Gesammelte Werke von Dostojewski. Федор Достоевский
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Gesammelte Werke von Dostojewski - Федор Достоевский страница 182
›Natürlich‹, murmelte er nach einer kleinen Weile in dem Gefühle, daß er sich selbst entehrt habe, vor sich hin, ›natürlich lassen sich alle diese Gemeinheiten jetzt nie mehr wieder beschönigen und gutmachen, … folglich hat es keinen Zweck, daran auch nur noch zu denken; sondern ich habe eine stumme Rolle zu spielen und … meine Pflicht zu erfüllen, schweigend, und … und ich darf nicht um Verzeihung bitten und darf überhaupt nicht davon reden, und … und natürlich ist nun alles für mich verloren!‹
Dessenungeachtet musterte er beim Ankleiden seinen Anzug sorgsamer als sonst. Einen andern Anzug besaß er nicht, und hätte er einen andern gehabt, so hätte er ihn vielleicht doch nicht angezogen, absichtlich nicht. Andrerseits mochte er auch nicht wie ein Strolch und Schmutzfink auftreten; er durfte die Gefühle andrer nicht verletzen, um so weniger, da diese andern ihn nötig hatten und ihn selbst zu sich beriefen. Daher reinigte er seine Kleider auf das sorgfältigste mit einer Bürste. Seine Wäsche war immer leidlich; in dieser Hinsicht war er besonders auf Sauberkeit bedacht.
Auch wusch er sich an diesem Morgen gründlicher – er hatte sich von Nastasja Seife geben lassen –; er wusch sich das Haar, den Hals und namentlich die Hände. Als aber die Frage an ihn herantrat, ob er seine Stoppeln wegrasieren sollte oder nicht (Praskowja Pawlowna besaß vorzügliches Rasierzeug, das noch von ihrem seligen Gatten, Herrn Sarnizyn, herrührte), so entschied er diese Frage sogar mit einem gewissen Ingrimm in verneinendem Sinne: ›Mag es bleiben, wie es ist! Wenn die etwa denken, ich hätte mich rasiert, um … und bestimmt würden sie das denken! Nein, um keinen Preis! – Das schlimmste ist, daß ich so ein ungeschliffener, schmutziger Patron bin und solche Kneipenmanieren an mir habe, … ich weiß ja freilich, daß ich wenigstens ein leidlich anständiger Mensch bin; na, aber damit kann man doch nicht prahlen, daß man ein anständiger Mensch ist. Ein anständiger Mensch muß eben jeder sein, und noch ein bißchen mehr, und … und ich habe doch auch schon dies und das angestellt, … nicht eigentlich etwas Ehrloses, aber doch … Und was habe ich manchmal für Gedanken im Kopfe gehabt! Hm! All das mit Awdotja Romanowna in Parallele zu stellen, das ist ja Verrücktheit! Na, hol´s der Teufel! Mir ganz egal! Nun will ich mich gerade als recht schmutziger, schmieriger Kneipenbruder zeigen und mich um nichts scheren! Nun gerade!‹
Bei solchen Selbstgesprächen traf ihn Sossimow an, der in Praskowja Pawlownas Wohnstube die Nacht zugebracht hatte.
Er wollte nun nach Hause gehen, vorher aber noch einmal nach dem Kranken sehen. Rasumichin berichtete ihm, daß dieser wie ein Murmeltier schlafe. Sossimow ordnete an, daß er nicht geweckt werden sollte, ehe er nicht von selbst aufwache; er versprach, selbst nach zehn Uhr wieder mit heranzukommen.
»Wenn ich ihn dann nur zu Hause treffe«, fügte er hinzu. »Eine tolle Geschichte: so ein Kranker läßt sich von seinem Arzte nichts sagen, und da soll man ihn behandeln! Weißt du vielleicht, ob er zu denen geht oder die hierherkommen?«
»Ich glaube, die kommen hierher«, erwiderte Rasumichin, der den Zweck der Frage verstand, »und natürlich werden sie über ihre Familienangelegenheiten sprechen. Ich mache mich dann davon. Du, als Arzt, hast selbstverständlich weitergehende Rechte als ich.«
»Ein Beichtvater bin ich auch nicht; ich werde kommen, aber baldigst wieder gehen; ich habe mit meiner sonstigen Praxis genug zu tun.«
»Eines beunruhigt mich«, unterbrach ihn Rasumichin mit finsterem Gesichte, »ich habe ihm gestern in meiner Trunkenheit unterwegs allerlei Dummheiten vorgeschwatzt, … unter anderm habe ich ihm von deiner Befürchtung gesagt, … von deiner Befürchtung, daß sich bei ihm eine Geisteskrankheit entwickeln könnte.«
»Auch zu den Damen hast du gestern davon geplaudert.«
»Ich weiß, daß das dumm von mir war! Meinetwegen prügle mich dafür! Aber sage mal, glaubtest du das im Ernst?«
»Ach, Unsinn! Wie werde ich das denn im Ernst glauben! Du selbst hast ja, als du mich zu ihm holtest, es so dargestellt, als sei er von einer fixen Idee besessen … Na, und gestern haben wir die Sache noch verschlimmert, das heißt du, durch deine Erzählungen von dem Malergesellen; ein sehr geeignetes Gespräch, wenn möglicherweise sein Fieber und Irrereden von diesem Anlaß herrührt! Hätte ich genau gewußt, was damals im Polizeibureau passiert war, und daß ihn da so eine Kanaille mit diesem Verdachte beleidigt hatte, hm, dann hätte ich gestern ein solches Gespräch nicht geduldet. Leute mit einer derartigen fixen Idee machen ja aus einer Mücke einen Elefanten und sehen in wachem Zustande die unglaublichsten Dinge leibhaftig vor sich … Gestern ist mir aus Sametows Erzählung die Sache schon so halb und halb verständlich geworden. Es kommen noch seltsamere Dinge vor! Ich kenne einen Fall, wo ein Hypochonder, ein Mann von vierzig Jahren, nicht imstande war, es zu ertragen, daß ein achtjähriger Knabe sich täglich bei Tische über ihn lustig machte; er ermordete ihn deswegen! Und nun in vorliegendem Falle: er in Lumpen, ein frecher Polizeibeamter, eine sich entwickelnde Krankheit, und nun dazu so eine Verdächtigung! Bei einem so krassen Hypochonder! Mit einem rasenden, grenzenlosen Ehrgefühl! Da steckt vielleicht der eigentliche Ausgangspunkt der Krankheit. Na, hol die ganze Geschichte der Kuckuck! … Apropos, dieser Sametow ist ja wirklich ein ganz netter junger Mensch; aber … hm! … er hätte das gestern nicht alles zu erzählen brauchen. Ein rechter Schwatzmichel!«
»Wem hat er es denn erzählt? Doch nur dir und mir!«
»Und Porfirij.«
»Na, und wenn er es auch dem erzählt hat, was schadet das?«
»Was ich noch sagen wollte: hast du irgendwelchen Einfluß auf die beiden, ich meine auf die Mutter und die Schwester? Sie sollten ihn heute recht vorsichtig behandeln …«
»Sie werden sich schon vertragen!« antwortete Rasumichin mißmutig.
»Und warum ist er nur so ergrimmt auf diesen Lushin? Er ist doch ein wohlhabender Mann, und ihr scheint er nicht unangenehm zu sein, … und sie stecken ja in arger Geldklemme? Nicht wahr?«
»Wozu fragst du mich aus?« rief Rasumichin gereizt.
»Woher soll ich wissen, ob sie sich in Geldklemme befinden oder nicht? Frage sie