Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann

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Hand gelegt. Er war anzusehen wie ein mächtiger Heiliger, und alle, selbst die Äbtissin, schienen von wunderbarer scheuer Ehrfurcht durchdrungen. – Ich kniete beinahe dicht an der Seite der Bahre. Aureliens Blick fiel auf mich, da erfaßte mich tiefer Jammer über der Heiligen schmerzliches Märtyrertum. Keines Wortes mächtig, war es nur ein dumpfer Schrei, den ich ausstieß. Da sprach Aurelie sanft und leise: “Was klagest du über die, welche von der ewigen Macht des Himmels gewürdigt wurde, von der Erde zu scheiden in dem Augenblick, als sie die Nichtigkeit alles Irdischen erkannt, als die unendliche Sehnsucht nach dem Reich der ewigen Freude und Seligkeit ihre Brust erfüllte?” – Ich war aufgestanden, ich war dicht an die Bahre getreten. “Aurelie”, sprach ich, – “heilige Jungfrau! Nur einen einzigen Augenblick senke deinen Blick herab aus den hohen Regionen, sonst muß ich vergehen, in – meine Seele, mein innerstes Gemüt zerrüttenden, verderbenden Zweifeln. – Aurelie! verachtest du den Frevler, der wie der böse Feind selbst in dein Leben trat? – Ach! schwer hat er gebüßt – aber er weiß es wohl, daß alle Buße seiner Sünden Maß nicht mindert – Aurelie! bist du versöhnt im Tode?” – Wie von Engelsfittichen berührt, lächelte Aurelie und schloß die Augen. “Oh – Heiland der Welt – heilige Jungfrau – so bleibe ich zurück, ohne Trost der Verzweiflung hingegeben! O Rettung! – Rettung von höllischem Verderben!” So betete ich inbrünstig, da schlug Aurelie noch einmal die Augen auf und sprach: “Medardus – nachgegeben hast du der bösen Macht! Aber blieb ich denn rein von der Sünde, als ich irdisches Glück zu erlangen hoffte in meiner verbrecherischen Liebe? –Ein besonderer Ratschluß des Ewigen hatte uns bestimmt, schwere Verbrechen unseres freveligen Stammes zu sühnen, und so vereinigte uns das Band der Liebe, die nur über den Sternen thront und die nichts gemein hat mit irdischer Lust. Aber dem listigen Feinde gelang es, die tiefe Bedeutung unserer Liebe uns zu verhüllen, ja uns auf entsetzliche Weise zu verlocken, daß wir das Himmlische nur deuten konnten auf irdische Weise. –Ach! war ich es denn nicht, die dir ihre Liebe bekannte im Beichtstuhl, aber statt den Gedanken der ewigen Liebe in dir zu entzünden, die höllische Glut der Lust in dir entflammte, welche du, da sie dich verzehren wollte, durch Verbrechen zu löschen gedachtest? Fasse Mut, Medardus! Der wahnsinnige Tor, den der böse Feind verlockt hat zu glauben, er sei du und müsse vollbringen, was du begonnen, war das Werkzeug des Himmels, durch das sein Ratschluß vollendet wurde. – Fasse Mut, Medardus – bald, bald …” Aurelie, die das letzte schon mit geschlossenen Augen und hörbarer Anstrengung gesprochen, wurde ohnmächtig, doch der Tod konnte sie noch nicht erfassen. “Hat sie Euch gebeichtet, ehrwürdiger Herr? Hat sie Euch gebeichtet?” so frugen mich neugierig die Nonnen. “Mitnichten”, erwiderte ich, “nicht ich, sie hat meine Seele mit himmlischen Trost erfüllt.” – “Wohl dir, Medardus, bald ist deine Prüfungszeit beendet – und wohl mir dann!” Es war der Maler, der diese Worte sprach. Ich trat auf ihn zu: “So verlaßt mich nicht, wunderbarer Mann.” – Ich weiß selbst nicht, wie meine Sinne, indem ich weitersprechen wollte, auf seltsame Weise betäubt worden; ich geriet in einen Zustand zwischen Wachen und Träumen, aus dem mich ein lautes Rufen und Schreien erweckte. Ich sah den Maler nicht mehr. Bauern – Bürgersleute –Soldaten waren in die Kirche gedrungen und verlangten durchaus, daß ihnen erlaubt werden solle, das ganze Kloster zu durchsuchen, um den Mörder Aureliens, der noch im Kloster sein müsse, aufzufinden. Die Äbtissin, mit Recht Unordnungen befürchtend, verweigerte dies, aber ihres Ansehens unerachtet, vermochte sie nicht die erhitzten Gemüter zu beschwichtigen. Man warf ihr vor, daß sie aus kleinlicher Furcht den Mörder verhehle, weil er ein Mönch sei, und immer heftiger tobend, schien das Volk sich zum Stürmen des Klosters aufzuregen. Da bestieg Leonardus die Kanzel und sagte dem Volk nach einigen kräftigen Worten über die Entweihung heiliger Stätten, daß der Mörder keinesweges ein Mönch, sondern ein Wahnsinniger sei, den er im Kloster zur Pflege aufgenommen, den er, als er tot geschienen, im Ordenshabit nach der Totenkammer bringen lassen, der aber aus dem todähnlichen Zustande erwacht und entsprungen sei. Wäre er noch im Kloster, so würden es ihm die getroffenen Maßregeln unmöglich machen zu entspringen. Das Volk beruhigte sich und verlangte nur, daß Aurelie nicht durch die Gänge, sondern über den Hof in feierlicher Prozession nach dem Kloster gebracht werden solle. Dies geschah. Die verschüchterten Nonnen hoben die Bahre auf, die man mit Rosen bekränzt hatte. Auch Aurelie war wie vorher mit Myrten und Rosen geschmückt. Dicht hinter der Bahre, über welche vier Nonnen den Baldachin trugen, schritt die Äbtissin, von zwei Nonnen unterstützt, die übrigen folgten mit den Klaren-Schwestern, dann die Brüder der verschiedenen Orden, ihnen schloß sich das Volk an, und so bewegte sich der Zug durch die Kirche. Die Schwester, welche die Orgel spielte, mußte sich auf den Chor begeben haben, denn sowie der Zug in der Mitte der Kirche war, ertönten dumpf und schauerlich tiefe Orgeltöne vom Chor herab. Aber siehe, da richtete sich Aurelie langsam auf und erhob die Hände betend zum Himmel, und aufs neue stürzte alles Volk auf die Knie nieder und rief: “Sancta Rosalia, ora pro nobis.” – So wurde das wahr, was ich, als ich Aurelien zum erstenmal sah, in satanischer Verblendung nur frevelig heuchelnd, verkündet.

      Als die Nonnen in dem untern Saal des Klosters die Bahre niedersetzten, als Schwestern und Brüder betend im Kreis umherstanden, sank Aurelie mit einem tiefen Seufzer der Äbtissin, die neben ihr kniete, in die Arme. – Sie war tot! – Das Volk wich nicht von der Klosterpforte, und als nun die Glocken den irdischen Untergang der frommen Jungfrau verkündeten, brach alles aus in Schluchzen und Jammergeschrei. – Viele taten das Gelübde, bis zu Aureliens Exequien in dem Dorf zu bleiben und erst nach denselben in die Heimat zurückzufahren, während der Zeit aber strenge zu fasten. Das Gerücht von der entsetzlichen Untat und von dem Martyrium der Braut des Himmels verbreitete sich schnell, und so geschah es, daß Aureliens Exequien, die nach vier Tagen begangen wurden, einem hohen, die Verklärung einer Heiligen feiernden Jubelfest glichen. Denn schon Tages vorher war die Wiese vor dem Kloster wie sonst am Bernardustage mit Menschen bedeckt, die, sich auf den Boden lagernd, den Morgen erwarteten. Nur statt des frohen Getümmels hörte man fromme Seufzer und ein dumpfes Murmeln. – Von Mund zu Mund ging die Erzählung von der entsetzlichen Tat am Hochaltar der Kirche, und brach einmal eine laute Stimme hervor, so geschah es in Verwünschungen des Mörders, der spurlos verschwunden blieb.

      Von tieferer Einwirkung auf das Heil meiner Seele waren wohl diese vier Tage, die ich meistens einsam in der Kapelle des Gartens zubrachte, als die lange strenge Buße im Kapuzinerkloster bei Rom. Aureliens letzte Worte hatten mir das Geheimnis meiner Sünden erschlossen, und ich erkannte, daß ich, ausgerüstet mit aller Kraft der Tugend und Frömmigkeit, doch wie ein mutloser Feigling dem Satan, der den verbrecherischen Stamm zu hegen trachtete, daß er fort und fort gedeihe, nicht zu widerstehen vermochte. Gering war der Keim des Bösen in mir, als ich des Konzertmeisters Schwester sah, als der frevelige Stolz in mir erwachte, aber da spielte mir der Satan jenes Elixier in die Hände, das mein Blut wie ein verdammtes Gift in Gärung setzte. Nicht achtete ich des unbekannten Malers, des Priors, der Äbtissin ernste Mahnung. – Aureliens Erscheinung am Beichtstuhl vollendete den Verbrecher. Wie eine physische Krankheit von jenem Gift erzeugt, brach die Sünde hervor. Wie konnte der dem Satan Ergebene das Band erkennen, das die Macht des Himmels als Symbol der ewigen Liebe um mich und Aurelien geschlungen? – Schadenfroh fesselte mich der Satan an einen Verruchten, in dessen Sein mein Ich eindringen, so wie er geistig auf mich einwirken mußte. Seinen scheinbaren Tod, vielleicht das leere Blendwerk des Teufels, mußte ich mir zuschreiben. Die Tat machte mich vertraut mit dem Gedanken des Mordes, der dem teuflischen Trug folgte. So war der in verruchter Sünde erzeugte Bruder das vom Teufel beseelte Prinzip, das mich in die abscheulichsten Frevel stürzte und mich mit den gräßlichsten Qualen umhertrieb. Bis dahin, als Aurelie nach dem Ratschluß der ewigen Macht ihr Gelübde sprach, war mein Innres nicht rein von der Sünde; bis dahin hatte der Feind Macht über mich, aber die wunderbare innere Ruhe, die wie von oben herabstrahlende Heiterkeit, die über mich kam, als Aurelie die letzten Worte gesprochen, überzeugte mich, daß Aureliens Tod die Verheißung der Sühne sei. – Als in dem feierlichen Requiem der Chor die Worte sang: “Confutatis maledictis flammis acribus addictis”, fühlte ich mich erbeben, aber bei dem “Voca me cum benedictis” war es mir, als sähe ich in himmlischer Sonnenklarheit Aurelien, wie sie erst auf mich niederblickte und dann ihr von einem strahlenden Sternenringe umgebenes Haupt zum höchsten Wesen erhob, um für das ewige Heil meiner Seele zu bitten! – “Oro supplex et acclinis cor contritum quasi cinis!” – Nieder sank ich in den Staub, aber wie

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