Mami Staffel 2 – Familienroman. Gisela Reutling
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»Was? Bei diesem Wetter?«
»Ja, weil sie Angst um ihre geliebte Clara hatte. Die war nirgends zu entdecken, so daß Gritli zur Alm abstieg und den Onkel suchte. Der war auch nicht da. Ihrer Mutter hatte er gesagt, er sei im Holz.«
»Ja, ich weiß. Aber das war geschwindelt. Er war mit Clara unterwegs. Sie wollten endlich mal einen Tag allein sein.«
»Nur wußte Gritli das nicht. Und weil sie Clara nirgends fand, ist sie im Hagelsturm ganz zur Ludwigshöhe gerannt. Weil sie Clara dort auch nicht fand, hat Gritli in ihrer Panik den Mann vom Kiosk angefleht, die Bergwacht zu alarmieren.« Barbara sah Thilo bedeutungsvoll an.
Der nickte. »Ich wußte doch, daß sie überall hingelangt. Ist sie dort geblieben?«
»Nein, sie ist zurück zum Berghof, immer in der Hoffnung, Clara sei inzwischen wieder im Häuschen. Es muß furchtbar gewesen sein, denn Agnes hat sie zu allem Überfluß auch noch gescholten.«
»Wissen Sie, Barbara, wenn meine Mutter gern schimpft und murrt, so weiß Gritli doch damit fertig zu werden. Seit dem Tod meiner Frau ist meiner Mutter ein Herz aus Stein gewachsen. Jahrelang lastete zuviel auf ihren alten Schultern. Zuviel, um Gritli noch Liebe entgegenzubringen.«
Barbara hätte gern widersprochen. Sie unterließ es. »Es geht nicht mal um Ihre Mutter, Thilo«, sagte sie nur leise.
Es war die Atmosphäre dieses Raumes und das ruhige, offene Gespräch über Gritli, das die beiden einander doch ein wenig näherbrachte. Es fiel ihnen gar nicht auf, daß sie sich beim Vornamen nannten wie alte Freunde.
»Um wen denn?« Sein Blick ruhte aufmerksam auf ihr, denn der Klang ihrer Stimme ließ ihn vergessen, daß er die böse Lehrerin vor sich hatte.
»Um Ihren Bruder. Die Bergwacht hat nach Vorschrift darauf bestanden, ihn und Clara Baumbeer unversehrt zurückzubringen.«
»Die beiden sind also gefunden worden? Wo steckten sie denn?«
»In der Hütte Jägerwinkl, wo sie gemeinsam die Nacht verbringen wollten.«
Thilo lachte auf. »So, so. Das wissen Sie auch schon. Von wem?«
»Darüber lachen Sie? Das war nicht komisch, Thilo. Denn Clara hat es selbst eingestanden, nein, eher hat sie ’s herausgeschrien, als Sepp begriff, daß Gritli die Bergwacht gerufen und ihn in diese beschämende Situation vor seiner Mutter gebracht hat. Wie auf einen Sündenbock ist er auf das hilflose Kind los, aber so heftig und grob, daß Clara dazwischenfuhr! Ich machte mir auch Vorwürfe, daß ich mit Gritli die Kammer verlassen und wieder hinunter in die Küche gekommen war. Clara verstand mich. Und darum bat sie mich, Gritli fortzubringen.«
Thilo fuhr sich durch die Haare. »Ich verstehe Sepp. Er war blamiert und fühlte sich dem Zorn meiner Mutter ausgeliefert. Darum rächte er sich an Gritli.«
»Das verstehen Sie? Ihre Tochter Gritli hat vor Angst um Clara doch das einzig Richtige getan. Konnte sie wissen, wie schwer es ihrem Onkel fällt, seine Liebe zu Clara einzugestehen?« Sie holte tief Luft. »Wirklich! Die Heimhofers sind eine schreckliche Familie.«
»Sie meinen meinen Bruder Sepp? Ja. Er kann ungerecht und unbeherrscht sein.«
Barbara setzte sich wieder. Sie sah ihn lange an. »Wie konnten Sie Ihr Kind nur sechs Jahre dort oben bei diesem Mann und dieser Großmutter lassen? Nicht mal die hat Gritli verteidigt, als Sepp ausrastete!«
Er hob die Hände und legte sie vors Gesicht. »Ich kann ’s nicht ändern. Agnes beherrscht uns alle. Clara wird es auch nicht ertragen!«
»Ach? Das ist Ihre Sorge? Denken Sie nicht an Ihr Kind? Wird Gritli jemals wieder mit Sepp unter einem Dach leben können? Das sollten Sie sich fragen!« Sie bemerkte, daß seine Schultern zuckten. »Clara ist in Ordnung, sie bat mich, Gritli solange bei mir zu behalten, bis der Konflikt zwischen ihr, Sepp und Agnes bereinigt ist. Dazu bin ich gern bereit, vorausgesetzt, Sie sind einverstanden.«
Barbara wartete auf seine Antwort. Endlich, sehr langsam sanken seine Hände herab. »Das kann Wochen, Monate, Jahre dauern.«
»Das juckt mich nicht, wenn Gritli bleiben will.«
»Aber… ob sie bleiben will?«
Da reichte Barbara ihm die Hand und zog ihn ins Nebenzimmer. Dort lag Gritli in einem breiten französischen Bett zwischen Kissen hingekuschelt. Ihre Zöpfe waren gelöst, das feine blonde Haar breitete sich über die Blümchen auf der Bettwäsche. Ihre Wangen waren rosig, und ihr Atem ging ruhig. Nichts deutete auf die Strapazen und den Kummer des vergangenen Tages hin.
»Gritli?« flüsterte Thilo, bevor Barbara ihn daran hindern konnte. »Gritli, ich bin ’s, dein Papi!«
Ihre geschlossenen Lider zuckten, dann schlug sie die Augen auf. Ein glückliches Lächeln huschte über ihre Lippen. »Clara ist nichts geschehen, Papi«, murmelte sie verschlafen, aber zufrieden.
»Ja, ich weiß. Das hast du gut gemacht, mein Schatz.«
Sie bewegte den Kopf, um zu verneinen. »Sepp war ganz schlimm. Nur Clara…«
»Es wird ihm jetzt schon leid tun. Davon bin ich überzeugt.«
»Geht Clara nun fort, Papi?«
Thilo wechselte einen Blick mit Barbara, dann hob er die Schultern. Diese Antwort mußten sie schuldig bleiben.
»Wenn sie nicht bleiben kann, Gritli, werden wir sie eines Tages zusammen besuchen«, versprach Barbara plötzlich.
Das kam so unerwartet, daß Thilo sie erstaunt ansah. Sie lächelte, und er erwiderte das Lächeln verwirrt. Als er sich danach seiner Tochter zuwandte, war die schon wieder in tiefen Schlummer gesunken.
»Soll Ruppert Sie zum Berghof fahren?« fragte Barbara, als er sich Minuten später verabschiedete. Thilo schüttelte den Kopf.
»Das mute ich ihm nicht zu. Ich will auch lieber allein sein, Barbara. Dort oben erwartet mich ein Drama. Ich habe es vorausgesehen, aber ich bin noch nicht darauf vorbereitet. Meine Mutter wird Gift und Galle spucken, und noch weiß ich nicht, was ich dem entgegensetzen soll.«
»Warum verabscheut Ihre Mutter Clara Baumbeer so?«
Er sah zu Boden. »Agnes will keine zweite Städterin auf dem Hof.«
»Aber Clara wirkt wie eine Frau, die mit allem fertig werden kann!«
Thilo hob den Kopf. Ihre Blicke verfingen sich. »Als bei Hannerl damals die Wehen begannen, riefen wir die Hebamme aus dem Dorf. Ich wollte den Arzt dazuholen, aber Hannerl wollte es meiner Mutter immer alles rechtmachen und deshalb ohne ärztliche Hilfe auskommen. Sie wollte ihr ja immer beweisen, daß sie alles so schaffte wie Agnes. Ich war krank vor Angst, aber schon damals konnte ich mich nicht durchsetzen. Dabei ging es doch um meine geliebte Frau.«
»Agnes war stärker, nicht wahr?«
Er nickte traurig. »Als wir den Arzt doch noch geholt hatten, war es zu spät. Bis das Hannerl von oben nach Oberau in die Klinik transportiert wurde, vergingen zwei Stunden. Für sie blieb