Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри

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Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen &  Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри

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mehr auswendig, wie oft der Möbelwagen vor der Türe stand und die Packer sich auf ihre Sachen stürzten.

      »Ich söhne mich mit den Säulen aus, Harro,« sagt sie, »sie sind so anständig standfest und können nicht gerückt werden. Manche würde das sehr angreifen, mich beruhigt es. Ich habe schon gar zu viel hin und her gerückt, bis allemal meine Sachen wieder gestellt waren.

      Wie das Kind gedeiht! Schon drei Wochen hat sie kein Wörtchen mehr von dem Schönsten gesagt. – Wer weiß, ob wir nicht doch das Kind durchbringen.«

      Aber Harro empört sich sehr über diese Worte. – Wer denn noch daran zweifelte?

      »Aber das kommt von eurer liebevollen und dankbaren Ansicht vom Jammertal. Als ob diese schöne Erde ein Strafplatz sei und alles Liebliche, Schöne und Gute, sobald es sich entfaltet, gleich daraus verpflanzt werden müsse auf eure Halleluja-Wiesen. Wenn ihr so nah bekannt seid mit der Gottheit, daß ihr derselben eine Ansicht vortragen dürft, so käme mir die anständigste die vor, daß man dankbar anerkennt, was für einen schönen Tummelplatz wir bekommen haben. Wo wir uns allerdings oft schlecht genug aufführen, wofür aber das Gelände nichts kann.«

      »Seien Sie nicht frivol, Harro, und Sie tragen auch die Lilienstengel schief, von denen Sie mir doch gesagt haben, daß sie durchaus gerade getragen werden müßten.«

      Harro ist mit Frau von Hardenstein im Empfangszimmer, es ist spät abends, das Seelchen schläft schon lange, und Harro erklärt seiner Freundin, wie Lilien behandelt werden müssen, wenn sie ihre volle Pracht entfalten sollen! Und Frau von Hardenstein schüttelt ziemlich bedenklich den Kopf über seine Vorbereitungen. –

      Am zwanzigsten Juli scheint die Sonne so golden, wie es sich für den Tag gehört, und der Himmel ist schon am Morgen tiefblau. Das Seelchen hat schon am frühen Morgen auf ihrem Toilettentisch ihr schönstes weißes Kleid gefunden. Das bedeutet etwas. Ist heute vielleicht Lilientag? Als sie fertig ist, schlüpft sie hinaus auf den Lindenstamm, eine ehemalige Bastei, auf welche ihr Zimmer sich mit einer Flügeltür öffnet, und von der man in zwei grüne Täler sieht, denn sie bildet den vorspringendsten Punkt der Bergkuppe, um deren Fuß der Fluß sich legt. Grüne Waldberge begleiten den Wasserlauf, und gerade gegenüber dem Lindenstamm ist das heimliche Plätzchen, wo die alten Buchen bis zum Uferrand herabsteigen und liebende Arme über das grüngoldene Wasser breiten. Das Flüßchen selbst hält hier in seinem Laufe ein wenig an, als ob es nicht weiter möchte, hohe Schilfstauden umgeben das andere Ufer. Der Platz heißt das Grafenbad, und es steigen jetzt noch alte Steinstufen hinein in die lockende Tiefe.

      Und heute blüht die Linde, die sich mit ihrem mächtigen Stamm an das Mauerwerk der Bastei lehnt und ihre Wurzeln in einem kleinen Erdvorsprung hat, ihre Krone aber über dem Lindenstamm ausbreitet. So wohnt man da oben in Wipfeln, denn auch von der Nordseite umgeben die Bastei zwölf riesige Tannen, auch sie schauen nur mit den Wipfeln herein, und die Zweige der zwölften berühren schon den roten Turm, der als ehrenfester Wächter herabsieht auf die Steinplatten des Lindenstamms. Dieser selbst ist so groß, daß ein Berliner Mietshaus mit sechs Zimmern sehr bequem darauf Platz hätte, und man kann auf ihm in Sonne und Schatten wohnen. Der Efeu treibt überall um die Bekrönung seine Ranken und streckt Zweige durch die winzigsten Mauerluken.

      Seelchen, festlich angetan, eilt nach ihrer Schnur, deren Ende hinabreicht an den Fuß der Bastei, tief unter die Wurzeln der Linde in einen heimlichen Winkel des Parks.

      »Oh, die Schnur ist schwer! Es hängt etwas daran, – ja, es guckt schon über die Mauer.«

      Ein weißes Kästchen, an dem hängt ein Rosenkranz. »Frau von Hardenstein, kommen Sie! So sehen Sie doch!« Nun zuerst den Kranz lösen und ihn aufsetzen. In den Spiegel braucht man dabei nicht zu sehen, denn die Kränze sitzen in den offenen Goldhaaren immer, wie sie sollen.

      Und nun das Kästchen auf! Auf weißem Seidenpolster ein paar goldene Schuhe! Und was für eine Form haben sie! Wie angegossen sitzen sie an den feinen Füßen, und auf den Zehen stehen kann man darin, als ob man barfuß wäre. Seelchen tanzt mit ihren goldenen Schuhen und ihrem Rosenkranz auf den alten Steinplatten unter der Linde.

      »Das sind meine Freudenschuhe! Immer will ich sie anziehen, wenn ich froh bin. Und wenn ich sie anziehe, ist ein Fest!«

      »Und es ist auch heute ein Fest, es ist Ihr Geburtstag, Prinzeßchen, und Sie müssen sich gratulieren lassen, und es gibt noch viel zu sehen ...«

      »Horst du, alte Linde, was heute ist? Mein Geburtstag und ein Festtag. Und du bist auch am allerschönsten heut.«

      Denn die Linde blüht auf ihrer Nordseite.

      »Sieh meine goldenen Schuhe! Tausend Jahre hast du keine goldenen Schuhe mehr gesehen! Wirf mir ein Büschelchen herunter, einen Tropfen Honig, Linde, Herzelinde!«

      Endlich läßt sie sich fortziehen in das Empfangszimmer –. Da stehen im Halbkreis die Lilien in alten einfachen mattglänzenden Zinnbechern. Seelchen atmet beklommen. »Ist das mein Geburtstag?«

      Frau von Hardenstein findet, daß Harros Blumenstilleben fast ängstlich feierlich aussieht, und daß nicht einmal das weiße Gabentischchen in der Mitte die Sache bessert. Das Kind betrachtet seine Geschenke, dann nimmt es eins nach dem andern von den hübschen Dingen hinweg und trägt sie in die Ecke auf den blauen Diwan. Dann kauert sie sich auf den Boden in ihrem Lilienhalbkreis. Einen Augenblick zieht sie die goldenen Schuhe aus und stellt sie auf das nun leere weiße Tischchen.

      »Das ist Harros Geschenk.«

      Dann zieht sie sie wieder an. »Ein wunderliches Kind,« denkt Frau von Hardenstein, »und Harro hat es mit seinem Blumenzauber wieder getroffen! O Kind, wenn man dir einmal deinen langen Freund nimmt! Kommen Sie nun mit mir herunter, Seelchen, im Hof ist auch noch etwas zu sehen. Der Duft ist fast zu stark.«

      »Ach liebe, beste Frau von Hardenstein, darf ich denn nicht ein wenig allein bleiben, bei meinen Lilien? Ich rühre sie nicht an, ich weiß ja, daß man's nicht darf. Ein klein wenig? Ich tue alles, was ich soll, nachher!« »Gut, ich gehe über den Lindenstamm in den Park den Rosenweg hinunter und in den Hof. Dort kommen Sie hin, nicht wahr?«

      Sie geht, und Seelchen ist allein. Nun steht sie in ihrem Blumenring vor dem großen Bild ihrer Mutter und flüstert: »Siehst du mich, Mutter?« Eine Pause, als ob sie auf Antwort warte. Ganz still ist's, nur der Sommerwind bläht ein weniges die langen weißen Vorhänge auf, und durch die Läden schießt die Sonne schmale goldene Pfeile.

      »Mutter,« flüstert das Seelchen noch einmal – dann seufzt sie leise. »Ach, sie schläft so fest, oder ist so fern. So schön muß es sein, dort, wo sie ist, daß sie nicht ein wenig mehr hersehen mag zu ihrem Seelchen, das doch seinen Lilientag feiert.«

      »Sie machen wohl Musik bei dir, die Lilien? Jede hat einen Ton und den singt sie.« Ob man wohl darnach tanzen könnte! Aber schön langsam muß es gehen, ich liebe sie nicht, die schnellen Tänze! Und wenn man so froh ist, wie im Leben nicht, so muß man doch tanzen!

      Sie faßt die Enden ihrer langen Haare, daß das feine Goldgespinst sich ausbreitet wie ein Schleier. Zuerst bewegt sie nur ein wenig das rosengeschmückte Köpfchen. Dann hebt sie das feine Füßchen. Nun schwebt sie langsam im Lilienkreis herum. Sie wendet sich und neigt sich.

      Da geht die Türe auf, und dort steht Harro mit einem großen Rosenstrauße in der Hand. Sie nickt ihm lächelnd zu und dreht sich langsam im Kreise, und ihr feiner Körper ist wie eine weiße Flamme in dem dünnen Kleidchen. Harro steht unbeweglich und seine Augen trinken. Da lacht sie ihr feines klingendes Lachen. »Der Lilientanz, Harro. – So klingen sie auf der Himmelswiese und darnach tanze ich in meinen goldenen

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