Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри

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Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen &  Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри

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auf das Kind zu und folgte ihm. Cedrik zog eine Hand aus der Tasche und legte sie dem Hunde auf den Kopf.

      »Ein guter Hund, der,« sagte er. »Er ist schon ganz mein Freund und weiß, wie mir's zu Mute ist.«

      »Wie ist dir's denn zu Mute?'' fragte der Graf.

      Es war ihm unbehaglich, mit anzusehen, wie der kleine Mensch da zum erstenmal mit seinem Heimweh kämpfte, und doch freute er sich, daß Cedrik sich so tapfer hielt: der kindliche Mut gefiel ihm.

      »Komm her,« sagte er.

      Fauntleroy kam sofort.

      »Ich bin noch nie von Hause weg gewesen,« sagte das Kind, die großen braunen Augen etwas mühsam aufreißend, »'s ist eine sonderbare Sache, wenn man auf einmal die ganze Nacht in jemandes Schloß bleiben soll, statt nach Hause zu gehen. Aber Herzlieb ist ja nicht so sehr weit weg, daran soll ich denken, hat sie gesagt, und – und ich bin ja schon sieben – und ich kann auch ihr Bild ansehen, sie hat mir's gegeben,«

      Er fuhr mit der Hand in die Tasche und zog ein kleines Etui von dunkelblauem Samt hervor.

      »Hier ist es. Sieh, wenn man daran drückt, so springt es auf und drin ist sie!«

      Er lehnte sich dabei so vertrauensvoll an des Grafen Arm, als ob dies von jeher sein Platz gewesen wäre.

      »Das ist sie,« sagte er und sah lächelnd zu ihm auf.

      Der Graf zog finster die Augenbrauen zusammen. Er wollte das Bild nicht sehen und warf trotzdem einen Blick darauf. Es erschreckte ihn förmlich, ein so junges, hübsches Gesicht vor sich zu haben, mit den nämlichen braunen Augen, wie das Kind an seiner Seite.

      »Vermutlich glaubst du, sie sehr lieb zu haben?«

      »Ja,« erwiderte Cedrik sanft und einfach, »das glaube ich und das ist auch so. Weißt du, Mr. Hobbs war mein Freund, und Dick auch und Mary, aber Herzlieb und ich, wir sind doch die aller-allerbesten Freunde und sagen einander alles. Und ich muß auch für sie sorgen, weil mein Papa das nicht mehr thun kann – wenn ich groß bin, werd' ich arbeiten und Geld verdienen.«

      »Wie gedenkst du denn das anzufangen?« erkundigte sich der Großvater.

      Seine kleine Herrlichkeit setzte sich wieder auf den Kaminvorsetzer, hielt das Bild in der Hand und schien sich seine Antwort reiflich zu überlegen.

      »Ich habe schon gedacht, ich könnte in Mr. Hobbs' Geschäft eintreten,« sagte er, »aber lieber würde ich Präsident.«

      »Da schicken wir dich besser ins Oberhaus,« sagte der Graf.

      »Ja nun, falls ich nicht Präsident werden kann und das auch ein gutes Geschäft ist, will ich's wohl thun. Spezereigeschäfte sind nicht immer unterhaltend.«

      Vielleicht dachte er noch weiter über den Gegenstand nach, denn er blieb ganz ruhig sitzen und sah ins Feuer. Der Graf sprach nichts mehr, lehnte sich in seinen Fauteuil zurück und beobachtete das Kind. Manch neuer, ihm fremder Gedanke mochte den alten Edelmann beschäftigen. Dougal hatte sich lang ausgestreckt, den mächtigen Kopf auf die breiten Tatzen gelegt und schlief – tiefes Schweigen herrschte.

      Als eine halbe Stunde später Mr. Havisham in das Zimmer geführt wurde, machte ihm der Graf halb unwillkürlich ein hastiges Zeichen, leise aufzutreten, Dougal schlief noch immer, und neben ihm, das lockige Köpfchen auf den kleinen Arm gelegt, schlummerte Lord Fauntleroy.

      Sechstes Kapitel.

       Der Graf und sein Erbe

       Inhaltsverzeichnis

      Als Lord Fauntleroy am andern Morgen erwachte, hörte er ein Stimmengeflüster, und als er sich umdrehte und die Augen aufschlug, entdeckte er zwei Frauen in seinem Zimmer. Alles sah lustig und hell aus, der Sonnenschein fiel durch das epheuumrankte Fenster und tanzte fröhlich auf dem bunten, großblumigen Kattun, mit dem alles bezogen war. Die Frauen traten an sein Bett und er erkannte nun eine derselben als Mrs. Mellon, die Haushälterin; die andre dagegen war ihm fremd, hatte aber ein so gutmütiges, wohlwollendes Gesicht, als man sich's nur wünschen konnte.

      »Guten Morgen, Mylord,« sagte Mrs. Mellon. »Gut geschlafen?«

      Seine Herrlichkeit rieb sich die Augen und lachte.

      »Guten Morgen,« sagte er, »ich weiß gar nicht, wo ich bin.«

      »Sie wurden gestern abend schlafend hier heraufgetragen in Eurer Herrlichkeit Schlafzimmer, und hier ist Dawson, die Sie zu bedienen hat,« erläuterte Mrs. Mellon.

      Fauntleroy saß im Bette auf und bot Dawson die Hand, gerade wie er sie auch dem Grafen geboten hatte.

      »Guten Morgen,« sagte er, »ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie für mich sorgen wollen. Miß Dawson oder Mrs. Dawson bitte?«

      »Ganz einfach Dawson, Mylord!« erwiderte die Angeredete, freudestrahlend und knicksend. »Weder Miß noch Mrs., Gott segne Eure Herrlichkeit! Wollen Sie jetzt aufstehen und sich ankleiden lassen und dann im Kinderzimmer frühstücken?«

      »Anziehen kann ich mich schon seit ein paar Jahren allein. Danke,« erwiderte Cedrik. »Herzlieb hat es mir gezeigt, Herzlieb ist meine Mama. Mary mußte ja bei uns ganz allein alle Arbeit thun und waschen, da hätte man ihr nicht auch noch die Mühe machen können. Auch mein Bad kann ich so ziemlich allein besorgen, wenn Sie dann nur so gut sein wollen und die Ecken 'xaminieren, wenn ich fertig bin.«

      Dawson und die Haushälterin wechselten Blicke.

      »Dawson wird alles thun, was Sie wünschen,« sagte Mrs. Mellon.

      »Das will ich wahrhaftig und von Herzen gern,« versicherte die behäbige Matrone. »Wenn Mylord sich lieber selbst ankleidet, soll er's nur thun, und ich werde dabei stehen und warten, ob ich nicht etwas helfen kann.«

      »Das ist nett von Ihnen, denn manchmal ist's ein bißchen schwierig mit den vielen Knöpfen, und dann kann ich Sie doch fragen.«

      Er fand, daß diese Dawson eine sehr gute Frau sei, und als sie mit dem Bade und dem Ankleiden zu Ende waren, hatte er schon viel Interessantes erfahren und die Freundschaft war geschlossen. Er wußte, daß ihr Mann Soldat gewesen und in einer richtigen Schlacht ums Leben gekommen war, daß ihr Sohn Matrose sei, und daß sie selbst ihr lebenlang für die verschiedensten Kinder gesorgt und jetzt eben aus einem sehr vornehmen Hause kam, wo sie ein wunderschönes kleines Mädchen, Namens Lady Gwyneth Vaughn, bedient hatte.

      »Und die ist auf eine Art mit Mylord verwandt,« schloß Dawson, »vielleicht werden Sie sie einmal sehen.«

      »Glauben Sie wirklich?« sagte Cedrik erfreut. »Das würde mich sehr freuen! ich kenne noch gar kein kleines Mädchen, aber ich habe sie immer gern angesehen.«

      Als er in das anstoßende Zimmer trat, das ebenfalls sehr groß und hoch war, und von Dawson hörte, daß das nächste, dritte Zimmer auch ihm gehöre, überkam ihn das Gefühl seines Kleinseins wieder so mächtig, daß er sich gegen Dawson darüber aussprach, während er an dem hübsch gedeckten Frühstückstische Platz nahm.

      »Ich bin ein sehr, sehr kleiner Junge,« sagte er ziemlich gedrückt, »dafür,

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