Heimathafen Hellas. Andreas Deffner

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Heimathafen Hellas - Andreas Deffner

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riss uns von diesem sagenhaften Anblick fort und zeigte uns noch schnell, wo wir auf dem Flur die zwei Toiletten und Duschen finden würden, dann verschwand er hastig. Seine Gäste riefen bereits nach ihm und seine Mutter Vagelió daraufhin am lautesten. »Perikliiiiii. Perikliiiiii!«, schrillte es durch die Taverne, über die Terrasse und durch halb Toló.

      Die Temperatur in unserem frisch bezogenen Zimmer, schien inzwischen auf geschätzte 60 Grad angestiegen zu sein. Da half nur eins: Schnell raus aus den Klamotten, Badehosen an und ab ins Meer! Zwei Minuten später stiegen wir ins erfrischend kühle Nass der Badewanne vor der Tür. Stefan, der nun ebenfalls badete, sagte: »Das Meer hat 29 Grad Wassertemperatur. Herrlich, oder?« Paradiesisch. Poseidon, der Gott des Meeres, hatte es angenehm für uns hergerichtet.

      »Jetzt im August baden sogar die Griechen im Meer. Vorher ist es den allermeisten zu kalt.« Das fröhliche Lachen planschender einheimischer und fremder Kinder war zu hören, am Himmel kreischten einzelne Möwen über den heimkehrenden Fischerbooten und in den Bäumen zirpten die Zikaden. Dieses Idyll wurde plötzlich durch ein plärrendes Hupen gestört. Ein verbeulter blauer Toyota Pick-up war die Tsouderou-Straße in Richtung Strand heruntergefahren und parkte nun direkt hinter meinem Escort. Ein wildes Gekeife drang durch das geöffnete Seitenfenster. Ein unzubändigendes Hupen brüllte über den Strand, über das Meer; vermutlich sogar bis hinüber in die Türkei. Und als das Tier hinterm Steuer ausstieg, ahnte ich nichts Gutes. Ein englisches Nummernschild und ein wuchtiger Lockenkopf als Fahrer, dessen Augen zu glühen schienen, ließen Schlimmes erwarten. Die Statur eines Preisboxers kombiniert mit dem wilden Blick eines britischen Hooligans nach einem verlorenen Heimspiel. Weglaufen, so schnell wie möglich den Ford umparken oder so tun als sei es nicht unser?

      »Nicht so schnell«, sagte Stefan. »Das ist nur Jannis. Ihm gehört das Wassersportzentrum hier nebenan. Der kann ruhig mal etwas warten.« Dann ging er sanften Schrittes an Land und schlurfte gemächlich zu Jannis hinüber. Während der lockige Wassersportchef weiterhin seine Pranke durch das offene Fenster zum Dauerhupen auf das Lenkrad legte, sprach Stefan ihn an. Wir konnten leider nichts verstehen, blickten aber gespannt hinüber. Der kräftige Jannis stand, seinen Bierbauch der Sonne entgegengestreckt, da und hörte sich an, was Stefan zu sagen hatte. Auf seiner Knollennase glänzte eine hochmoderne Sonnenbrille mit orangefarbenen Gläsern, wie sie damals weltweit im Teleshop auf RTL und SAT1 angeboten wurde. Gar nicht mondän, stattdessen deutlich grimmig, blickte Jannis, nachdem Stefan zu Ende geredet hatte, zu uns herüber. Mit erhobenem Zeigefinger blaffte er Stefan noch einmal an, dann verschwand er in seiner typischen storchartig-kopfnickenden Gangart zu seinem »Watersportscenter Poseidon«. Es lag im übernächsten Haus neben der Taverne von Perikles und hatte ebenfalls eine Terrasse mit direktem Strandzugang. Dort herrschte reger Betrieb. Viele jugendliche Touristen, hauptsächlich Briten, tranken hier Bier und Cola und warteten darauf, dass die beliebten Plätze auf der Wasserbanane, auf den Ringos, den aufblasbaren Ringen, die hinter dem Motorboot rasend schnell übers Wasser gezogen werden, oder beim Paragliding frei werden würden. Jannis’ Wassersportgeschäft schien prächtig zu laufen. Ich hingegen war sicher, dass ich niemals bei diesem Griesgram ein Boot ausleihen oder Surfen lernen würde.

      Als Stefan zu uns ins Meer zurückkehrte, waren wir gespannt wie Flitzebögen. Sein guter Rat: »Nehmt euch vor Jannis in Acht, er kann ganz schön aufbrausend sein. Ich hab ihm gesagt, dass ihr euren Wagen gleich wegfahren werdet.« Dann erfuhren wir noch, dass der Wassersport-Hai mit einer Engländerin verheiratet war, dass der Toyota Gerüchten zufolge in Großbritannien gestohlen worden sein sollte und dass Jannis die öffentliche Straße und den angrenzenden Strand offenbar als sein Eigentum betrachtete, auf dem er tun und lassen konnte, was er wollte. Hätte Stefan uns auch erzählt, dass er selbst einmal in eine handfeste Schlägerei mit Jannis verwickelt wurde, bei dem es ebenfalls um einen falsch geparkten Wagen – nämlich Stefans! – gegangen war, wäre ich sicher sofort zu meinem Escort gelaufen, um ihn umgehend umzuparken. So jedoch ließen wir uns zunächst von der Sonne trocknen, bevor ich die Autoschlüssel holte. Jannis hatte schon auf mich gewartet. Er grummelte etwas Unverständliches in meine Richtung, bevor er den Toyota gerade soweit zurücksetzte, dass ich den Ford ganz knapp aus der Gefahrenzone lenken konnte. Nur einen Augenblick später parkte der angeblich gestohlene britische Pick-up an der Stelle, wo eben noch der weitgereiste Escort stand. Was tut man nicht alles für eine gute Völkerverständigung

      Nach einem weiteren Bad im Meer und nachdem sich die Aufregung der Ankunft gelegt hatte, war es Zeit für einen Mittagsschlaf. Gegen 17 Uhr wurde es ruhig auf der Terrasse der Taverne.

      »Von etwa fünf bis sieben macht Vagelió die Taverne zu«, erklärte uns Stefan den Tagesablauf. »Später treffen wir uns dann wieder hier. Man macht am Abend einen Spaziergang durchs Dorf und nach 22 Uhr geht man gemütlich zum Essen.« Dann verschwand auch er zu seinem Nickerchen. Nach einer kühlen Dusche, um das Salzwasser abzuwaschen, wollten wir es ihm nachtun. Robin zeigte uns, wie wir richtig mit den Duschen umzugehen hatten. Denn regelmäßig verstopften die engen Abflussrohre der Gemeinschaftsduschen auf der ersten Etage der Taverne und das Wasser lief dann rasch über den Rand der Duschtasse, mäanderte über den Steinfußboden im Flur bis genau in unser Nebenzimmer, in dem Robin schlief. Mehr als einmal war Robin in diesen Ferien bereits aufgewacht und hatte seinen Fuß in eine Pfütze neben dem Bett gesetzt. Nun war also klar, wieso in der Dusche immer auch ein Pömpel stand.

      Wo wir gerade mit Robin dabei waren, die sanitären Einrichtungen zu inspizieren, fragte ich ihn auch nach dem Sinn des runden, offenen Plastikkorbs neben der Toilette ohne Klobrille. Er sah uns verblüfft an. »Hat euch denn niemand gesagt, dass man in Griechenland das Klopapier nicht ins Klo werfen darf?« Erst jetzt entdeckten wir einen alten, vergilbten und bereits halb abgeblätterten Aufkleber an der nicht abschließbaren Toilettentür: »Μη ϱίχνετε χαϱτιά στη λεκάνη« (Mi richnete chartia sti lekani – Werfen Sie kein Papier in die Schüssel)

      Der Grund waren die in Griechenland sehr viel dünneren Abwasserrohre. Aber vielleicht lag es auch einfach daran, dass offenbar viele nach dem Klogang nicht daran dachten abzuziehen? Wie oft stand ich später in Café-, Tavernenoder Restauranttoiletten, die noch unangenehm gefüllt waren.

      Gegen Abend deutscher Zeit und am Nachmittag aus hellenischer Sicht, trafen wir uns wieder auf der Terrasse der »Tavérna To Néon«. Alle Sommergäste schienen gerade erst aus ihren Betten gestiegen zu sein. Schwere Lider, aber wohlige Vorstellungen davon, dass der nun obligatorisch folgende Kaffee für rasche Straffung sorgen würde. Die Badehosen und -anzüge, die den gesamten Tag über die Standardkleidung in und rund um die Taverne waren – bei über 35 Grad Celsius isst es sich eben angenehmer in Schwimmkleidung – waren nun langen Hosen und luftigen Röcken und Kleidern gewichen. Die griechischen Urlauber ebenso wie die Einheimischen waren bereit für ihre »vólta«, den abendlichen Spaziergang durchs Dorf. Perikles, der selbsternannte Sohn des Poseidon, hingegen, hatte es sich mit einem griechischen Mokka an seinem Lieblingsplatz der Terrasse gemütlich gemacht und genoss die für ihn wenigen ruhigen Minuten des Tages. Er schien beinahe zu meditieren, so gebannt sah er auf sein Meer vor der Haustür. Ich setzte mich zu ihm an den Tisch. Einen Augenblick schauten wir gemeinsam schweigend auf die seichten Wellenbewegungen. Ohne den Blick zu verändern, sagte Perikles leise zu mir: »Manchmal glaube ich wirklich, der Sohn des Poseidon zu sein. Woher sonst sollte ich diese Kraft haben, von früh morgens bis spät in die Nacht zu arbeiten?« Seine unbeschuhten Füße hatte er sockenlos auf einen zweiten Korbstuhl abgelegt. Sie sahen müde aus. Perikles hingegen hatte wieder dieses unbändige lebensbejahende Lächeln auf den schmalen Lippen. »Ωϱα για γαμάκι!« (Ora ja gamáki! – Zeit, sich um die schönen Mädchen zu kümmern!) sagte er und blickte mich mit seinem spitzbübischen Lächeln an. Eine Gruppe junger, scheinbar deutscher Frauen, spazierte gerade vor unseren Augen am Strand neben der Terrasse entlang. »Ποποπό!« (Popopó!), rief Perikles laut und verzückt diesen Ausdruck der griechischen Bewunderung aus. Er hatte die volle Aufmerksamkeit der jungen Touristinnen. »Blumen, Andreas. Alles

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