Gesammelte Werke. Aristoteles

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Gesammelte Werke - Aristoteles

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verhalten können und die nicht ihre greifbare Bestimmung haben, und zwar eine solche, die ein für den Menschen erreichbares Gut darstellt. Der Mann der guten Überlegung schlechthin aber ist wer durch Nachdenken das größte durch Handeln erreichbare menschliche Gut zu treffen weiß.

      Auch geht die Klugheit nicht bloß auf das Allgemeine, sondern auch auf die Erkenntnis des Einzelnen. Denn sie hat es mit dem Handeln zu tun, das Handeln aber bezieht sich auf das Einzelne und Konkrete. Daher sind auch manche, die keine Wissenschaft haben, praktischer oder zum Handeln geschickter als andere mit ihrem Wissen; besonders sind dies die Leute mit viel Erfahrung. Denn wenn z. B. jemand wüßte, daß leichtes Fleisch gut verdaulich und gesund ist, ohne aber zu wissen, welches Fleisch leicht ist, so würde er damit keinen gesund machen, wohl aber wird es derjenige vermögen, der weiß, daß Vogelfleisch leicht und gesund ist. Die Klugheit ist aber praktisch, und darum muß man beides, Kenntnis des Allgemeinen und des Besondern, haben oder, wenn nur eines, lieber das letztere.

      Es gibt aber auch wohl hier, in den irdischen und menschlichen Dingen, ein architektonisches, leitendes Vermögen. Die Staatskunst und die Klugheit sind nämlich im Grunde ein und derselbe Habitus, jedoch ist ihr Sein oder ihr Begriff nicht ein und derselbe. Von der auf den Staat gerichteten Klugheit ist aber der leitende und führende Teil diejenige Klugheit, die sich in der Gesetzgebung betätigt. Diejenige aber, die sich mit dem Einzelnen befaßt, hat den gemeinsamen Namen Staatskunst, und sie ist praktische und überlegende Klugheit. Denn die Stimmabgabe ist das Letzte, was es im politischen Handeln gibt. Darum bezeichnet man nur diejenigen, die es hiermit zu tun haben, als Staatsmänner, da nur sie im Staatsleben eigentlich und unmittelbar nach Art der Handwerker handeln.

      Klugheit scheint vorzüglich jene zu sein, die sich auf die eigene und eine Person bezieht. Sie behält den gemeinsamen Namen Klugheit. Von jenen ihren Arten aber, die sich auf eine Vielheit von Personen beziehen, ist die eine die Ökonomie oder Haushaltungskunst, die andere die Gesetzgebungskunst und die dritte die Staatskunst, und diese ist wiederum teils beratende, teils richterliche Staatskunst.

      Neuntes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      So ist denn die richtige Auffassung dessen, was der eigenen Person frommt, wohl sicher eine besondere Art (1142a) der Einsicht, aber die Meinungen über sie sind sehr geteilt. Es hat nämlich einen Schein, als ob der, der sich selbst gut zu beraten weiß und für sein eigenes Beste sorgt, der wirklich kluge Mann wäre, neben ihm aber die politisch Tätigen übelberatene Leute, die sich viel zu tun machen, weshalb Euripides sagt:

      »Wie wär' ich klug, der ohne Not und Plackerei,

       Als einer zählend in der Menge unsres Heers,

      Man sucht nämlich für gewöhnlich was für einen selbst gut ist, und vermeint, auf solches seine Tätigkeit richten zu sollen, und dieser Meinung ist dann die Vorstellung entsprungen, daß Leute dieses Schlages klug sind.

      Freilich könnte man auch die Frage aufwerfen, warum eigentlich ein Knabe ein Mathematikus werden kann, aber kein Weiser oder Naturphilosoph. Doch wohl nur darum, weil das Objekt der Mathematik ein Abstraktum ist, wogegen die Prinzipien der genannten beiden Disziplinen aus der Erfahrung stammen. Hier bringen es die jungen Leute zu keiner eigenen Überzeugung, sondern nur zu Behauptungen, während sie sich die mathematischen Begriffe wohl klar zu machen wissen.

      Daß aber die Klugheit in eigenen Dingen auch einen Blick fürs Ganze fordert, ergibt sich auch insofern, als ein Irrtum beim Überlegen entweder das Allgemeine oder das Besondere betrifft. Man weiß z. B. entweder nicht, daß alle schwergehaltigen Wasser schlecht sind, oder daß dieses bestimmte Wasser schwer ist.

      Zehntes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Wissenschaft ist sie offenbar nicht. Denn was man weiß, (1142b) danach sucht man nicht; die Wohlberatenheit ist aber eine Art Beratschlagung, und wer beratschlägt, sucht und schließt.

      Ebensowenig ist sie ein richtiger Takt. Denn dieser sucht nicht nach Gründen und bedarf keiner Zeit. Zum Beraten aber gehört viele Zeit, und es ist ein bekanntes Wort, man müsse was man beraten und beschlossen, unverweilt ausführen, zum Beraten aber sich Zeit gönnen. Auch von der schnellen Auffassung oder Findigkeit ist die Wohlberatenheit verschieden, da doch die Findigkeit eine Art von richtigem Takt ist.

      Da vielmehr wer sich übel berät, fehlt, und wer sich wohl berät, sich richtig berät, so ist Wohlberatenheit offenbar eine gewisse Richtigkeit, aber eine Richtigkeit weder des Wissens noch der Meinung. Denn dem Wissen kommt nicht noch eine besondere Richtigkeit zu, weil es auch keine Verkehrtheit erträgt, bei der Meinung aber ist Richtigkeit gleich Wahrheit; zugleich steht auch schon alles, was man meint, subjektiv fest.

      Aber die Wohlberatenheit entbehrt auch nicht der Gründe und des Denkens. Mithin bleibt nur übrig, daß sie zum Nachdenken gehört, das ja noch kein Behaupten ist. Denn die Meinung ist kein Suchen, sondern schon ein Behaupten, wohl aber ist es von dem, der sich berät, tue er dieses nun gut oder schlecht, wahr, daß er nach etwas sucht und Überlegungen anstellt.

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