Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри
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Читать онлайн книгу Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри страница 131
»Märt, du bist entsetzlich. Wenn die Frau Gräfin dich so sähe.«
Märt warf seinen Kopf auf den Tisch, auf seine Arme.
»Märt, das fühlst du selber, daß sie dich nicht so sehen dürfte. Sie wäre traurig, Märt. Der Unglücksmensch, der das getan hat, war doch kein Mörder. Er wird selbst toderschrocken sein über das, was er angerichtet...«
Märt sah auf und sagte trotzig: »Das glauben der Herr Graf selber nicht.«
»Aber Märt, natürlich glaub' ich's. Ich habe nie einen andern Gedanken gehabt... Märt, auf was für Wegen läufst du. Dein Zauberwerk ist schauerlich. Gräßlich ist's. Mit dem Blut, das aus ihrem lieben Herzen geflossen, willst du einen Höllenbann ausüben? Zum Ekel bist du mir, Märt, mit deinem scheußlichen Aberglauben! Wenn mich nicht die stärksten Bande mit dir verbänden, so würde ich jetzt sagen: pack deine Sachen und geh aus meinem Umkreis.«
Märt zitterte vom Kopf bis zum Fuß. »Das tun der Herr Graf nicht. Ich kann ja bloß hier leben auf dem Thorstein. Da müßte mir der Herr Graf gleich den Strick dazu geben.«
»Ich tu es auch nicht, das weißt du sehr wohl. Aber sage selbst, wenn die Gräfin davon erführe – –«
»Aber daß der Herr Graf den laufen lassen, der das getan hat. Die Frau Gräfin, daß man sie aufschnallen muß auf einen Tisch ...«
»Das hat sie uns gerettet, Märt.«
»Ja, wenn es wahr ist. Sie wird doch nie lachen und in Silberkleidern herumgehen und den jungen Herrn auf dem Arm tragen. Ich hab's auch ganz allein gemacht, daß der Herr Graf nichts damit zu tun haben. Und wenn's ein Höllenbann ist, so kommt es auf mich ganz allein, aber der, der es uns angetan hat, der soll nimmer lachend herumlaufen und in den Spiegel gucken und Glitzerzeug an sich hinhängen.«
»Märt, komm zu dir. Sobald die Leibwache des Doktors fort ist, so nehm ich dich zu der Gräfin. Wenn du sie siehst, wird es dir besser. Sie wird ja wieder gesund.«
Und Harro ging mit einem schweren Druck am Herzen die Treppe hinunter. Märts wilder und düsterer Unsinn quälte ihn, und es war doch etwas dabei, das ihn rührte. Und Märts dämonische Rachelust, erweckte die denn gar kein Echo in ihm? Wenn Märt recht hätte, wenn es einen Menschen gäbe, der ihnen nachgeschlichen, die Waffe in der Faust und nach dem liebevollsten Herzen zielend? Grausam und feig zugleich und nachher verschwindend, als habe der Boden ihn aufgenommen, und jetzt sich seiner Untat freuend? Nein, das war ein Phantasiezerrbild aus einem Kolportageroman. Märts Wildheit hatte ihm das Bild suggeriert. Und er wanderte im Hause herum, und es litt ihn nirgends, als finge Märts Zauber bei ihm zu wirken an.
Und Rosmaries Zimmer ist ein verschlossenes Paradies. Sie liegt da und hat heute zum erstenmal ihren linken Arm losbekommen und ihre Kissen, und Babette hatte angefangen ihr Haar zu entwirren. Solange Schwester Johanna es duldet. Dann hat sie plötzlich aufhören müssen, und nun liegen die goldenen Haarsträhne über das Bett zerstreut und das Sommerwindchen spielt mit den Enden. Schwester Johanna hat ihre grobe, ganz geräuschlose Häkelarbeit in der Hand, man meint fast, sie hätte ein wenig rote Wangen. Und sie muß von dem Hause erzählen, des Herrn Professors Privatklinik, wo sie arbeitet.
Und Rosmarie hört ihr zu und macht sich ihre Gedanken über das feine blasse Mädchen und ihren Herrn Chef. Daß sie bei all den schwer Operierten wacht die erste Nacht. Immer sie, daß der Herr Professor das niemand anderem anvertraue.
»Da sehen Sie auch viel Jammer, Schwester Johanna.«
»Man sieht viel, ja ... aber Besuche dürfen da nie herein. Wie der Herr Graf.«
»Müssen die immer allein liegen und leiden, die Armen?«
»Manchen lese ich ein paar Worte vor, wenn sie es sehr verlangen, Durchlaucht. Aber ich habe noch nie so Angst gehabt wie damals, als ich den Herrn Grafen hereinließ.«
»Es hat mir gut getan, Schwester Johanna, und meinem Manne auch; nun laßt ihr mich ja so allein liegen.«
»Es hätte auch Frau Gräfin töten können.«
»Ach, an der Freude stirbt man nicht. Der Schrecken, ja mittags, als ich den großen Schrecken hatte, das hat mir weh getan. Das hat mich leiden gemacht.«
»Und auf zweiundsiebzig ist der Puls auch nicht wieder gekommen, bis jetzt noch nicht, Frau Gräfin.«
»Das will ich Ihnen sagen, warum. Weil ihr immer den Herrn Grafen hinausschickt und er traurig da herumgeht, und darum bin ich auch bekümmert, und wie soll mein Herz da überhaupt besser werden.«
»Bis morgen, Durchlaucht,« schmeichelt Schwester Johanna. »Nur noch bis morgen, da werden Sie auf die Veranda getragen.«
»Und soll ich da allein liegen?«
»Nein, der Herr Graf muß auch dabei sein.«
»Ach, Schwester Johanna, darum könnt ihr auch heute meinen Mann hereinlassen. Er hat ein Verlangen nach mir. Ich fühl's. So etwas fühle ich. Und mein Herz wird doch nie mehr so ganz richtig.«
»Durchlaucht werden wieder ganz gesund, sagt Herr Professor. Es ist ja keine Krankheit gewesen, bei der das Übel im Blut liegt oder ein Organ sich schlimm verändert hat. Darum ist doch alles schon geheilt.«
»Ja, aber ein Unterschied ist da, Schwester Johanna, ein sehr großer Unterschied. Sehen Sie, vorher in all den letzten drei Jahren hatte ich überhaupt kein Herz, das heißt, wenn ich sehr erregt war, da fühlte ich etwas klopfen, aber sonst, da tat es seine Arbeit, ohne daß ich etwas davon merkte. Wie all die merkwürdigen Dinge, die man im Körper hat und die mein Mann auf großen, sonderbaren Karten gemalt hatte. Sehr viel sonderbare Dinge sind's. Die fühlt man doch auch nicht. Aber das ist nun so ganz anders... so ganz anders. Ich habe immer ein Herz. Keine Sekunde, in der ich es nicht hatte. Es tut seine Arbeit nicht mehr gerne. Es nimmt einen Anlauf und hat einen guten Willen, und ich nicke ihm zu und denke, nun strengt es sich an und will seine Sache gut machen, und dann lahmt es wieder und gibt sein Geschäft überhaupt auf. Das ist sehr hart, und es muß doch wieder noch eine Weile... so widerwillig es ist. Liebe Schwester Johanna, kann man das wohl sehr lange aushalten? Diesen Handel mit seinem Herzen?«
Schwester Johanna sieht eifrig auf ihre Häkelarbeit. Ach, sie ist so betrübt, sie hat Mühe, ihre Tränen zu verbergen, und ist doch alles gewöhnt in ihrem weißen Hause in Würzburg.
»Das ist, weil Durchlaucht noch müde sind. Noch angegriffen von dem schweren Leiden. Durchlaucht sehen schon ganz anders aus. Nach so schweren Operationen sind manche Kranke heruntergekommen wie ein Schatten, und in einem halben Jahr kennt sie keiner wieder.«
»Was ist eine Woche. Ach, ich meine, es seien Monate, seit ich auf der Sommerwiese ging und... Glauben Sie, daß das Herz später einen Gang erlaubt?«
»Oh, einen kleinen Gang.«
»Sie wissen, daß es nicht erlaubt ist, daß ich mich allein aufrichte. Es tyrannisiert mich fürchterlich, Schwester Johanna. Wir vertragen uns sehr schlecht, mein Herz und ich. Tue ich ihm