Das Nibelungenlied. Anonym
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Denn Einer war darunter, dem sie längst ihr Herz vertraut.
Als sie in ihre Kammer den Boten kommen sah, 230
Kriemhild die schöne gar gütlich sprach sie da:
"Nun sag mir liebe Märe, so geb ich dir mein Gold,
Und thust dus ohne Trügen, will ich dir immer bleiben hold.
"Wie schied aus dem Streite mein Bruder Gernot 231
Und meine andern Freunde? Blieb uns nicht Mancher todt?
Wer that da das Beste? das sollst du mir sagen"
Da sprach der biedre Bote: "Wir hatten nirgend einen Zagen.
"Zuvorderst in dem Streite ritt Niemand so wohl, 232
Hehre Königstochter, wenn ich es sagen soll,
Als der edle Fremdling aus dem Niederland:
Da wirkte große Wunder des kühnen Siegfriedes Hand.
"Was von den Recken allen im Streit da geschehn, 233
Dankwart und Hagen und des Königs ganzem Lehn,
Wie wehrlich sie auch stritten, das war doch wie ein Wind
Nur gegen Siegfrieden, König Siegmundens Kind.
"Sie haben in dem Sturme der Helden viel erschlagen; 234
Doch möcht euch dieser Wunder ein Ende Niemand sagen,
Die da Siegfried wirkte, ritt er in den Streit.
Den Fraun an ihren Freunden that er mächtiges Leid.
"Auch muste vor ihm fallen der Friedel mancher Braut. 235
Seine Schläge schollen auf Helmen also laut,
Daß sie aus Wunden brachten das fließende Blut:
Er ist in allen Dingen ein Ritter kühn und auch gut.
"Da hat auch viel begangen von Metz Herr Ortewein: 236
Was er nur mocht erlangen mit dem Schwerte sein,
Das fiel vor ihm verwundet oder meistens todt.
Da schuf euer Bruder die allergrößeste Noth,
"Die jemals in Stürmen mochte sein geschehn; 237
Man muß dem Auserwählten die Wahrheit zugestehn.
Die stolzen Burgunden bestanden so die Fahrt,
Daß sie vor allen Schanden die Ehre haben bewahrt.
"Man sah von ihren Händen der Sättel viel geleert, 238
Als so laut das Feld erhallte von manchem lichten Schwert.
Die Recken vom Rheine die ritten allezeit,
Daß ihre Feinde beßer vermieden hätten den Streit.
"Auch die kühnen Tronjer schufen großes Leid, 239
Als mit Volkskräften das Heer sich traf im Streit.
Da schlug so Manchen nieder des kühnen Hagen Hand,
Es wäre viel zu sagen davon in der Burgunden Land.
"Sindold und Hunold in Gernotens Heer 240
Und Rumold der kühne schufen so viel Beschwer,
König Lüdger mag es beklagen allezeit,
Daß er meine Herren am Rhein berief in den Streit.
"Kampf, den allerhöchsten, der irgend da geschah, 241
Vom Ersten bis zum Letzten, den Jemand nur sah,
Hat Siegfried gefochten mit wehrlicher Hand:
Er bringt reiche Geisel her in König Gunthers Land.
"Die zwang mit seinen Kräften der streitbare Held, 242
Wovon der König Lüdegast den Schaden nun behält
Und vom Sachsenlande sein Bruder Lüdeger.
Nun hört meine Märe, viel edle Königin hehr!
"Gefangen hat sie beide Siegfriedens Hand: 243
Nie so mancher Geisel kam in dieses Land,
Als nun seine Kühnheit bringt an den Rhein."
Ihr konnten diese Mären nicht willkommener sein.
"Man führt der Gesunden fünfhundert oder mehr 244
Und der zum Sterben Wunden, wißt, Königin hehr,
Wohl achtzig blutge Bahren her in unser Land:
Die hat zumeist verhauen des kühnen Siegfriedes Hand.
"Die uns im Uebermuthe widersagten hier am Rhein, 245
Die müßen nun Gefangene König Gunthers sein;
Die bringt man mit Freuden her in dieses Land."
Ihre lichte Farb erblühte, als ihr die Märe ward bekannt.
Ihr schönes Antlitz wurde vor Freuden rosenroth, 246
Da lebend war geschieden aus so großer Noth
Der waidliche Recke, Siegfried der junge Mann.
Sie war auch froh der Freunde und that wohl weislich daran.
Die Schöne sprach: "Du machtest mir frohe Mär bekannt: 247
Ich laße dir zum Lohne geben reich Gewand,
Und zehn Mark von Golde heiß ich dir tragen."
Drum mag man solche Botschaft reichen Frauen gerne sagen.
Man gab ihm zum Lohne das Gold und auch das Kleid. 248
Da trat an die Fenster manche schöne Maid
Und schaute nach der Straße, wo man reiten fand
Viel hochherzge Degen in der Burgunden Land.
Da kamen die Gesunden, der Wunden Schar auch kam: 249
Die mochten grüßen hören von Freunden ohne Scham.
Der Wirth ritt seinen Gästen entgegen hocherfreut:
Mit Freuden war beendet all sein mächtiges Leid.
Da empfieng er wohl die Seinen, die Fremden auch zugleich, 250