist weiss, – nicht jeder Mensch ist weiss; ferner: der Mensch ist weiss – der Mensch ist nicht weiss; ferner: Kein Mensch ist weiss, – ein Mensch ist weiss. Vorausgesetzt wird hierbei, dass weiss überall nur eines bedeute. Wenn aber zweierlei Dinge denselben Namen haben, ohne dass ein Gemeinsames für sie besteht, so ist weder die Bejahung noch die Verneinung nur eine; wenn z.B. Jemand dem Menschen und dem Pferde den Namen: Mantel gäbe, so wäre die Bejahung: der Mantel ist weiss, nicht eine und auch die Verneinung nicht eine; denn solcher Satz unterscheidet sich nicht von der Aussage: das Pferd und der Mensch ist weiss und diese Aussage unterscheidet sich ferner nicht von der Aussage: das Pferd ist weiss und der Mensch ist weiss. Da nun diese Sätze Mehreres bezeichnen und auch mehrere sind so erhellt, dass auch jener Satz entweder mehreres oder gar nichts bedeutet; denn der Mensch ist kein Pferd. Bei solchen Sätzen ist es daher auch nicht nothwendig, dass, wenn der eine Satz wahr ist, der widersprechende Satz falsch sei.
Neuntes Kapitel
Bei den seienden und gewordenen Dingen muss also die Bejahung oder die Verneinung wahr oder falsch sein und es muss bei den von einem Allgemeinen allgemein ausgesagten Bejahungen und Verneinungen immer die eine wahr und die andere falsch sein, und dies gilt auch, wie ich schon gesagt habe, dann, wenn die Bejahung oder Verneinung nur einen einzelnen Gegenstand betrifft. Dagegen ist dies bei den von einem Allgemeinen nicht allgemein ausgesagten Sätzen nicht nothwendig; auch hierüber habe ich schon gesprochen.
Bei den einzelnen erst kommenden Dingen verhält es sich aber nicht ebenso. Denn wenn hier jede Bejahung und Verneinung ohne Ausnahme wahr oder falsch wäre und Alles entweder sein oder nicht-sein müsste und nun der Eine sagte, es werde sein, der Andere aber, es werde nicht sein, so ist klar, dass dann einer von beiden nothwendig die Wahrheit sagte, wenn nehmlich jede Bejahung und Verneinung entweder wahr oder falsch wäre; denn beides wird bei solchen Dingen nicht zugleich stattfinden. Wenn man nehmlich in Wahrheit sagen kann, dass etwas weiss oder nicht weiss sei, so muss auch der Gegenstand weiss oder nicht weiss sein und ebenso muss, wenn der Gegenstand weiss oder nicht weiss ist, man in Wahrheit dies bejahen oder verneinen können. Wenn der Gegenstand nicht weiss ist, so ist die Aussage dass er weiss ist, falsch und wenn diese Aussage falsch ist, so ist der Gegenstand nicht weiss; also muss nothwendig die Bejahung oder Verneinung wahr oder falsch sein. Wenn nun dies auch für die erst kommenden Dinge gelten sollte, so würde oder wäre nichts aus Zufall, oder so, wie es sich gerade trifft und dies gälte auch für das erst in Zukunft Werdende. Alles würde vielmehr aus Nothwendigkeit und nicht wie es sich gerade trifft. Denn entweder spricht der Bejahende oder der Verneinende wahr und dem entsprechend wird auch der Gegenstand oder wird nicht, während das Zufällige der Art ist, dass es weder mehr so, wie nicht so sich verhält oder verhalten wird.