Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри
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Читать онлайн книгу Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри страница 34
Der Fürst hat längst aufgehört, sich über solche Worte zu ärgern, und heute beschäftigt, wie das leichtest vorüberwehende Spinnfädchen, seine Gedanken etwas anderes.
»Rosmarie, ich meine, das Zusehen sollte man dir nicht ganz nehmen. Geh hinein und bringe Mama die schönen Orchideen, die ich im Gewächshaus mit vieler Mühe für sie erkämpft habe.«
»O Papa, du hast recht, die Blumen passen zu Mamas Bild,« und das Kind fliegt mit den zwei abenteuerlich geformten, wunderbar duftenden Blütenzweigen davon. –
In dem großen Saal hört man eine eingesperrte Biene summen, so still ist's. Die Fürstin sitzt auf einem der alten hohen, geradlinigen Stühle, die in ihrer Steifheit zu dem weichen Fluß der Linien des Körpers so unendlich malerischer sind als die gewollt bequemen Formen. Harro steht vor seiner Staffelei und malt mit grimmigem Ernst. Daß die Fürstin, die alles Unbeschäftigte, Träumerische haßt, sich zu einem solchen Stilleben hergibt, ist sehr merkwürdig. Fast verschüchtert kommt das Kind herein, ihre Blumen als Friedenspfand vor sich hinhaltend.
»Mama, das hat dir Papa geholt, du weißt, daß der Herr Hofgärtner sie gar nicht gern hergibt. Harro, sieh einmal, wie sie schön und seltsam sind.« Die Fürstin zieht die Stirne kraus. »Ich denke, du hast jetzt deine französische Stunde.« »Schon vorüber. Harro, wie schön zu Mamas Kleid, und du warst immer mit der Hand nicht zufrieden.« Und Rosmarie schiebt der Fürstin den Blütenzweig in die Hand, und Mama ist so gehorsam wie ein Lamm.
»Durchlaucht, es ist genau, was ich mir noch wünschen möchte ...« »Ich komme mir lächerlich vor; muß es denn sein? Ich bin doch keine moderne Ästhetin, daß ich mit Blütenstengeln herumliefe! Sentimental! Gebt mir eine gelb und braune Reitpeitsche, wenn gelb und braun sein muß.«
»Mama, es ist gewiß schön, und du hältst die Zweige nicht wie Blumen, sondern wie eine kleine Gerte. Und die Orchideen sehen ja gar nicht aus wie Blumen, sondern wie Becher und kleine Tiere mit Flügeln.«
»Als ob ich eine Gerte, an der garstige kleine Kreaturen hinaufkrabbelten, in der Hand behielte ...! Graf Thorstein, sprechen Sie ein Machtwort, diese junge Dame wird zu anmaßend!«
»Sie wird es, und das Schlimmste dabei ist, daß sie meistens recht hat. Auch mit dem Blütenzweig, der aussieht wie lebendige Juwelen, und, das bitte ich Eure Durchlaucht zu glauben, durchaus nicht sentimental. Es würde mir ganz gewiß nicht einfallen, Sie mit einem Vergißmeinnichtstrauß zu malen!«
»Nun, das beruhigt mich – auch nicht mit einem Lilienstengel?«
»Auch das nicht ... Durchlaucht gestatten, die Blumen duften herrlich, es sind Gewächse aus einem Märchenwald, die die Sinne betäuben, Becher, aus denen ein bezaubernder Trank quellen könnte.«
»Graf Thorstein, Sie werden poetisch, geschieht Ihnen das öfter?«
»Nur ungern und nicht mit Willen.« –
Harro steht neben Mama, und Mama hat sehr weiße Schultern und ein Leuchten in ihren braunen Augen, und die Blumen duften sehr stark. Und Harro muß ja auf die Schultern sehen, und wenn Mama sich vorbeugt, so sieht man die weichen Linien ihrer Brust unter der glühenden Seide. Harro braucht ziemlich lange, bis er die Blumen studiert hat und zu seiner Staffelei zurückkehrt. Und wieder hat die eingesperrte Biene das Wort, und man hört ihr wehklagendes und zorniges Summen durch den Saal. Und die gemalten Augen an den Wänden starren. wie der späte Nachmittagschein über sie hinflutet. Das Seelchen ergreift eine unsägliche Traurigkeit. Von irgend woher muß sie herabgekommen sein und sich wie feines Spinnweb auf ihr Herz gesenkt haben. Lautlos sitzt sie da und sieht nach dem auf- und abfliegenden und wieder ruhenden Pinsel ... da, der Gong ... Die Fürstin erhebt sich, achtlos läßt sie die herrlichen Orchideen zu Boden gleiten. Sie lächelt und neigt ihren hübschen Kopf ein wenig, ein gnädiges Nicken – eine junge schöne Dame, die sich ausgezeichnet amüsiert hat. So rauscht sie davon. An der Türe wendet sie sich, lächelt noch einmal, es bückt sich eben der lange Thorsteiner nach den Blumen, das Lächeln sieht er nicht. Aber das Kind hat's gesehen.
»Geh, Seelchen, hol den Blumen eine Vase,« sagt Harro abwesend. Das Kind geht lautlos hinaus mit ihren leichten schwebenden Schritten, als fürchte es sich, jemand zu wecken. Als sie wieder zurückkehrt, steht Harro an der Staffelei und malt in tiefer Versunkenheit, als bewegten sich seine Hände von selbst. Wohl eine halbe Stunde malt er so, und still steht das Kind neben ihm, die Händchen auf den Rücken gelegt. Plötzlich zieht sie ihn am Ärmel.
»Du mußt aufhören, Harro, es wird ganz dunkel.«
»Laß mich, du weißt doch, daß man nicht stören darf.«
»Aber du mußt aufhören! Mein armer, armer Papa! Es ist genug.«
»Seelchen, was wandelt dich an? Was verdirbst du mir meine schönste Malfreude! Ist das auch erlaubt?«
»Aber sieh doch, was du gemalt hast! Warum hast du meinem armen Papa eine solche Frau gemalt? Sieh, das Kleid wie Blut, und die fremden Giftblumen, und wie sie lächelt in den Mundwinkeln und weiß, daß, wem sie die Blumen gibt, sterben muß.«
»Du redest baren Unsinn heute, ›Giftblumen‹, Orchideen. Es sind gar keine Giftblumen... die Orchideen,« murmelt er ... Harro legt seine Palette hin und setzt sich auf den tiefen Stuhl, in dem die Fürstin saß. Fast mit einem Schlage – es zieht vielleicht eine Wolke über den Himmel – ist es dunkel geworden. Harro greift nach den Orchideenstengeln und hält sie in der Hand ...
»Tu sie weg, die Giftblumen,« sie will sie ihm aus der Hand reißen.
»Rosmarie, du bist heute eine unartige, gewalttätige kleine Dame und hast mir die schönste Malfreude verdorben. Wenn du mich nicht gestört hättest, heute wäre mir etwas gelungen. Eine solche Stimmung, und die kommt nicht wieder, es ist schwer genug gewesen, sie herbei zu bringen, sonst hätte ich nicht so lange an dem Kleid gepinselt.«
»Es ist doch fertig, dein Bild.«
»Fertig! Es war im besten Werden, und da ist eine Minute mehr wert als sonst eine Stunde.«
»Dann sieh selbst, daß es fertig ist.«
Und Seelchen läuft zu der Nische, wo die elektrische Leitung ist. Ein leises Knacksen, aus dem Halbdämmer strömt plötzlich goldiges Licht von dem großen Kronleuchter an der Decke. Sie gleitet den Saal entlang, da glühen die Birnen auf in den alten venezianischen Wandleuchtern, alle – bis der große Saal in ein Lichtmeer getaucht ist.
»Laß doch, Rosmarie,« aber sie ruht nicht, bis auch der letzte Schatten, der sich hinter einem der Pilaster oder Nischen bergen könnte, vertrieben ist. Der große Saal erstrahlt im Festglanz. Die Ritter und Damen stehen in dem Glast wie scheue Schemen, so viel Licht sind sie nicht gewöhnt. Aber das große Bild in der Mitte, das kann das Licht vertragen. Die Frau mit den Zauberblumen, an der die glühende Seide herabfließt, wie ein Gewand von schlimmen Feen gewoben und mit dem Blute Erschlagener gefärbt. Die Frau mit dem leisen Lächeln, halb verborgen ist es noch, es steigt erst herauf, von ihm wissen die Braunaugen noch nichts ... das grausame Lächeln der Mona Lisa ... Harro steht davor, so plötzlich aus dem halben Dämmer in das grellste Licht gerissen und starrt – und schlägt sich plötzlich die Faust vor die Stirne. »Seelchen, ums Himmelswillen, was habe ich da gemacht, aus welchem Abgrund kommt das herauf!«
Seelchen legt ihm plötzlich ein kühles Händchen auf seine Hand, wortlos, da faßt er sie um