Der Landdoktor Staffel 3 – Arztroman. Christine von Bergen
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»Ich habe bis jetzt auch mitten in der Stadt gewohnt. Deshalb kann ich auch noch gar nicht glauben, dass dies jetzt meine neue Heimat sein soll.«
»Ich muss weiter«, wehrte der attraktive Blonde nun jedes weitere Gespräch ab, hob die Hand und fügte hinzu: »Viel Glück im neuen Zuhause und Ade.«
Er zog den Zipper seiner Sweatjacke ein Stück höher, schenkte ihr noch einmal ein strahlendes Lächeln und lief weiter an dem Gartenzaun vorbei in Richtung Ruhweiler.
Jäh verspürte sie einen Anflug von Enttäuschung.
Schade, er wirkte so sympathisch. Aber wahrscheinlich war er verheiratet und hatte kleine Kinder, wie die meisten Männer um die Dreißig. So jemand lief bestimmt nicht mehr solo durch die Welt. Die breite Schulter zum Anlehnen, der Fels in der Brandung … Einen solchen Mann hatte längst eine der vielen Frauen gefunden, die genau diesen Typ suchten.
Sie schluckte, presste kurz die Lippen aufeinander. So blieb sie ein paar Sekunden lang regungslos stehen. Dann konnte sie der Versuchung nicht widerstehen. Sie drehte den Kopf nach rechts. Es geschah wie von selbst.
Im gleichen Moment blickte auch der Jogger über die Schulter zurück zu ihr. Zwei, drei Lidschläge lang sahen sie sich über die Entfernung hinweg an, ohne sich jedoch noch richtig erkennen zu können. Dann hob der Blonde die Hand und winkte ihr während des Weiterlaufens zu. Sie winkte zurück.
Ihr Herz schlug plötzlich hart an die Rippen. Sie bemerkte, wie sie lächelte. Sein Gruß war ihr wie ein Zeichen, wie ein Willkommensgruß in ihrem neuen Leben vorgekommen. Ob sie diesen Mann noch einmal wiedersehen mochte?
*
Obwohl Claudia in den nächsten Tagen alle Hände voll zu tun hatte, ging ihr der Jogger nicht mehr aus dem Sinn. Und als sie nach vier Tagen zum ersten Mal in Ruhweiler einkaufen ging, fragte sie sich, ob sie ihm vielleicht ein zweites Mal begegnen würde. Warum sie dies hoffte, wusste sie selbst nicht, zumal sie in dieser Lebensphase gar nicht auf eine neue Liebe aus war. Im Gegenteil. Nach einigen enttäuschenden Erlebnissen auf diesem Gebiet war sie fest entschlossen, sich erst einmal um ihr berufliches Fortkommen zu kümmern. Und dabei würde eine neue Liebe sie nur stören. Sie brauchte jetzt all ihre Kraft, um sich in Ruhweiler eine neue Existenz aufzubauen.
Als sie aus der Bank hinaustrat, wo sie sich ein Konto eingerichtet hatte, lief sie in Dr. Brunner hinein. Beide schauten sich gleichermaßen erstaunt an.
Der Landarzt wollte wissen, wie weit sie mit ihrem Umzug und der Einrichtung ihres Kräuterladens war.
»Natürlich werde ich noch Einladungen verschicken«, sagte sie rasch. »Leider sind Angela und Christian zurzeit auf Hochzeitsreise, aber Angelas Mutter und Jenny haben schon fest zugesagt, mir am Tag der Eröffnung ein bisschen zur Hand zu gehen. Vielleicht werde ich mich vor dem Besucheransturm kaum retten können«, fügte sie mit einer guten Portion Selbstironie hinzu.
»Es werden bestimmt viele Neugierige kommen«, meinte der Landdoktor. »Das ist auch gut so. Einige Kunden werden hängen bleiben und Sie dann auch weiterempfehlen.«
Sie musste wieder husten.
Zu dumm, gerade wieder im Beisein von Dr. Brunner. Und prompt hörte sie diesen nun auch sagen: »Verzeihen Sie, aber Ihr Husten ist mir schon auf der Hochzeit aufgefallen.«
Sie lachte verlegen. »Ja, er ist lästig, aber er ist schon besser geworden. Er ist noch von einer Erkältung zurückgeblieben und wird immer weniger«, beruhigte sie ihn, bevor er auf den Gedanken kommen sollte, ihr anzubieten, ihn in seiner Praxis aufzusuchen.
»Ich bin kein Arzttyp«, fügte sie dann auch gleich hinzu, um keine Unklarheiten aufkommen zu lassen. »Ich würde mir ja selbst untreu werden. Meine eigenen Mittel haben mir bisher immer geholfen. Natürlich dauert eine solche Heilung etwas länger, ist dafür jedoch auch völlig frei von Nebenwirkungen.«
Der Landarzt lächelte sie mild an und schwieg.
Sie wollte in diesem Moment gar nicht wissen, was er jetzt denken mochte.
»Haben Sie schon Kontakt zu unserem neuen Apotheker aufgenommen?«, erkundigte er sich dann voller Interesse.
»Noch nicht, aber nur aus Zeitmangel. Ich habe mir den Besuch bei ihm fest vorgenommen für die kommenden Tage«, erwiderte sie eilfertig.
Sie wollte keinesfalls den Eindruck erwecken, als wäre sie für seine Tipps undankbar.
*
»Warum nicht gleich?«, fragte sich Claudia, nachdem sie sich vom Landarzt verabschiedet hatte. Die Apotheke lag nur einen Steinwurf von der Bank entfernt. Und jetzt war sie einmal im Ort.
Entschlossen marschierte sie auf das Gebäude im Schwarzwaldstil zu. Beim Betreten war sie sofort fasziniert von der altertümlichen Atmosphäre des Geschäftes. Viel dunkles Holz, viele antike Apothekerschränke, viele Töpfe und Tiegel. Das war jedoch alles nur als Dekoration, wie ihr sofort klar war. In den Regalen standen ausschließlich die ihr so verhassten chemischen Keulen. Naturkosmetik? Tees? Nichts davon war zu sehen. Zumindest nicht auf den ersten Blick. Sie bezweifelte sogar, dass sie hier Kräuterhustenpastillen bekommen würde. Sie zu kaufen, wollte sie als Vorwand nehmen, um sich den Apotheker erst einmal anzusehen, bevor sie ihm den Plan einer eventuellen Zusammenarbeit unterbreitete.
Als dann eine junge, sehr hübsche braunhaarige Frau im weißen Kittel hinter dem Vorhang hervortrat, fragte sie sich für einen Moment, ob sie den Landarzt falsch verstanden hatte. Vielleicht hatte er eine neue Apothekerin gemeint?
Die Frau begrüßte sie mit professionellem selbstbewusstem Lächeln.
»Was kann ich für Sie tun?«, erkundigte sie sich.
Sie trug Schmuck, hatte rosa lackierte Fingernägel. Das konnte sie sich eigentlich doch nur als Chefin leisten. Wenn sie und Angela bei ihrem ehemaligen Arbeitgeber so in dessen Apotheke erschienen wären, hätten sie mittags die Kündigung in der Tasche gehabt.
»Ich …« Sie musste wieder kurz husten. »Ich hätte gern Hustenbonbons.«
»Gern.« Die hübsche Dunkelhaarige griff in die Schublade, legte ihr das Verlangte auf die Ladentheke und nannte den Preis.
»Haben Sie auch etwas auf Kräuterbasis? Reine Natur, meine ich?«, erkundigte sie sich freundlich, was ihr jedoch ein bisschen schwerfiel.
Die junge Frau war ihr eher unsympathisch. Zu hochnäsig.
Und sie ihr wahrscheinlich auch. So etwas beruhte meistens auf Gegenseitigkeit.
»Im Moment nicht. Ich warte auf eine neue Lieferung«, lautete die Antwort.
Ich warte … Kein Zweifel, der angebliche Apotheker war eine Apothekerin. Nein, hier brauche ich meine Produkte gar nicht anzubieten, sagte sie sich. Mit dieser Person komme ich nicht klar.
Sie hob den Kopf, lächelte die Frau hinter der Ladentheke an und war sich bewusst darüber, dass ihr Lächeln ziemlich kühl ausfiel.
»Haben Sie vielen Dank«, sagte sie. »Aber dieses Medikament möchte ich nicht.«
»Dann eben nicht«, erwiderte die