Heimathafen Hellas. Andreas Deffner
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Wir setzten uns an einen der wackeligen Korbstühle. Todmüde und kaffeedurstig sahen wir uns mit müden Augen in dem kleinen Café um. An den Wänden hingen alte Schwarz-Weiß-Fotos von Männern in Kafeneíons und Fischern am Strand. Aus dem Fernseher war das Durcheinander einer morgendlichen Nachrichtendiskussionsrunde zu hören, von der wir kein Wort verstanden. Wir fühlten uns in einer fremden Welt, in der nach nur wenigen Minuten der bekannte Wirt erschien. Er trug ein orientalisch anmutendes, goldfarbenes Tablett. Drei gedrehte Metallstreben ragten von diesem in die Höhe und bildeten in der Mitte, etwa dreißig Zentimeter oberhalb der Ablagefläche, eine Trageöse an der Herr Kafétzis – der Herr Kaffeemann – das Tablett lässig an einer Hand durch den Laden baumelte. Mit freundlichen Worten stellte er uns zwei kleine Espressotassen auf den Tisch, die nach frischem Kaffee dufteten. Sehen konnten wir das heiß ersehnte Schwarze jedoch nicht. Ein bizarr anmutender, dichter Schaum, dessen winzige Bläschen gold-blau schimmerten, bedeckte das Getränk. Außerdem fanden zwei gefüllte Wassergläser neben den Kaffeetässchen Platz auf dem Metalltischchen. Wer hätte gedacht, dass wir diese so schnell benötigen würden.
Finne war noch gieriger als ich, und führte seine Kaffeetasse blitzschnell an die Lippen. Ein Wunder, dass er dabei nichts verschüttete, denn die beiden Tässchen waren randvoll. Ich erinnere mich nur noch, dass ich bereits Finnes zu einer Grimasse verzerrtes Gesicht sah, als auch ich schon meinen Kaffee mit einem großen Schluck in meinem Rachen versenkte. Terra cotta – verbrannte Erde, war das erste, was mir dazu einfiel. Eine kaum zu schluckende, krisselige Masse bahnte sich ihren langsamen Weg meinen Rachen hinab. Wie Sandpapier schmirgelte der »Kaffee« die Innenwände meiner Speiseröhre. An Finnes Blick erkannte ich sofort, dass ihm Gleiches passiert sein musste. Wir spuckten und husteten, und während wir hastig mit dem Wasser nachspülten, ging der Wirt keck grinsend zu dem alten rauchenden Mann in der Ecke, der verschreckt ob unseres Röchelns aufsah. Der Wirt brabbelte ihm etwas zu, dann fingen beide aus vollem Herzen an zu lachen. Uns dämmerte, dass uns irgendein Fehler beim Trinken des Kaffees unterlaufen sein musste. Gleichzeitig ärgerten wir uns, dass wir das offenbar gut gemeinte Angebot des Wirtes, uns Nescafé zu bringen, nicht angenommen hatten.
Erst später erfuhren wir, dass man uns den so köstlichen griechischen Mokka, den Ellinikó, serviert hatte. Wir haben uns den gesamten Urlaub nicht mehr an einen solchen herangetraut. Dabei hätten wir nur etwas warten müssen, bis sich der Kaffeesatz auf den Grund der Tasse abgesetzt hätte. Perikles brachte mir zwei, drei Jahre später bei, wie man den original griechischen Kaffee exzellent zubereitet. Hier die Variante métrio – mittelsüß:
In ein Briki, den langstieligen kleinen Kaffeetopf, gibt man einen halben Teelöffel Zucker, 1 ½ Teelöffel griechisches, feingemahlenes Kaffeepulver und so viel Wasser, wie in eine der kleinen Mokkatässchen passt. Über der allerkleinsten Flamme eines Gaskochers wird das Briki so lange geschwenkt, bis der Kaffee anfängt zu kochen und plötzlich schäumend aufsteigt. In dem Moment, in dem der Kaffeeschaum gerade den Rand des Brikis erreicht, das Töpfchen schnell von der Flamme nehmen und den Kaffee in die bereitgestellte Mokkatasse gießen. Jetzt, und das ist ganz wichtig, warten, bis sich der Kaffeesatz abgesetzt hat! Fünf Minuten sind auf jeden Fall ausreichend.
Nach unserem frühmorgendlichen Erlebnis in einem wildfremden Land, mit so seltsamen Kaffeeaufguss-Eigenarten, waren wir zwar nicht ausgeruht, dafür aber hellwach. Vom Kafeneíon aus fanden wir schnell die Nationalstraße Richtung Korinth. Zum Glück sind die Straßenschilder in Griechenland abwechselnd mit griechischen Buchstaben (Κόϱινθος) und mit lateinischen Lettern (Kórinthos) beschrieben. So folgten wir der Küstenstraße am nördlichen Rand der Peloponnes bis nach Korinth, wo wir uns erneut auf die Hinweisschilder mit den lateinischen Buchstaben konzentrierten. Den Abzweig nach Argos fanden wir ebenso leicht. Die Straße führte uns zwischen Bergen, Weiden und Feldern hindurch. Es wurde immer einsamer, ländlicher, verlassener. Alle paar hundert Meter kreuzte die Straße die Bahngleise der Peloponnes-Eisenbahn. Gut, dass mich Stefan vor den Bahnübergängen gewarnt hatte. Etwas schneller als mit Schrittgeschwindigkeit überfuhren wir das erste Mal die schmalen, alten Gleise. Es riss uns fast die Achsen weg und im Inneren des Wagens hatten wir Mühe die umherfliegenden Musikkassetten einzufangen. Die nächsten Bahnübergänge querten wir daher in angemessenem Tempo. Fast stehend! Weiter und weiter schlängelte sich die Straße an Weinreben, Feldern und verlassenen Bahnhöfen entlang und immer wieder diese verdammten Schienen, über die die Straße regelmäßig geführt wurde. Manchmal beschrankt, manchmal nicht, häufig aber nur mit einem Signallicht und einer halben, weil abgebrochenen oder abgefahrenen Schranke. Wir wähnten uns auf der Straße ins Nirgendwo. Als wir nach einiger Zeit bereits zweifelten, ob wir noch auf dem richtigen Weg seien, sahen wir ein altes, rostiges Schild mit der kaum noch lesbaren Aufschrift: »Argos«.
Als wir endlich die Hauptstadt der Präfektur Argólis erreichten, wurde es knifflig. Um die Mittagszeit herrschte in der Kreisstadt mit den engen Gassen hektisches Treiben, und Autos und Mopeds drängelten sich durchs Gewühl. Wir ließen uns einfach vom Verkehr mitreißen und landeten wider Erwarten auf der Straße Richtung Náfplion. Eine breite, befahrene Straße, die zwischen Feldern, Brachflächen und Wiesen einer Ebene hindurchführt. Es herrschte reges Treiben. Gut gefüllte Busse der KTEL, der griechischen Überlandbusgesellschaft, drängelten wild hupend von hinten, am Straßenrand tummelten sich Mopeds mit ihren Ein- bis Viermann-Besatzungen, natürlich alle ohne Helm, und nicht nur wegen der fehlenden Mittelstreifen überholten PKW und LKW gleichermaßen keck mal links, mal ganz links oder eben rechts. An die vorgeschriebene Geschwindigkeitsbegrenzung schien sich niemand zu halten, und das, obwohl mindestens alle fünfhundert Meter gleich mehrere Schilder Tempo 50 km/h anpriesen. Wie durch ein Wunder gelangten wir unfallfrei bis Náfplion, wo wir von dem überwältigenden ersten Eindruck des Blickes auf das Palamídi empfangen wurden. Die Festungsanlage aus dem 18. Jahrhundert thronte erhaben auf einer Anhöhe oberhalb der Stadt. Wir beschlossen spontan, Náfplion in den nächsten Tagen einen ausgiebigen Besuch abzustatten. Jetzt aber wollten wir erstmal nur noch nach Toló. Die verbleibenden gut zehn Kilometer bis zu unserem Ziel schafften wir in Windeseile. Wir hatten uns inzwischen an die griechisch-anarchische Fahrweise angepasst. Bei Temperaturen knapp unter 40 Grad Celsius schmolzen wir im Ford langsam dahin. Der Fahrtwind, der durch die maximal geöffneten Fenster hereinwehte, erinnerte mich an den heimischen Fön im Badezimmer. Als wir um die letzte Kurve vor Toló bogen, lag das antike Asíni in Sichtweite, aber den ersten Blick auf die Bucht von Toló werde ich niemals vergessen. Die Straße führte uns auf einer kleinen Anhöhe direkt an den Felsen der Küste entlang. Vor uns lag die sichelförmige Bucht mit ihrem großen weißen Sandstrand, den zwei vorgelagerten Inselchen und dem kleinen Hafen. Es herrschte reger Badebetrieb. Fröhlich tanzten Luftmatratzen auf den Wellen des türkisblauen Meeres, schaukelten Fischerboote gemütlich im Takt der sanften Dünung und planschten Kinder, Eltern und Großeltern einträchtig im kühlen Nass. Das Paradies. Wir hatten es gefunden!
Als wir durch die enge, mit Autos, Mopeds und Menschen zum Bersten gefüllte Dorfstraße rollten, sahen wir uns verdutzt an. Hatte Stefan nicht von einem idyllisch-gemütlichen Fischerdorf gesprochen? Als wir schließlich im dichten Verkehr steckenblieben, waren wir sicher, das Dorfende und somit den Hafen erreicht zu haben. Den Wagen parkten wir irgendwo im chaotischen Gewühl und machten uns auf, Stefan zu suchen. Der Strand lag in Sichtweite links der Straße und so sollten wir es also bald schaffen, Perikles’ Taverne zu finden. Strandbars, Cafés und Tavernen die ihre Tische und Stühle direkt am Meer auf den feinen Sandstrand aufgestellt hatten, so weit das Auge reichte. Eines neben dem