Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри

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Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen &  Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри

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– absolut nichts ist je geäußert worden, was ihm auch nur den leisesten Zweifel an Ihrer Vollkommenheit erwecken könnte, und da ich Ihre Befehle in Bezug auf seine etwaigen Wünsche genau ausgeführt habe, sieht er in Ihnen den Inbegriff aller Großmut und Güte.«

      »Wahrhaftig? Allen Ernstes?«

      »Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, daß es einzig in Ihrer Hand liegt, wie Sie das Verhältnis zu Lord Fauntleroy gestalten wollen, und wenn ich mich unterfangen dürfte, Eurer Herrlichkeit einen Rat zu geben, so wäre es der, nie verletzend von seiner Mutter zu sprechen.«

      »Pah, pah! Ein Junge von sieben Jahren!«

      »Der diese sieben Jahre an der Seite einer Mutter verlebt hat, der sein ganzes Herz gehört.«

      Fünftes Kapitel.

       Im Schlosse

       Inhaltsverzeichnis

      Es war spät am Nachmittag, als der Wagen, der den kleinen Lord Fauntleroy und Mr. Havisham zum Schlosse brachte, die lange Avenue daherrollte. Der Graf hatte angeordnet, daß sein Enkel kurz vor Tische im Schlosse eintreffen und ferner, daß er, aus nur ihm bekannten Gründen, allein in das Zimmer geführt werden sollte, wo er ihn zu empfangen gedachte. Cedrik lehnte sich behaglich in die Wagenkissen zurück und beobachtete alles mit großem Interesse. Der Wagen selbst, die großen stattlichen Pferde mit ihrem blitzblanken Geschirre, der würdevolle Kutscher und der stattliche Diener in ihren eleganten Livreen, alles fesselte seine Aufmerksamkeit.

      Als der Wagen vor dem Parkthore hielt, beugte er sich aus dem Fenster, um die riesigen steinernen Löwen zu studieren, die den Eingang schmückten. Aus der hübschen epheuumrankten Portierswohnung trat eine rundliche, freundliche Frau, um das Thor zu öffnen. Zwei Kinder folgten ihr auf dem Fuße und starrten mit weit aufgerissenen, verwunderten Augen auf den kleinen Jungen im Wagen, indes die Mutter lächelnd knickste.

      »Kennt sie mich denn?« fragte Lord Fauntleroy seinen Begleiter. »Ich glaube, sie weiß, wer ich bin,« und dabei nahm er seine schwarze Samtmütze ab und grüßte freundlich.

      »Guten Tag!« sagte er mit heller Stimme. »Wie geht's Ihnen?«

      Die Frau war sichtlich erfreut, sie lachte übers ganze Gesicht, und ihre blauen Augen blickten ihn warm und herzlich an.

      »Gott segne Eure Herrlichkeit!« sagte sie. »Gott segne Ihr freundliches Gesicht! Glück und Frohsinn Euer Herrlichkeit! Willkommen in Dorincourt!«

      Lord Fauntleroy schwenkte seine Mütze und nickte ihr mehrmals zu, indes der Wagen weiter fuhr.

      »Die Frau gefällt mir,« sagte er. »Sie sieht aus, als ob sie Freude an Jungens hätte. Ich werde sie besuchen und mit den Kindern spielen – ob sie wohl so viele hat, daß man eine ordentliche Compagnie zusammenbringen könnte?«

      Mr. Havisham hielt es nicht für nötig, ihm zu sagen, daß er schwerlich Erlaubnis erhalten werde, mit den Portierskindern Kameradschaft zu schließen – derlei Weisheit kam immer noch zeitig genug.

      Der Wagen fuhr rasch dahin zwischen den prachtvollen alten Riesenbäumen, deren Zweige sich bis auf den Boden ausbreiteten. Cedrik wußte nicht, daß das Schloß Dorincourt einer der schönsten Landsitze Englands war und daß der Park und seine alten Bäume ihresgleichen suchten, aber er empfand die Schönheit, die ihn umgab. Die untergehende Sonne warf ihre schrägen Strahlen auf den Rasen, ringsum herrschte tiefe, wundersame Stille. Mehrmals fuhr der Knabe mit einem kleinen Aufschrei in die Höhe, wenn ein Kaninchen aus dem Blätterwerk huschte, und als plötzlich ein Volk Rebhühner vor ihnen aufstieg, klatschte er glückselig in die Hände.

      »Hier ist's aber schön!« rief er. »So was habe ich nie gesehen. Es ist schöner als der Centralpark!«

      Die lange Dauer der Fahrt setzte ihn sehr in Erstaunen.

      »Wie weit ist es denn,« fragte er endlich, »vom Parkthor bis zum Schlosse?«

      »Drei bis vier Meilen,« erwiderte Mr. Havisham.

      »Einen langen Weg hat der Großvater bis zu seinem eignen Thore,« bemerkte der kleine Lord nachdenklich.

      Jeden Augenblick entdeckte er etwas Neues, als er aber das Hochwild gewahrte, das teils im Grase lag, teils auf das Geräusch des Wagens hin die hübschen Köpfe mit den mächtigen Geweihen erhoben hatte, war er ganz außer sich.

      »Ist denn ein Cirkus dagewesen,« rief er jubelnd, »oder leben die immer hier? Wem gehören sie?«

      »Deinem Großvater,« belehrte Mr. Havisham.

      Bald darauf kam das Schloß in Sicht. Der schöne, stolze Bau erhob sich grau und ehrwürdig vor ihnen, die letzten Strahlen der Abendsonne glitzerten auf den zahlreichen Fenstern. Giebel und Türme und Zinnen hoben sich klar vom Abendhimmel ab, der ganze Bau war von üppigem Epheu umrankt und auf den breiten Terrassen, die zum Eingang hinaufführten, waren reiche, farbenprächtige Blumenbeete.

      »Das ist das Allerschönste, was ich je gesehen habe,« rief Ceddie mit leuchtenden Augen. »Wie ein Königsschloß, so war gerade eins in meinem Märchenbuche!«

      Er sah, wie die schweren Thürflügel aufgerissen wurden, und sah die Dienerschaft in zwei Reihen antreten, was ihn sehr in Erstaunen setzte, da es ihm nicht in den Sinn kam, daß dies zu Ehren des kleinen Jungen geschah, dem einst all' diese Pracht und Herrlichkeit zu eigen sein würde – das Schloß aus dem Märchenbuche, die großen alten Bäume, der herrliche Park, die Gründe voll Farnkraut und Glockenblumen, wo die Hasen und Kaninchen umhersprangen und die großäugigen gefleckten Hirsche und Rehe, die im tiefen Grase lagerten. Kaum ein paar Wochen war es her, daß er in Mr. Hobbs' Laden gesessen hatte und seine Beinchen von dem hoben Schreibstuhle herunterbaumelten, und er konnte unmöglich all diese Pracht und Feierlichkeit auf sein kleines Ich beziehen. An der Spitze der Dienerschaft stand eine ältliche Frau in glattem, schwerem schwarzen Seidenkleide, mit einer Haube auf dem grauen Haare. Als er die Halle betrat, stand sie ihm zunächst und Cedrik sah ihr an, daß sie mit ihm sprechen wolle. Mr. Havisham, der ihn an der Hand führte, stand einen Augenblick still.

      »Hier bringe ich Lord Fauntleroy, Mrs. Mellon,« sagte er. »Lord Fauntleroy, dies ist Mrs. Mellon, die Haushälterin.«

      Cedrik gab ihr mit einem freudigen Aufleuchten die Hand.

      »Haben Sie uns die Katze geschickt?« fragte er. »Ich danke Ihnen tausendmal dafür!«

      Das hübsche Gesicht der alten Frau glänzte gerade so freudig wie das der Portiersfrau.

      »Ich würde Seine Herrlichkeit an jedem Orte erkannt haben,« sagte sie zu Mr. Havisham, »er ist ja ganz und gar sein Vater. Das ist ein großer Tag heute, Sir.«

      Cedrik sah sie neugierig an und hätte für sein Leben gern gewußt, weshalb gerade heute ein großer Tag sei. Noch befremdlicher war ihm, daß sie Thränen in den Augen hatte und doch offenbar nicht traurig war, denn sie lächelte ihn freundlich an.

      »Die Katze hat zwei wunderhübsche Junge hier gelassen,« sagte sie, »man wird sie sofort auf Eurer Herrlichkeit Zimmer bringen.«

      Mr. Havisham richtete halblaut eine Frage an sie.

      »In der Bibliothek, Sir,« erwiderte Mrs. Mellon. »Der Lord Fauntleroy

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