Butler Parker 157 – Kriminalroman. Günter Dönges
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Nach knapp fünf Minuten verließ Parker die Durchgangsstraße und näherte sich der Region, wo der Kidnapper Hank Hasker wohnte. Als Parker in die bewußte Straße einbog, entdeckte er vor der Auslage eines Zeitungshändlers eine schlanke, hochgewachsene Gestalt. Es handelte sich um Horace Pickett, der etwa sechzig Jahre zählte und an einen pensionierten Offizier erinnerte. Pickett trug einen dunklen Stoffmantel und einen Travellerhut.
Parker hielt, verließ den Wagen und schritt auf den Kiosk zu. Er kaufte einige Zeitungen, entfaltete ein Blatt und blieb in Picketts Nähe stehen, der bereits in einer Zeitung las.
»Zwei Profis sitzen drüben in einer Teestube«, sagte Pickett, wobei er kaum seine Lippen bewegte, »und Hank Hasker hat Stellung in einer Nachbarwohnung bezogen. Ich habe ihn an der Beschreibung sofort erkannt. Er hofft wohl, daß Sie sich Zutritt zu seiner Wohnung verschaffen.«
»Sie sind allein, Mr. Pickett?« fragte der Butler.
»Eine meiner Bekannten sitzt in der Teestube.«
»Mylady dankt Ihnen bereits jetzt für die geleistete Vorarbeit«, meinte der Butler, »Sie sollten ab sofort Zurückhaltung üben, Mr. Pickett, und sich nur einschalten, wenn Sie das Gefühl haben, unbedingt gebraucht zu werden.«
»Ich werde in der Nähe sein, aber erst mal unsichtbar bleiben«, erwiderte der ehemalige Taschendieb, der die Zeitung zusammenschlug und sich in Bewegung setzte. Parker stieg zurück in seinen Wagen und fuhr fort. Er passierte die Teestube, die dem Haus gegenüberlag, das er aufzusuchen gedachte. Parker wendete am Ende der Straße. Vor dem bewußten Haus hielt er und öffnete den hinteren Wagenschlag. Agatha Simpson, die von Parker natürlich bereits ins Bild gesetzt worden war, brachte ihren perlenbestickten Pompadour umgehend in leichte Schwingung. Sie konnte es kaum erwarten, den Glücksbringer in Aktion zu setzen, der sich im Handbeutel befand.
*
Bei diesem sogenannten Glücksbringer handelte es sich um ein Pferdehufeisen von beachtlicher Größe und daher auch Schwere. Es war nur oberflächlich in dünnen Schaumstoff verpackt und verursachte die Wirkung eines auskeilenden Pferdes, falls Mylady sich veranlaßt sah, diesen Glücksbringer einzusetzen. Sie handhabte den Pompadour, der an langen Lederriemen am linken Handgelenk hing, mit außerordentlicher Kraft und Geschicklichkeit. Da sie dem Hobby des Sportbogenschießens und dem Golf huldigte, war ihre entsprechende Muskulatur sehr gut ausgebildet.
An all das dachte Parker natürlich nicht, als er die Treppe hinaufstieg. Anhand der Namensschilder am Klingelbrett hatte er sich kurz orientiert und wußte, wo Hank Hasker wohnte. Man mußte in die zweite Etage. Im Treppenhaus roch es penetrant nach Feuchtigkeit und frischer Farbe.
Auf dem Treppenabsatz der zweiten Etage entdeckte der Butler den Grund für diesen fast beleidigenden Geruch. In einer Ecke standen Eimer und Kübel, waren Farbrollen und Blechkanister abgestellt worden. Man war dabei, das Treppenhaus zu streichen, doch die betreffenden Handwerker waren weit und breit nicht zu sehen.
Parker legte seinen schwarz behandschuhten Zeigefinger auf den Klingelknopf und trat abwartend zurück, obwohl er von Pickett erfahren hatte, daß der Lastwagenfahrer nicht in seiner kleinen Wohnung war. Parker wußte, daß man Lady Simpson und ihn beobachtete, spielte die von ihm erwartete Rolle also erst mal durch.
»Mr. Hasker scheint nicht zu Hause zu sein, Mylady«, meldete er nach wenigen Augenblicken.
»Sehr schön«, freute sich die ältere Dame, »Sehen Sie nach, ob dieses Subjekt die Tür wirklich geschlossen hat, Mr. Parker. Es kann ja sein, daß er etwas nachlässig war.«
»Wie Mylady befehlen.« Parker holte sein Patentbesteck aus einer Tasche seines Zweireihers und unterhielt sich auf seine Weise kurz mit dem an sich recht guten und komplizierten Schloß. Es ging sofort auf seine Vorstellungen und Anregungen ein und öffnete sich willig. Parker drückte mit der Spitze seines Regenschirmes das Türblatt auf und horchte in die Wohnung.
»Einem Nähertreten, Mylady, dürfte nichts im Weg stehen«, sagte er dann und trat zur Seite. Seine Herrin nickte und stürmte förmlich in die Wohnung. Sie brannte darauf, sich mit dem Kidnapper gründlich zu unterhalten. Parker folgte, zog hinter sich die Tür zu, wartete einen Moment und öffnete dann wieder. Er blieb neben der benachbarten Tür stehen, und es dauerte nur Sekunden, bis sie geöffnet wurde.
Hank Hasker erschien auf der Bildfläche und war sich seiner Sache völlig sicher. Er hielt eine schallgedämpfte Automatik in Händen und pirschte an die Tür zu seiner Wohnung. Er legte das Ohr gegen das Türblatt, zog dann einen Schlüssel aus der Hosentasche und sperrte vorsichtig auf. Er rechnete fest damit, Lady Simpson und Butler Parker überraschen zu können. Er kam nicht auf den Gedanken, sich umzuwenden. Parker stand genau hinter ihm und hatte seinen Universal-Regenschirm bereits gehoben. Der Butler wollte sich auf nichts einlassen und keine Möglichkeit geben, einen Schuß abzufeuern. Daher verzichtete Parker auch darauf, sich in seiner höflichen Art bemerkbar zu machen. Sicherheit hatte jetzt Vorrang.
Parker klopfte bei Hank Hasker kurz an.
Der Kidnapper blieb wie versteinert stehen, ließ einen tiefen Seufzer vernehmen und schraubte sich dann nach unten zu Boden. Bevor er auf ihm landete, wurde er von Parker aufgefangen. Dabei nahm der Butler die gefährliche Schußwaffe an sich, klopfte noch mal an, doch diesmal bei Lady Simpson, die in Haskers Wohnung gewartet hatte. Sie öffnete die Tür, faßte den Breitschultrigen am Kragen und zerrte ihn in die Wohnung. Dabei funkelten ihre Augen unternehmungslustig.
Parker horchte nach unten ins Treppenhaus und hörte leise, schnelle Schritte.
Die beiden Profis waren demnach bereits in Anmarsch. Sie hatten die Teestube verlassen und wollten Hasker Hilfestellung geben. Parker war bereit, wieder mal zu improvisieren und sie entsprechend zu empfangen. Dicht neben ihm standen ja einige Gegenstände, die man zweckentfremdend einsetzen konnte...
*
Der erste Profi färbte sich rosa.
Butler Parker hatte einen der Farbkübel nach unten geschickt und dafür gesorgt, daß die Binderfarbe während des Fluges den Behälter bereits verließ. Klatschend landete der Farbguß auf dem Kopf des völlig verdutzten Mannes und verschloß ihm die Augen.
Der zweite Profi wollte sich blitzschnell absetzen und die Flucht ergreifen, doch Parker, der mit dieser Reaktion gerechnet hatte, arbeitete mit einem gewissen Vorhaltewinkel und nickte andeutungsweise, als die Farbe aus dem zweiten Kübel genau im Gesicht des Flüchtenden landete. Der zweite Profi hatte nämlich prüfend nach oben geblickt und so sein Gesicht zur Landefläche der Farbe förmlich angeboten.
Es handelte sich um weiße Binderfarbe.
Der Mann wischte sich verzweifelt durch’s Gesicht, weil auch er nichts sehen konnte. Dabei kollidierte er mit seinem Partner, der sich ebenfalls mit seinen Augen befaßte. Sie behinderten sich gegenseitig, rutschten auf der Farbe aus und hielten sich krampfhaft aneinander fest. Dabei vermischten sich beide Binderfarben und schufen ein interessantes pinkfarbenes Muster.
Keiner der Profis war in der Lage, Gebrauch von der Schußwaffe zu machen. Man saß inzwischen auf dem schlüpfrigen Boden, versuchte