Leni Behrendt Staffel 6 – Liebesroman. Leni Behrendt
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Leni Behrendt Staffel 6 – Liebesroman - Leni Behrendt страница 47
In Waldwinkel hatte man alles zum Einzug des neuen Herrn festlich gestaltet. Der Baron konnte mit Rührung feststellen, wie sehr die Beamten und Arbeiter ihm jetzt schon zugetan waren. Mit solchen Leuten zu arbeiten würde natürlich eine Freude sein.
*
»Wie ich sehe, Mama, hast du nichts erreichen können«, fragte Gerswint ihre Mutter, die von einem Gang zum Rechtsanwalt zurückkehrte. Frau Elisa schüttelte den Kopf und ließ sich müde in einen Sessel sinken.
Doch nur einen Augenblick war sie mutlos, dann straffte sich ihre Gestalt, vielleicht noch etwas selbstbewußter als sonst. Ihr Blick streifte ihre Kinder, die sie erwartungsvoll ansahen.
»Nein, ich habe nichts erreichen können«, sagte sie hart. »Vom rechtlichen Standpunkt aus ist das Testament unanfechtbar; das ist mir heute restlos klargeworden. Man behauptet, daß Swen den Onkel kurz vor dessen Tode kennengelernt hat. Der Arzt, Sanitätsrat Melch, hat geschworen, daß Leopold von Hellersen bis zu seinem Tode bei klarem Verstand gewesen ist. Man gab mir noch den guten Rat, nichts weiter in der Sache zu unternehmen, weil ich nur Geld ausgeben und doch nichts erreichen würde. Und das glaube ich nämlich auch; Swen hat alles bis ins kleinste ausgetüftelt.«
»Also müssen wir wirklich in das öde Waldhaus ziehen?«
»Das müssen wir, Gerswint, wenn wir nicht verhungern wollen.«
»Und die Summe, die auf deinen Antrag hin für mein Studium freigegeben werden sollte?« fragte Bolko.
»Ist abgelehnt, mein Sohn. Du kannst also Schuhe putzen gehen, wenn du Lust dazu hast, während der Herr Baron…«
Sie lachte auf. Es war ein bitteres Lachen, das ihren Kindern durch und durch ging.
»Hat Alf etwas von sich hören lassen?« fragte sie dann kurz. Und als Gerswint verneinte, nickte sie vor sich hin.
»Ja, ja, Kinder, das ist nun das Ende. Begrabt nur all euer Wünschen und Hoffen, auf etwas mehr oder weniger kommt es wirklich nicht mehr an.«
Sie fuhr herum und starrte Edna an, die den Kopf auf die verschränkten Arme warf und bitterlich weinte. Sie wollte das Mädchen schroff anfahren, seufzte jedoch nur tief auf und verließ das Zimmer.
In den nächsten Tagen gab es viel Arbeit in der eleganten Stadtwohnung. Der ganze Haushalt mußte aufgelöst werden, was gewiß keine Kleinigkeit war. Um so mehr noch, da Frau Elisa sich nie um etwas gekümmert, sondern alles den Dienstboten überlassen hatte. Die überflüssigen Möbel mußten verkauft werden. Da es sich durchweg um kostbare Stücke handelte, brachten sie noch eine Summe, die Frau Elisa als Notgroschen zurücklegte.
Müde und erschöpft von der ungewohnten Arbeit von dem Wirrwarr, in dem sie seit Tagen gelebt, verdrießlich und verbittert, verließen sie an einem unfreundlichen Regentage in einem Mietsauto Königsberg, um nach dem Waldhause zu fahren. Den Wagen, in dem sie zur Beerdigung Onkel Leopolds gefahren waren, hatten sie längst abgegeben, da sie ein so teures Gefährt ja niemals bezahlen konnten.
Es war ein richtiges »Dreckwetter«, als man der neuen Heimat zufuhr. Und die Worte: »Zum Abschiednehmen just das rechte Wetter, grau wie der Himmel liegt vor mir die Welt«, haben selten so gepaßt wie hier. Es herrschte eine drückende Trauerstimmung im Wagen, so sehr sich auch jeder zusammennahm, um dem andern seine wahre Gemütsstimmung zu verbergen.
Aus dem behaglichen, abwechslungsreichen Stadtleben hinaus in die Öde und Einsamkeit eines primitiven Waldhauses, knappste Geldmittel zur Verfügung, die nicht weiter reichten als dazu, das Leben zu fristen. Das war das Gespenst, das vom Morgen bis zum Abend bei ihnen saß, sie angrinste und ihnen alle Lebensfreude nahm. Und selbst der kleinen Elke, die mit ihren zehn Jahren diese tief einschneidende Schicksalswende noch nicht in vollem Umfange erfassen konnte, war erbärmlich elend zumute.
Hätte die Sonne geschienen und alles ringsum mit ihrem goldenen Schimmer überstrahlt, so wäre ihnen die neue Heimat nicht so trostlos erschienen wie jetzt, da sie im Regenwetter grau in grau vor ihnen lag.
Das Haus machte mit seinen leeren, düsteren Fenstern einen wenig einladenden Eindruck. Die Bäume des Waldes waren so dicht in Nebel gehüllt, daß sie kaum erkennbar wie unheimliche Schatten zu den neuen Bewohnern hinüberdrohten.
Schließlich goß es sogar in Strömen, so daß die niedergeschlagene Familie Hellersen sich kaum dazu entschließen konnte, das Auto zu verlassen. Endlich flüchteten sie in den kleinen Flur, wo sie zagend und frierend dicht aneinandergedrängt standen.
Stunde um Stunde verbrachten sie teils im zugigen Flur, teils in den leeren Stuben und warteten auf das Möbelauto, das schon längst hätte da sein müssen. Müde, elend und verdrossen standen sie herum und froren ganz jämmerlich. Später setzten sich Edna und Elke auf die Treppe, die aus dem Flur zum oberen Stockwerk führte, und hielten sich umschlungen, während Bolko wahre Indianertänze aufführte, um sich zu erwärmen.
Endlich kam das riesige Auto und mit ihm auch das Stubenmädchen Anna, das drei Jahre bei Frau Elisa in Diensten gestanden hatte. Sie hatte sich bereit erklärt, das Haus einrichten zu helfen. Bleiben jedoch wollte sie nicht – dort, wo sich die Füchse gute Nacht sagten? Um keinen Preis der Welt.
Als sie nun das Häuslein sah, schlug sie buchstäblich die Hände überm Kopf zusammen.
»Um Himmels willen, hier können die Herrschaften doch unmöglich hausen!« rief sie entsetzt. »Das ist ja die reinste Verbannung. Eine Woche halte ich es zur Not hier aus, aber dann auf schnellstem Wege in die Stadt zurück.«
Und so kam es denn, daß das einfache Mädchen Anna von seiner Herrschaft glühend beneidet wurde. Sie konnte in die Stadt zurückkehren. Die Glückliche!
Sie sahen nicht, wie nett das kleine Haus anzusehen war, wie es vor Sauberkeit nur so blinkte; der Baron hatte dafür gesorgt, daß es vom Keller bis zum Boden neu hergerichtet wurde. Sie sahen nur die Einsamkeit des Waldes.
Und das ließ sie immer trostloser werden. Es war ihnen gleichgültig, wie die Möbel verteilt wurden. Sie ließen Anna ganz nach Wunsch schalten und walten, und das gewandte Mädel, dem diese Beschäftigung Freude machte, richtete alles nett ein, wie die Hausfrau es gewiß nicht besser gekonnt hätte.
In einigen Stunden war das Möbelauto leer. Es rollte zur Stadt zurück, von den sehnsüchtigen Blicken der Zurückgebliebenen verfolgt. Anna tröstete sich damit, daß sie bald von hier wegkommen würde, und wirbelte nur so herum, um so schnell wie möglich mit dem Einrichten des Hauses fertig zu werden.
*
Baron von Hellersen hob den Kopf von seiner Arbeit, während ein Lächeln über sein hartes Antlitz huschte; denn in der Halle hörte er das herzige Lachen seiner kleinen Tochter, das zugleich mit dem gutmütigen Bellen Harras’ erklang. Selbst dieser rauhe Geselle war von dem kleinen Sonnenstrahl schon bezwungen worden. Sämtliche Bewohner des Schlosses hatte sie mit ihrer Lieblichkeit sofort gewonnen.
Zuerst hatten die weiten, hohen Räume des Schlosses die Kleine eingeschüchtert. Allein schon nach kurzer Zeit tollte sie genau darin herum, wie sie es in dem kleinen Hause in Lorren getan hatte. Ob es die Gemächer des Vaters waren oder ihr eigenes kleines Reich oder Barbes danebenliegendes Zimmer, der kleine Wildfang machte darin keinen Unterschied.
Und der Vater ließ seinem Kinde den Willen, soweit es nur anging. Sie mußte ja auf das Beste verzichten, was es im Kinderleben gibt: auf die Mutterliebe. Da sollte seine Kleine wenigstens in jeder andern Beziehung eine sonnige