Tom Jones. Генри Филдинг
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Der Kapitän, wie er auch immer zu der Kenntnis gelangt sein mochte, verstand seine Schöne vollkommen richtig und wiederholte sehr bald darauf seine Anwerbung mit mehr Ernst und Wärme als vorher und ward abermals in gehöriger Form abgewiesen; so wie aber bei ihm das Verlangen immer dringender wurde, so nahm in eben dem Verhältnis bei der Dame die Heftigkeit im Verweigern immer mehr ab.
Um dem Leser damit keine Langeweile zu machen, daß wir ihn durch jeden Auftritt dieser Liebeshandlung hindurch führen (welche zwar nach der Meinung eines gewissen großen Gelehrten die behaglichste Szene des Lebens für die handelnde Person selbst ausmacht, dennoch für die Zuschauer vielleicht so schal und langweilig ist, als nur immer eine andre Szene sein kann), sagen wir hiermit in aller Kürze, der Kapitän machte seine Approchen nach den Regeln der Kunst in gehöriger Form; die Zidatelle ward in gehöriger Form verteidigt und ergab sich endlich in gehöriger Form auf Diskretion.
Während dieser ganzen Zeit, welche beinahe einen Monat betrug, beobachtete der Kapitän ein sehr ehrfurchtsvolles Bezeigen gegen das Fräulein, wann ihr Bruder zugegen war, und je weiter er es unter vier Augen mit ihr brachte, desto zurückhaltender betrug er sich gegen sie in Gesellschaft anderer Zeugen. Die holde Braut anlangend, so hatte sie nicht so bald den Geliebten in ihre sichere Gewahrsame gebracht, als sie sich gegen ihn in Gesellschaft mit dem höchsten Grade von Gleichgültigkeit betrug, so daß Herr Alwerth die Einsicht des Teufels (oder noch eine von seinen schlimmern Eigenschaften) hätte besitzen müssen, um den geringsten Argwohn von dem, was vorging, zu fassen.
Zwölftes Kapitel.
Enthält, was vielleicht der Leser darin zu finden erwartet.
Bei allen Händeln, sei's, um sich zu schlagen oder zu verheiraten oder sonst dergleichen Geschäften, werden wenig vorläufige Zeremonien erfordert, um sie abzuthun, wenn es beiden Parteien damit ein wahrer Ernst ist. Dies war hier gegenwärtig wirklich der Fall und in weniger als einem Monate waren der Kapitän und seine Schöne Mann und Frau.
Nunmehr war der große Punkt, dem Herrn Alwerth die Sache beizubringen, und dies unternahm der Doktor.
Eines Tages also, da Herr Alwerth in seinem Garten spazieren ging, kam der Doktor zu ihm und sagte mit großer Ernsthaftigkeit in den Mienen und mit alle dem Kummer, den er nur in seinem Wesen nachzumachen vermochte: »Ich komme, lieber Herr Alwerth, Ihnen eine Sache von der größten Wichtigkeit vorzubringen; aber wie soll ich Ihnen da mitteilen, was mir fast den Kopf verwirrt, da ich nur dran denke!« Hierauf brach er in die bittersten Schmähungen aus, beides gegen Männer und Weiber; beschuldigte die ersten, ihr Sinnen und Trachten ginge bloß auf ihren Eigennutz, und die letztern, sie wären den verbotenen Neigungen so ergeben, daß man sie niemals mit Sicherheit einer Person des männlichen Geschlechts anvertrauen könnte. »Hätte ich's vermuten können, teuerster Herr Alwert, daß eine Dame von so kluger Vorsichtigkeit, so richtigem Urteile und solcher Gelehrsamkeit einer so unüberlegten Leidenschaft Raum geben würde; oder hätte ich mir einbilden können, daß mein Bruder – doch, was nenn' ich ihn Bruder? er ist mein Bruder nicht mehr –«
»Gewiß aber ist er das,« sagte Alwerth, »und der meinige dazu.« – »Ums Himmelswillen, Herr Alwerth,« sagte der Doktor, »wissen Sie die häßliche Geschichte?« – »Sehen Sie, lieber Doktor,« antwortete der gute Mann, »es ist beständig in meinem Leben hindurch meine Maxime gewesen, alles, was mir begegnet, von der besten Seite zu nehmen. Meine Schwester, ob sie gleich viele Jahre jünger ist als ich, ist dennoch wenigstens alt genug, um ihre eigene Vernunft brauchen zu können. Hätte er ein Kind überlistet, so würde es mir sauer geworden sein, ihm zu verzeihen. Von einem Frauenzimmer aber, die über die dreißig hinaus ist, muß man gewiß vermuten, daß sie unterscheiden könne, was sie am glücklichsten machen werde. Sie hat einen Mann von freiem Stande, obgleich nicht von völliger Gleichheit des Vermögens, geheiratet; und insoferne der in ihren Augen solche Vollkommenheiten besitzt, welche jenen Mangel ersetzen, sehe ich keine Ursach, warum ich gegen ihre eigene Wahl von Glückseligkeit Einwendungen machen sollte; da ich ebenso wenig als sie mir einbilde, daß dieses Glück allein in unermeßlichen Reichtümern bestehe. Ich hätte vielleicht, nach meinen oft wiederholten Erklärungen, daß ich mir fast jede Verbindung gefallen lassen würde, erwarten dürfen, daß man mich bei dieser Gelegenheit zu Rate gezogen hätte; aber diese Art Angelegenheiten sind von sehr delikater Natur, und gewisse jungfräuliche Bedenklichkeiten lassen sich vielleicht nicht überwinden. Was Ihren Bruder betrifft, o habe ich wirklich ganz und gar keinen Widerwillen gegen ihn. Er hat gegen mich keine Verbindlichkeiten; ebensowenig, denke ich, lag es ihm ob, mich um meine Einwilligung zu ersuchen; weil meine Schwester, wie ich schon gesagt habe, sui juris ist und in dem erforderlichen Alter, um nur sich allein von ihrem Betragen Rechenschaft geben zu dürfen.«
Der Doktor wiederholte die vorigen Anklagen gegen seinen Bruder, beschuldigte Herrn Alwerth einer zu großen Nachgiebigkeit, und beteuerte, nichts sollte ihn wieder vermögen, ihn jemals wieder zu sehen oder für seinen Bruder zu erkennen. Er brach darauf in eine Lobrede über die Güte und Menschenliebe des Herrn Alwerth aus, erhob seine Freundschaft mit vielem Dank und Preise, und beschloß damit, daß er sagte: er werde es seinem Bruder niemals vergeben, daß er den Platz, den er in dieser Freundschaft erhalten, so aufs Spiel gesetzt habe.
Alwerth antwortete hierauf: »Hätte ich auch einigen Unwillen gegen Ihren Bruder gefaßt gehabt, so hätt' ich solchen doch niemals den Unschuldigen empfinden lassen: allein ich versichere Sie, ich weiß nichts von einem solchen Unwillen. Ich halte Ihren Bruder für einen Mann von Verstand und Ehrliebe. Ich mißbillige den Geschmack meiner Schwester nicht; will auch nicht zweifeln, daß sie gleichermaßen der Gegenstand seiner Neigungen sei. Ich habe immer dafür gehalten, Liebe sei der einzige Grund vom Glück des Ehestandes, weil nur sie diese warme und zärtliche Freundschaft erzeugen kann, welche allemal das Band dieser Vereinigung dauerhaft machen sollte, und nach meiner Meinung sind alle Heiraten, welche aus andern Beweggründen geschlossen werden, nicht wenig sündlich; sind eine Profanation einer sehr heiligen und feierlichen Handlung, und enden gewöhnlich in Kummer und Elend; denn wirklich können wir es eine Profanation nennen, wenn man diese so heilige Einrichtung in ein gottloses Opfer verwandelt, das man dem Geiz oder der Wollust darbringt: und was kann man besseres von solchen Eheverbindungen sagen, zu welchen sich Menschen durch bloße Rücksichten auf eine schöne Person oder auf großes Vermögen verleiten lassen!
Es wäre falsch und thöricht zugleich, zu behaupten, daß Schönheit kein angenehmer Gegenstand fürs Auge und selbst einiger Bewunderung würdig sei. Schön ist ein Beiwort, dessen die heilige Schrift sich öfters bedient und allemal mit Ehren erwähnt. Ich selbst war so glücklich, eine Frau zu heiraten, welche von der Welt für hübsch geachtet wurde; und ich kann mit Wahrheit sagen, sie war mir dadurch desto lieber. Diesen Umstand aber zum einzigen Grunde der ehelichen Vereinigung machen, so heftig darnach gelüsten, daß man deswegen über alle Unvollkommenheit hinwegsieht, oder ihn so unbedingterweise zu verlangen, daß man darüber Religion, Tugend und Vernunft als unbedeutende Dinge achtet (welche doch ihrer Natur nach weit höhere Vollkommenheiten sind), bloß, weil die Person der äußerlichen Schönheit ermangelt; – dies kann sicherlich mit dem Charakter weder eines weisen Mannes noch eines guten Christen bestehen. Und vielleicht übertreibt man die Liebe des Nächsten, wenn man meint, solche Personen suchen durch ihre Verheiratung etwas mehr, als ihre fleischlichen Lüste stillen zu wollen, zu deren einzigen Befriedigung der Ehestand, wie uns gelehrt worden, gar nicht eingesetzt ist.
Was zunächst die Glücksumstände anbelangt, so kann vielleicht