Szenen aus dem Landleben. Оноре де Бальзак

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Szenen aus dem Landleben - Оноре де Бальзак страница 4

Szenen aus dem Landleben - Оноре де Бальзак

Скачать книгу

ich so unglücklich gewesen, dass ich mich gezwungen sah, es zu verkaufen.«

      »Nun,« fuhr Genestas fort, »wie können Sie ohne Schulden bis zum Jahresende kommen, wenn Sie den Beruf ausüben, Kinder für zwei Sous täglich zu nähren, sauber zu halten und zu erziehen.«

      »Aber,« erwiderte sie, indem sie fortfuhr, ihren grindigen Kleinen zu säubern, »wir halten auch nicht ohne Schulden bis Sylvester aus, mein lieber Herr! Was wollen Sie? Der liebe Gott hilft. Ich habe zwei Kühe, dann stoppeln wir, meine Tochter und ich, während der Ernte. Im Winter gehen wir ins Holz und schließlich spinnen wir abends. Ach, es wird ja nicht immer ein Winter wie der letzte sein! Dem Müller schulde ich fünfundsiebzig Franken für Mehl. Glücklicherweise ist's Monsieur Benassis' Müller ... Monsieur Benassis ist ein Freund der Armen! Noch niemals hat er seine Forderungen, von wem es auch sein möge, eingetrieben, da wird er nicht mit uns anfangen. Überdies hat unsere Kuh ein Kalb, das wird uns immerhin ein bisschen von unseren Schulden frei machen.«

      Die vier Waisenkinder, für die aller menschlicher Schutz sich in der Zuneigung dieser alten Bäuerin zusammenfasste, waren mit ihren Pflaumen fertig geworden. Sie benutzten die Aufmerksamkeit, mit der ihre Mutter den Offizier beim Sprechen ansah, und vereinigten sich in geschlossener Reihe, um nochmals die Klinke der Tür, die sie von dem schönen Pflaumenhaufen trennte, aufzusprengen. Sie machten's dabei nicht wie die französischen Soldaten beim Angriff, sondern schweigend wie die Deutschen, von ihrer naiven und brutalen Naschhaftigkeit getrieben.

      »Ach! die kleinen Schelme! Wollt ihr wohl aufhören?«

      Die Alte stand auf, griff den kräftigsten der viere, versetzte ihm einen leichten Klaps auf den Hintern und warf ihn hinaus; er weinte nicht, die anderen zeigten sich ganz verdutzt.

      »Sie machen Ihnen viel zu schaffen ...«

      »O nein, mein Herr; aber sie riechen meine Pflaumen, die Lieblinge. Wenn ich sie einen Augenblick allein ließe, würden sie sich den Magen verderben.«

      »Sie haben sie lieb?«

      Bei dieser Frage hob die Alte den Kopf, sah den Soldaten mit leise spöttischer Miene an und antwortete: »Ob ich sie liebe! Ich habe ihrer drei bereits zurückgegeben,« fügte sie seufzend hinzu, »ich behalte sie nur bis zum sechsten Lebensjahre.«

      »Aber wo ist denn das Ihrige?«

      »Ich hab' es verloren.«

      »Wie alt sind Sie denn?« fragte Genestas, um die Wirkung seiner vorhergehenden Frage abzuschwächen.

      »Achtunddreißig Jahre, mein Herr. Am nächsten Johannistage sinds zwei Jahre, dass mein Mann gestorben ist.«

      Sie zog den kleinen kränklichen Jungen, der ihr durch einen blassen und zärtlichen Blick zu danken schien, vollends an.

      »Welch ein Leben voller Entsagung und Arbeit!« dachte der Reiter.

      Unter diesem Dache, welches des Stalles würdig war, worin Jesus Christus geboren wurde, vollzogen sich froh und ohne Dünkel die schwierigsten Pflichten der Mutterschaft. Welche in tiefster Vergessenheit begrabene Herzen! Welch ein Reichtum und welche Armut! Die Soldaten wissen besser als andere Menschen das Großartige der Erhabenheit in Holzschuhen, des Evangeliums in Lumpen zu schätzen. Anderswo findet man die Bibel, den bildergeschmückten, schön eingebunden mit Goldschnitt gezierten Text; dort aber herrschte sicherlich der Geist der Bibel. Unmöglich wäre es gewesen, nicht an irgendeine fromme Absicht des Himmels zu glauben, wenn man diese Frau sah, die Mutter geworden war, wie Jesus Christus Mensch geworden ist, die stoppelte, litt, sich für verlassene Kinder in Schulden stürzte und sich in ihren Rechnungen betrog, ohne erkennen zu wollen, dass sie sich zugrunde richtete, um Mutter zu sein. Beim Anblick dieser Frau musste man notgedrungen irgendwelche geheime Wechselbeziehungen zwischen den Guten hienieden und den geistigen Wesen über uns annehmen; so blickte sie denn der Major Genestas an und schüttelte den Kopf.

      »Ist Monsieur Benassis ein guter Arzt?« fragte er endlich.

      »Ich weiß es nicht, mein lieber Herr, aber er heilt die Armen umsonst.«

      »Es scheint,« fuhr er, mit sich selber sprechend, fort, »dass dieser Mann entschieden ein Mann ist!«

      »O ja, mein Herr, und ein braver Mann dazu! ... Auch gibt's nicht viele Leute hier, die ihn nicht morgens und abends in ihr Gebet einschließen!«

      »Das ist für Sie, Mutter,« sagte der Soldat, indem er ihr einige Geldstücke gab. »Und das für die Kinder,« fuhr er, einen Taler hinzulegend, fort. – »Hab' ich's noch weit bis zu Monsieur Benassis?« fragte er, als er wieder zu Pferde saß.

      »Oh, nein, mein lieber Herr, höchstens eine kleine Meile.«

      In der Überzeugung, dass er noch zwei Meilen zurückzulegen habe, ritt der Major fort. Nichtsdestoweniger erblickte er bald durch einige Bäume hindurch eine erste Häusergruppe, dann endlich die Dächer des Fleckens, der sich um einen Glockenturm mit kegelförmiger Spitze sammelt, dessen Schieferplatten an den Ecken des Gebälks durch in der Sonne glänzende Weißblechstreifen festgehalten werden. Dies originell wirkende Dach kündigt die Grenzen Savoyens an, wo es gebräuchlich ist. An dieser Stelle ist das Tal breit. Mehrere anmutig in der kleinen Ebene oder längs des Wildbachs gelegene Häuser beleben das gut angebaute, von allen Seiten durch die Berge verschanzte Land, das scheinbar keinen Ausgang hat. Einige Schritte vor diesem, auf der Mitte des Abhanges nach Süden liegenden Flecken hielt Genestas sein Pferd unter einer Ulmenallee vor einer Schar Kinder an und fragte sie nach Monsieur Benassis' Hause. Die Kinder sahen zuerst einander an und prüften den Fremden mit der Miene, mit der sie alles, was sich ihren Augen zum ersten Male bietet, betrachten: so viele Gesichter, so viele Schattierungen der Neugierde und soviel verschiedene Gedanken. Dann wiederholte der keckste, der munterste der Bande, ein kleiner Junge mit lebhaften Augen, nackten und schmutzigen Füßen, nach der Gewohnheit der Kinder:

      »Monsieur Benassis' Haus, mein Herr?«

      Und fügte hinzu:

      »Ich will Sie hinbringen.«

      Er ging vor dem Pferde her, ebensosehr, um eine gewisse Art Wichtigkeit zu gewinnen, wenn er einen Fremdling begleitete, wie aus kindlicher Gefälligkeit, oder um dem gebieterischen Bedürfnis nach Bewegung zu gehorchen, das in diesem Alter Seele und Leib beherrscht. Der Offizier verfolgte die Hauptstraße des Fleckens ihrer ganzen Länge nach, eine steinige, krumme Straße, welche von Häusern eingerahmt wurde, die nach dem Gutdünken der Besitzer erbaut worden waren. Da ragt ein Backofen mitten in den öffentlichen Weg hinein; dort zeigt sich ein Giebel im Profil und versperrt ihn teilweise; dann durchquert ihn ein aus den Bergen kommender Bach mit seinen Rinnsalen. Genestas bemerkte mehrere Dächer mit schwarzen Schindeln, mehr noch aus Stroh, einige aus Ziegeln, sieben oder acht aus Schiefer, zweifelsohne die des Pfarrers, des Friedensrichters und die der Bourgeois des Orts. Es war die ganze Nachlässigkeit eines Dorfes, jenseits dessen die Erde aufhören, das mit nichts zusammenhängen und an nichts grenzen musste; seine Bewohner schienen ein und dieselbe Familie außerhalb der sozialen Bewegung zu bilden und hingen damit nur durch den Steuereinnehmer oder durch unmerkliche Verzweigungen zusammen. Als Genestas einige Schritte weitergekommen war, sah er auf der Höhe des Berges eine breite Straße, die das Dorf beherrscht. Zweifelsohne gab es ein altes und ein neues Dorf. Tatsächlich konnte der Major bei einer schmalen Durchsicht und an einer Stelle, wo er den Schritt seines Pferdes mäßigte, leicht eine Anzahl gut gebauter Häuser entdecken, deren neue Dächer dem alten Dorf einen freundlicheren Anstrich verliehen. In diesen neuen Behausungen, die eine Allee von jungen Bäumen kränzt, hörte er die beschäftigten Arbeitern eigentümlichen Gesänge, das Summen einiger Werkstätten, das Knirschen der Feilen, das Klopfen der Hämmer, die unbestimmten

Скачать книгу