Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри

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Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen &  Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри

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flog auf und ab und hatte manch derben Stoß auszuhalten, sein Gesicht war dunkelrot und er kam kaum mehr zu Atem, aber er hielt stand und saß so gerade als möglich. Ein paar Minuten lang waren die Reiter dem Blicke des Grafen durch die Bäume entzogen, dann kamen sie wieder in Sicht, Cedrik ohne Hut, mit blutroten Wangen und fest aufeinandergepreßten Lippen, aber noch immer mannhaft trabend.

      »Halt einen Augenblick!« rief der Graf. »Wo ist dein Hut?«

      Wilkins griff an den seinigen. »Fortgeflogen, Mylord,« berichtete er mit sichtlicher Freude. »Der junge Herr ließ mich nicht halten, Mylord.«

      »Angst hat er nicht viel?« fragte der Graf trocken.

      »Der und Angst, Euer Herrlichkeit?« rief Wilkins begeistert aus. »Glaube, daß er das Ding nicht vom Hörensagen kennt. Hab' schon manchen jungen Herrn reiten gelehrt, aber so couragiert ist noch keiner droben gesessen.«

      »Müde?« fragte der Graf Cedrik. »Willst du absteigen?«

      »Es schüttelt einen mehr, als ich mir gedacht habe,« gab Seine kleine Herrlichkeit ehrlich zu. »Und müde wird man auch ein wenig, aber absteigen will ich nicht. Ich will's lernen, und wenn ich ein bißchen ausgeschnauft habe, möchte ich meinen Hut holen.«

      Der feinste Diplomat hätte Cedrik keine bessere Anleitung geben können, des Großvaters Herz zu erobern. Als der Pony abermals davon trabte, lag ein Ausdruck von Freude in den lebhaften Augen des alten Herrn, den er sich selbst nicht mehr zugetraut hatte, und er saß und wartete mit wahrer Spannung, bis der Hufschlag wieder näher kam. Erst nach längerer Zeit erschienen die Reiter wieder, diesmal in rascherer Gangart. Wilkins hielt Cedriks Hut in der Hand, die Wangen des Knaben glühten noch mehr als zuvor und seine Haare flogen im Winde, aber es war ein richtiger, flotter Galopp, in dem er dahersauste.

      »Hier!« stieß er hervor. »Ich – ich hab' galoppiert. So gut ging's noch nicht, wie bei dem Jungen in der Fifth Avenue, aber im Sattel bin ich doch!«

      Von da ab war die Freundschaft mit Wilkins und dem Pony geschlossen, kaum ein Tag verging, an dem man die beiden nicht fröhlich auf der Landstraße und den grünen Wiesen dahin traben sah, und aus allen den Bauernhäusern liefen die Kinder herbei, um den stolzen, braunen Pony und seinen ritterlichen kleinen Reiter zu sehen, der so kerzengerade im Sattel saß, und der junge Lord schwang dann seine Mütze und rief: »Hallo! Guten Morgen!« was vielleicht nicht ganz gräflich, aber sehr herzlich klang. Zuweilen hielt er auch an und schwatzte mit den Kindern, und eines Tages kam Wilkins ziemlich aufgeregt nach Hause, weil Lord Fauntleroy darauf bestanden hatte, einen lahmen Knaben, der Schmerzen im Beine gehabt hatte, auf seinem Pony von der Schule nach Hause reiten zu lassen.

      »Hol' mich der Kuckuck,« lautete der Bericht im Stalle, »wenn's ein andrer fertig gekriegt hätte, ihn abzubringen. Mich läßt er nicht absteigen, weil er behauptet, der Junge hätte Angst vor dem großen Gaul, und, sagt er: ›ich hab' gesunde Beine und der nicht.‹ Muß ich den Bengel hinaufsetzen, und nebenher schlendert Mylord und schwatzt, die Hände in den Taschen, als ob das ganz natürlich wär'. Und wie die Mutter aus'm Haus rennt und sehen will, was los ist, zieht er die Mütze und sagt: ›Ich habe Ihren Sohn heimgebracht und ich werde Großvater bitten, daß er ihm Krücken machen läßt, der Stock ist zu schwach.‹ Herrgott, dem Weibe fuhr's in alle Glieder vor Schreck – um ein Haar hätt' sie der Schlag gerührt.«

      Wilkins war nicht recht wohl bei der Sache, da ihm sehr zweifelhaft war, wie der Graf sie aufnehmen werde. Dieser wurde jedoch merkwürdigerweise nicht böse, ließ sich sogar die Geschichte von Fauntleroy haarklein erzählen und lachte dann ganz laut. Und wahrhaftig geschah's, daß nach ein paar Tagen die Dorincourter Equipage vor dem armseligen Häuschen hielt, Fauntleroy heraussprang und, ein Paar neuer, starker und doch leichter Krücken wie ein Gewehr schulternd, in die Behausung des lahmen Knaben hineinmarschierte, wo er sein Geschenk mit den Worten: »Mein Großvater läßt Sie freundlich grüßen« überreichte.

      »Ich habe Grüße von dir bestellt,« sagte er, als er wieder bei dem Grafen im Wagen saß. »Du hattest mir's zwar nicht aufgetragen, aber es war doch recht?«

      Der Graf lachte wieder, hatte aber nichts gegen dieses Uebermaß an Höflichkeit einzuwenden. Die Freundschaft zwischen Großvater und Enkel befestigte sich jeden Tag mehr, und Fauntleroys unbedingtes Vertrauen in des Grafen Großmut, Herzensgüte und Edelsinn wuchs in gleichem Maße. Freilich wurde ihm jeder Wunsch erfüllt, noch eh' er ihn ausgesprochen hatte, und seine kleine Existenz dermaßen mit Freuden und Genüssen überschüttet, daß er manchmal beinahe hilflos davor stand und er möglicherweise, trotz all seiner guten Anlagen, in Gefahr gekommen wäre, sich verziehen zu lassen, wenn er nicht von jedem Besuche in Court Lodge ein gutes, warmes Wort mit heimgebracht und das Mutterherz, »sein bester Freund«, so treu über seine junge Seele Wache gehalten hätte.

      Eins war es, was dem Kinde unendlich viel zu denken gab, ohne daß es sich darüber gegen Herzlieb ausgesprochen hätte und ohne daß der Graf eine Ahnung davon hatte. Bei seiner scharfen Beobachtungsgabe konnte dem Knaben nicht entgehen, daß der Großvater und seine Mama nicht miteinander verkehrten. Und doch ging jeden Tag eine Sendung von Blumen und Früchten aus den Gewächshäusern von Schloß Dorincourt nach Court Lodge, und zur Vollendung des Heiligenscheins, den das kleine Herz um den Großvater wob, hatte eine Aufmerksamkeit gedient, welche dieser kurz nach jenem ersten Sonntag Mrs. Errol erwiesen hatte. Etwa acht Tage darauf war es, daß Cedrik, als er sich anschickte, die Mama zu besuchen, an der Thür statt des stattlichen Landauers mit dem stolzen Gespanne einen eleganten leichten Brougham mit einem Schimmel vorfand.

      »Das ist ein Geschenk, das du deiner Mutter machst,« erklärte der Graf kurz. »Sie kann nicht zu Fuße gehen und muß einen Wagen haben. Der Kutscher gehört auch dazu. Das Ganze ist dein Geschenk.«

      Cedrik war so selig darüber, daß sie es nicht übers Herz brachte, ihm die Freude zu verderben und die Gabe zurückzuweisen. Sie mußte, nachdem er mit »seinem« Geschenk bei ihr angelangt war, wie sie ging und stand, einsteigen und mit ihm spazieren fahren, und unterwegs erzählte er ihr zahllose kleine Geschichten, die alle des Großvaters Güte zur Anschauung brachten. Manchmal mußte sie ein wenig dabei lachen, dann zog sie aber das Kind noch näher an sich und küßte den frischen Mund, der so gut zu plaudern wußte, und freute sich, daß sein Auge an dem alten Manne, der sich so wenig Freunde zu machen verstanden, nur das Gute entdeckte.

      Am Tage darauf schrieb Fauntleroy den versprochenen langen Brief an Mr. Hobbs und brachte dem Großvater die Reinschrift zur Durchsicht – vorsichtshalber wegen der »O'thographie.«

      Das Schreiben lautete:

      »Lieber Mr. Hobbs ich möchte ihnen alles von meinem Großvater erzählen er ist der allerbeste Graf den sie je gesehen haben es ist ein irdum das Grafen tiranen sind er ist gar kein tiran sie und er würden gewis gute Freunde sein er hat die gicht in seinem Bain und ist ein sehr leitender aber er ist so gedulldich ich liebe in jeden tag mer man mus einen Grafen lieb haben der so guth ist gegen alle leutte ich wolte sie könten mit im sich unterhalten er weis alles aber base-ball hat er ni gesbilt er hat mir einen Pony gegeben und einen Korbwahgen und meiner mama einen schönen wahgen und ich habe drei zimer und sbilsachen sie würden sich nur wundern das schloß würde ihnen ser gefalen und der Park ist so schön ein unterihrtisches gehfengnis ist unter dem schloß mein Großvater ist ser reich aber er ist nicht stols und hochmütich wie sie gemeint haben das Grafen seihen ich bin ser gerne bei im die Leute sind so gut und hövlich sie nemen die Hüte ab for uns und die Frauen machen ein komblümend ich kann jets reiten aber im anfang hat es mich ser geschütelt im Trab ich würde sie ser gern sehen und besuchen und ich möchte das Herzlieb auch im schloß wonen könte aber ich bin sehr glücklich wenn ich nicht ser heimwe nach ir habe und ich habe meinen Großvater ser lieb bitte schreiben sie bald ihrem sie herslich liebenden alten Freunde

      Cedrik

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