Der Landdoktor Staffel 3 – Arztroman. Christine von Bergen
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Wieder einmal musste er sich eingestehen, dass seine Helferin sehr geschickt mit den Kunden umging. Zweifelsohne trug sie dazu bei, dass sein Geschäft so gut anlief. Leider war ihr Verhältnis zueinander inzwischen deutlich gespannt. An diesem Montag war Maja wieder in Jeans und Shirt gekommen. Ungeschminkt. Das Haar hatte sie zum mädchenhaften Pferdeschwanz hochgebunden. So gefiel sie ihm schon viel besser. Das Glimmen in ihren dunklen Augen, ihr tiefer Blick verrieten ihm jedoch, dass sie ihr Ziel, ihn zu erobern, noch nicht aufgegeben hatte. Das bereitete ihm Sorgen.
Thomas wurde von seinen Überlegungen abgelenkt, als er eine seiner Kundinnen sagen hörte: »Wie sie die Männer anlockt, konnte man doch auf dem Bauernmarkt sehen.«
Er horchte angestrengt.
Meinte die Frau etwa Claudia?
»Wenn die erst mal ihr Kräuterstüble eröffnet hat, entsteht dort ein Sündenbabel. Du wirst schon sehen«, erwiderte eine andere in bissigem Ton.
»Diese Hexe soll sogar eine Teemischung haben, die die Männer stärkt. Na ja, ihr wisst schon …«, steuerte eine dritte nun noch ihr Wissen bei.
»Da soll mir meiner mal mit nach Haus kommen«, empörte sich die Erste. »Sie soll Apothekerin sein. Wer weiß, was die alles da reinmischt und dann unter dem harmlos klingenden Begriff Naturheilmittel verkauft.«
»Die kann unser ganzes Tal vergiften. Früher hätte man gesagt, dass eine solche Person mit dem Teufel im Bunde steht.«
Inzwischen waren es vier Frauenstimmen, die eindeutig über Claudia herzogen. Nein, das konnte er nicht zulassen. Er stand auf, schob den Vorhang zurück und sagte in so schneidendem Ton, dass die Frauen zusammenzuckten, als würde der gerade erwähnte Teufel leibhaftig vor ihnen stehen: »Aber heute nicht mehr, meine Damen.«
»Herr Dr. Brandler«, stotterte die Spitznasige, die das Thema begonnen hatte. Die beiden anderen rissen vor Überraschung und Schreck die Münder auf.
»Frau Koch, über die Sie gerade gelästert habt, ist eine gute Bekannte von mir, die weder etwas mit Hexerei noch Sündenbabel zu tun hat«, fuhr er energisch fort. »Sie will sich bei uns in der noch unberührten Natur und heilen Welt, zumindest habe ich unsere Welt hier im Tal bis gerade noch für heil gehalten, einen Traum verwirklichen. Naturheilmittel statt chemisch hergestellter Medizin, die oft negative Nebenwirkungen mit sich bringt. Gerade Sie, Frau Bührle …« Er sah die Spitznasige mit durchbohrendem Blick an, deren hervorstechendes Merkmal schneeweiß geworden war. »Sie haben doch hautnah erlebt, wie Ihr Bruder an Tablettensucht elendig zugrunde gegangen ist. Wie können gerade Sie so abfällig über das Anliegen von Frau Koch reden?«
Niemals zuvor hatte Thomas so harsch mit Kunden gesprochen. Aber wenn es um Recht und Unrecht ging, traten seine eigene Interessen in den Hintergrund, und er setzte sich für die zu Unrecht Angegriffenen ein. Wie jetzt für Claudia.
»Übrigens, ich habe mich selbst davon überzeugen können, dass eine Salbe von Frau Koch tatsächlich ein kleines Wundermittel ist«, fügte er jetzt etwas friedfertiger hinzu. »Ich hatte mir vorgestern eine Verletzung am Schienbein zugezogen, die heute Morgen schon sehr gut verheilt ist. Und das sage ich Ihnen als Apotheker, der hinter der Pharmaindustrie steht.«
Zwei der drei Frauen senkten beschämt die Köpfe, die dritte im Bunde sah ihn interessiert an. »Wundersalbe?«
Er musste lächeln. »Ich bezeichne sie einfach mal so, weil sie bei mir Wunder gewirkt hat. Anzuwenden bei blutenden Wunden …«
»Haben Sie die hier?«, erkundigte sich die Kundin.
»Nein, leider nicht. Die können Sie nur bei Frau Koch kaufen. Wie ich weiß, wird sie in den nächsten Tagen ihren Kräuterladen eröffnen. Den Damen noch einen schönen Tag …«
Mit diesen Worten verschwand er wieder hinterm Vorhang.
Aus dem Verkaufsraum drang jetzt nur noch die freundliche Stimme Majas zu ihm hinein, die anderen hatten ihre Lautstärke bis zur Unhörbarkeit heruntergeschraubt. Dann läutete die Türglocke, und es war still. Wenige Sekunden später hörte er ein Klopfen am Türpfosten.
Er lachte leise. »Herein.«
Maja schob den Vorhang beiseite.
»Pffff … Denen haben Sie es ja gegeben.«
Er drehte sich zu ihr um. »Ich hasse nichts so sehr wie Vorurteile und Ungerechtigkeiten.«
»Na ja, so ganz unrecht haben die ja nicht.«
Er versteifte sich innerlich.
»Maja?« Seine Stimme klang in seinen eigenen Ohren drohend. »Ich erwarte von Ihnen absolute Neutralität. Ich hoffe, Sie haben mich verstanden.«
Die junge Frau schwieg, hielt seinem Blick stand. Er war sich sicher, dass sie ihn nun am liebsten angeschrien hätte. Wut, Enttäuschung, Verletzung, Rachegelüste … All das konnte er in ihren Augen lesen. Dann nickte sie stumm, drehte sich um, und der Vorhang fiel zwischen ihnen wieder zu.
Thomas wusste ja nur zu gut, dass Claudia für seine Angestellte das sprichwörtliche rote Tuch bedeutete. Maja musste bei Claudias Besuch in seiner Apotheke die besonderen Schwingungen zwischen ihm und der schönen Hexenfee gespürt haben und war auf sie eifersüchtig. Einerseits tat ihm das junge Mädchen leid, andererseits jedoch hätte er sich mit einer anderen Helferin wohler gefühlt. Zu dumm, dass er ihrem Onkel sein Wort gegeben hatte, ihr Arbeitsverhältnis weiterzuführen.
*
Über den Schwarzwaldhöhen spannte sich ein wolkenloser Himmel, und in der Luft lag der süße Duft des Sommers, der durch das geöffnete Fenster in die niedrige Küche wehte. Sie roch nach Wärme und intensiven Farben, den blauen Lupinen und den Dotterblumen auf der Wiese.
Obwohl Claudia die Sonne und das Leben liebte, wäre ihr an diesem Nachmittag strömender Regen und ein mit schwarzen Wolken verhangenes Ruhweiler Tal lieber gewesen.
Seit sie die Diagnose ihres Hustens erfahren hatte, stand ihr Weltbild auf dem Kopf. Sie, seit einigen Jahren eine strenge Gegnerin der Pharmaindustrie und ihrer Produkte, sollte jetzt selbst Kundin bei dieser werden. Einfach unglaublich. Mit welchen Argumenten konnte sie überhaupt noch ihre eigenen Naturheilmittel vertreten, wenn ihre Krankheit diesen die Grenzen der Wirksamkeit aufzeigte?
Die junge Frau seufzte und schaute gedankenverloren aus dem Fenster.
Umgeben von der Schönheit dieses Tales, die der Sonnenschein noch vergoldete, ahnte sie eine höhere Macht, die dies alles hier auf Erden lenkte. Auch ihr Schicksal. Das enttäuschende Erlebnis auf dem Bauernmarkt, Thomas Brandler, zu dem sie eine starke Anziehung spürte, der jedoch wegen ihrer unterschiedlichen Sichtweisen niemals zu ihr passen würde, ihre Krankheit … Waren dies alles Zeichen dafür, dass sie mit ihrer Geschäftsidee auf dem falschen Weg war? Sollte sie lieber in ihren gelernten Beruf zurückkehren, gesund werden und vielleicht die große Liebe anderswo suchen? Ein Dr. Brandler würde niemals eine Kräuterhexe an seiner Seite akzeptieren.
Was war denn das?
Claudia wich vom Fenster zurück.
Vor ihren Augen hob und senkte sich plötzlich ein rotes Herz, auf und ab, sodass sie zuerst gar nicht erkennen konnte, was auf dem Luftballon in schwarzen Lettern geschrieben stand.
»Die