Gesammelte Werke. Aristoteles

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke - Aristoteles страница 36

Gesammelte Werke - Aristoteles

Скачать книгу

herbeigeführt worden, so liegt ein Unglück vor; ist sie aber nicht ganz unabsichtlich, aber doch nicht aus böser Absicht geschehen, so ist es eine Verfehlung. Denn eine Verfehlung liegt vor, wenn die erste Ursache des Vorgangs im Handelnden selbst liegt, ein Unglück dagegen, wo sie außer ihm liegt.

      Hat man zwar wissentlich gehandelt, aber ohne vorherige Überlegung, so ist es eine ungerechte Handlung, z. B. alles, was dem Menschen im Zorn oder in anderen notwendigen oder natürlichen Affekten zu tun begegnen kann. Denn wenn man in dieser Weise einen schädigt und sich verfehlt, so tut man zwar unrecht und liegt eine ungerechte Handlung vor, aber man ist doch deswegen noch kein Ungerechter und kein Bösewicht, da die Schädigung nicht aus Bosheit geschehen ist.

      Handelt man aber mit Vorsatz, so ist man ein ungerechter und böser Mensch.

      Daher heißt es treffend: »Im Zorn getan, gilt nicht als vorbedacht getan.« Denn der Anfang der Handlung liegt nicht in dem, der im Zorn handelt, sondern in dem, der ihn zornig gemacht hat. Ferner streitet man auch in solchen Fällen nicht darüber, ob etwas wirklich geschehen ist oder nicht, sondern darüber, ob es recht war. Denn der Zorn wird durch eine vermeintliche Ungerechtigkeit hervorgerufen. Man streitet ja hier nicht über die Tatsache wie bei Verträgen, wo der eine der Kontrahenten ein schlechter Mensch sein muß, wenn er nicht etwa seine entgegengesetzte Behauptung aus Vergeßlichkeit aufstellt, sondern über die Tatsache herrscht Einverständnis, und der Streit bewegt sich nur darum, ob etwas recht gehandelt war oder nicht. Der Betrüger aber weiß den Sachverhalt recht wohl, und so meint der eine wirklich Unrecht zu leiden, der andere nicht.

      (1136a) Wenn man einen aber vorsätzlich schädigt, so begeht man eine Ungerechtigkeit. Und erst wer in diesem Sinne Unrecht begeht, ist ungerecht, wenn was er tut, gegen die Proportionalität oder die Gleichheit anläuft. Ebenso ist man gerecht, wenn man vorsätzlich gerecht handelt. Gerecht handelt man aber, wenn man nur freiwillig handelt. Die unfreiwilligen Handlungen aber sind teils solche, die Nachsicht verdienen, teils solche, die Nachsicht nicht verdienen. Nachsicht verdienen fehlerhafte Handlungen, wenn sie nicht blos in Unwissenheit, sondern auch aus Unwissenheit geschehen. Keine Nachsicht dagegen verdienen jene fehlerhaften Handlungen, die nicht aus Unwissenheit geschehen, sondern zwar in Unwissenheit, aber einer solchen, die durch eine weder natürliche noch menschliche Leidenschaft verschuldet ist.

      Elftes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      »Getödtet hab' ich meine Mutter, kurz gesagt,

       Sie wollt', ich wollte – nein, sie wollt', ich wollte nicht«;

      ob es nämlich in Wahrheit möglich ist, mit Willen Unrecht zu leiden, oder ob nicht vielmehr alles Unrechtleiden unfreiwillig ist, wie alles Unrechttun freiwillig. Und ist etwa alles (Unrechtleiden) dies, oder (alles) jenes, wie alles Unrechttun freiwillig, oder ist es bald freiwillig, bald unfreiwillig?

      Sodann wirft die gleiche Frage sich beim Rechtleiden auf. Alles Rechttun ist nämlich freiwillig, und so scheint die Annahme begründet, daß zu beidem (dem Unrecht- und Rechttun) das Unrecht- und Rechtleiden in Bezug auf Freiwilligkeit und Unfreiwilligkeit sich gleichmäßig umgekehrt verhält. Es erschiene auch beim Rechtleiden als Ungereimtheit, wenn es immer freiwillig sein sollte, da manche auch ihr Recht gar nicht freiwillig erleiden.

      Es liegt auch noch insofern Anlaß zu Bedenken vor, als man zweifeln kann, ob jeder, der erlitten hat was Unrecht ist, auch Unrecht leidet, oder ob es sich nicht vielmehr mit dem Erleiden ebenso wie mit dem Tun verhält. Man kann ja an beiden Weisen des Rechts (dem Tun und Leiden) mitfolgend Anteil haben, wie auch an den beiden Weisen des Unrechts. Etwas Unrechtes tun ist ja nicht dasselbe mit Unrechttun, etwas Unrechtes erleiden nicht dasselbe mit Unrechtleiden. Und dieselbe Bewandtnis hat es mit dem Rechttun und Rechtleiden. Denn es ist unmöglich, Unrecht zu leiden, wenn niemand ist, der Unrecht tut oder sein Recht zu leiden, wenn niemand ist, der recht tut.

      Und, wenn Unrechttun nichts weiter ist, als freiwillig einen schädigen, und freiwillig schädigen so viel ist, als schädigen mit Erkenntnis der geschädigten Person und des Mittels und der Weise der Schädigung, und wenn z. B. der Unenthaltsame freiwillig sich selber schädigt, so leidet er demnach freiwillig Unrecht, und so wäre es möglich, sich selbst Unrecht zu tun – das ist auch noch eine Schwierigkeit, die der Lösung harrt, ob man sich selbst Unrecht tun kann.

      (1136b) Ferner, man kann sich aus Unenthaltsamkeit freiwillig von einem anderen, der ebenfalls freiwillig handelt, Schaden zufügen lassen, so daß es also möglich wäre, mit Willen Unrecht zu leiden.

      Oder sollte etwa die gegebene Bestimmung nicht richtig sein, sondern zu der Bedingung, daß die Schädigung mit Erkenntnis der geschädigten Person und des Werkzeugs und des Wie geschehen muß, noch als weitere gehören, daß sie gegen den Willen des Geschädigten erfolgen muß? Geschädigt werden demnach und materielles Unrecht leiden kann man mit Willen, aber förmliches Unrecht leidet niemand mit Willen. Denn das will niemand, auch der Unenthaltsame nicht, vielmehr handelt derselbe nur gegen seinen eigenen Willen. Einerseits will ja niemand solches, was er nicht für tugendhaft hält, und anderseits tut der Unenthaltsame nicht, was er selber glaubt tun zu sollen. Wer aber das Seinige hingibt, wie Homer den Glaukus dem Diomedes geben läßt:

      »Die goldene Rüstung für Erz;

      der leidet kein Unrecht; denn es steht bei ihm zu geben, Unrecht zu leiden aber steht nicht bei uns, sondern dazu gehört, daß Einer sei, der Unrecht tut.

      So erhellt denn, daß das Unrechtleiden nicht freiwillig ist.

      Zwölftes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Noch sind von den Fragen, die wir uns zur Besprechung vorgesetzt haben, zwei zu erledigen, die eine, ob etwa Unrecht tut wer mehr als billig austeilt, oder wer mehr als billig empfängt; die andere, ob man sich auch selbst Unrecht tun kann.

      Bezüglich der ersten Frage erhebt sich folgendes Bedenken. Wenn es so sein kann, wie wir oben gesagt haben, daß der, der zuviel austeilt, nicht der, der zuviel erhält, Unrecht tut, so tut einer, wenn er dem anderen mit Wissen und Willen mehr zuteilt als sich, sich selbst Unrecht. Nun aber sind es erfahrungsmäßig grade die bescheidenen Charaktere, die so zu handeln pflegen. Der billige Mann ist ja sich selbst zu verkürzen geneigt. Oder ist es mit der Selbstverkürzung doch nicht so schlechthin richtig? Der Betreffende gewinnt nämlich etwa bei Gelegenheit ein Mehr an anderem Gut, an Ehre z. B. oder sittlichem Verdienste. Eine weitere Lösung dieser Schwierigkeit ergibt sich aus der gegebenen genaueren Bestimmung des Unrechttuns. Dem Manne, an den wir denken, geschieht nichts gegen seinen vernünftigen Willen, daher er auch wegen seiner Liberalität kein Unrecht, sondern, wenn man denn will, nur einen Schaden erleidet.

      Es ist aber auch aus positiven Gründen klar, daß immer der zuviel Austeilende, nicht der Empfänger, Unrecht tut.

      Nicht der, bei dem sich Ungerechtes vorfindet, sondern der, von dem es wahr ist, daß er dies mit Willen herbeigeführt

Скачать книгу