Krieg und Frieden. Лев Толстой
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Als der Kaiser vor die Front des Pawlograder Regiments gelangt war, hielt er an, sagte zu dem Kaiser von Österreich etwas auf französisch und lächelte.
Rostow, der dieses Lächeln sah, begann unwillkürlich selbst zu lächeln und fühlte, wie die Liebe zu seinem Kaiser in seinem Herzen noch stärker anschwoll. Gern hätte er seine Liebe zum Kaiser irgendwie zum Ausdruck gebracht. Er wußte, daß das ein Ding der Unmöglichkeit war, und hätte beinahe losgeweint. Der Kaiser rief den Regimentskommandeur vor und sagte zu ihm einige Worte.
»O Gott, wie würde mir zumute sein, wenn der Kaiser mich anredete!« dachte Rostow. »Ich würde sterben vor Glückseligkeit.«
Der Kaiser wandte sich auch an die Offiziere:
»Ihnen allen, meine Herren« (jedes Wort klang Rostow wie ein Ton vom Himmel), »danke ich von ganzem Herzen.«
Wie glücklich wäre Rostow gewesen, wenn er jetzt hätte für seinen Zaren sterben können.
»Sie haben Ihre Georgsfahnen verdient und werden sich ihrer auch künftig würdig zeigen.«
»Könnte ich nur für ihn sterben, für ihn sterben!« dachte Rostow.
Der Kaiser sagte noch etwas, was Rostow nicht deutlich verstand, und die Husaren schrien so kräftig: »Hurra!« als ob sie sich die Brust auseinandersprengen wollten.
Rostow schrie, sich auf den Sattel niederbeugend, gleichfalls aus voller Kraft mit und hätte sich mit diesem Schreien sogar gern Schaden getan, wenn er nur seine Begeisterung für den Kaiser so recht hätte dokumentieren können.
Der Kaiser hielt noch einige Sekunden vor der Front des Husarenregiments, wie wenn er über etwas, was er tun wollte, unschlüssig wäre.
»Wie kann der Kaiser unschlüssig sein?« dachte Rostow; aber dann erschien ihm sogar diese Unschlüssigkeit als etwas Majestätisches und Bezauberndes, wie eben alles, was der Kaiser tat.
Die Unentschlossenheit des Kaisers hatte nur einen Moment gedauert. Sein Fuß berührte mit der schmal zulaufenden Stiefelspitze, wie man sie damals trug, die Flanke der anglisierten braunen Stute, die er ritt; seine Hand im weißen Handschuh faßte die Zügel fester, und er entfernte sich, begleitet vom unordentlich wogenden Meer der Adjutanten. Weiter und weiter ritt er, bei andern Regimentern anhaltend, davon, und schließlich konnte Rostow nur noch seinen weißen Federbusch aus der Suite, die die Kaiser umgab, herauserkennen.
Unter den Herren in der Suite hatte Rostow auch Bolkonski bemerkt, der lässig und schlaff auf seinem Pferd saß. Es war ihm sein gestriger Streit mit dem Adjutanten eingefallen, und er legte sich nun die Frage vor, ob es angemessen sei, ihn zum Duell zu fordern oder nicht. »Natürlich ist es nicht angemessen«, war jetzt Rostows Anschauung. »Wie kann man an dergleichen denken und von dergleichen reden in einem Augenblick, wie der jetzige? In einem Augenblick, wo man von einem solchen Gefühl der Liebe, der Begeisterung und Selbstverleugnung erfüllt ist, was bedeuten da alle unsere Zänkereien und wechselseitigen Beleidigungen? Jetzt liebe ich alle Menschen und verzeihe allen Menschen«, dachte Rostow.
Nachdem der Kaiser fast bei allen Regimentern entlanggeritten war, zogen die Truppen bei ihm im Parademarsch vorüber, und Rostow ritt auf dem »Beduinen«, den er dem Rittmeister Denisow kürzlich abgekauft hatte, als Schließender seiner Eskadron, das heißt allein und dem Kaiser frei sichtbar.
Als er noch nicht ganz bis zum Kaiser gelangt war, gab Rostow, ein vorzüglicher Reiter, seinem »Beduinen« zweimal die Sporen und brachte ihn glücklich zu der wilden Trabart, die der »Beduine«, auf diese Weise gereizt, oft anschlug. Das Tier bog das schäumende Maul gegen die Brust, spreizte den Schweif ab und schien, indem es die Beine hoch hinaufwarf und graziös wechselte, in der Luft zu fliegen, ohne die Erde zu berühren; so kam der »Beduine«, der ebenfalls zu fühlen schien, daß der Blick des Kaisers auf ihm ruhte, vorzüglich vorbei.
Rostow selbst streckte die Beine nach hinten, zog den Bauch ein, und sich eins mit seinem Pferd fühlend, ritt er mit finsterem, aber glückseligem Gesicht »wie ein wahrer Satan«, nach Denisows Ausdruck, an dem Kaiser vorüber.
»Brave Burschen, die Pawlograder!« sagte der Kaiser.
»O Gott, o Gott, wie glücklich wäre ich, wenn er mir befehlen würde, mich jetzt auf der Stelle ins Feuer zu stürzen«, dachte Rostow.
Als die Truppenschau beendet war, traten die Offiziere, sowohl die neu angekommenen als auch die Kutusowschen, zu einzelnen Gruppen zusammen und unterhielten sich miteinander über Orden und Beförderungen, über die Österreicher und deren Uniformen und militärische Leistungen, über Bonaparte, und wie schlecht es ihm jetzt ergehen werde, namentlich wenn noch das Essensche Korps herankomme und Preußen auf unsere Seite trete.
Aber am häufigsten redeten sie in allen Gruppen vom Kaiser Alexander; sie machten einander von jedem seiner Worte, von jeder seiner Bewegungen Mitteilung und waren davon entzückt und begeistert.
Alle hatten nur einen Wunsch: unter Führung des Kaisers recht bald gegen den Feind vorzurücken. Unter dem persönlichen Kommando des Kaisers mußten sie ja siegen, wer auch immer ihnen gegenüberstand; so dachten nach der Truppenschau Rostow und die allermeisten Offiziere.
Alle glaubten nach der Truppenschau mit größerer Zuversicht an einen bevorstehenden Sieg, als sie es nach zwei gewonnenen Schlachten hätten tun können.
IX
Am Tag nach der Truppenschau legte Boris seine feinste Uniform an und ritt, von den besten Wünschen seines Kameraden Berg für guten Erfolg begleitet, nach Olmütz zu Bolkonski, in der Absicht, sich dessen wohlwollende Gesinnung zunutze zu machen und sich eine recht angenehme Stellung zu verschaffen, am liebsten eine Adjutantenstelle bei irgendeiner hochgestellten Persönlichkeit; denn eine solche Stelle erschien ihm als die verlockendste in der ganzen Armee. »Ja«, dachte er, »dieser Rostow, der von seinem Vater fortwährend Summen von vielen tausend Rubeln geschickt bekommt, der hat gut reden, daß er sich vor niemand bücken und niemandes Lakai werden wolle. Aber ich, der ich nichts besitze als meinen Kopf, muß eifrig für meine Karriere sorgen und darf günstige Gelegenheiten nicht ungenutzt lassen.«
In Olmütz traf er an diesem Tag den Fürsten Andrei nicht an. Aber der Anblick dieser Stadt, wo sich das Hauptquartier und das diplomatische Korps befanden, und wo die beiden Kaiser mit ihren Suiten, mit dem Hofstaat und mit den sonstigen ihnen nahestehenden Persönlichkeiten wohnten, ließ seinen Wunsch, auch zu dieser höheren Welt zu gehören, nur noch lebhafter und stärker werden.
Er kannte hier niemand, und trotz seiner eleganten Gardeuniform standen, wie es schien, alle diese hohen Herren, teils Hofleute, teils Militärs, die mit Federbüschen, Orden und breiten Ordensbändern in prächtigen Equipagen eilig durch die Straßen rollten, so unermeßlich hoch über ihm, dem simplen Gardefähnrich, daß sie sich um seine Existenz nicht kümmern mochten, ja auch wohl gar nicht konnten. In dem Quartier des Oberkommandierenden Kutusow, wo er nach Bolkonski fragte, sahen ihn alle diese Adjutanten und sogar die Burschen so an, als ob sie ihm zu verstehen geben wollten, solche Offiziere wie er trieben sich hier massenhaft umher und seien ihnen schon zum Überdruß geworden. Trotzdem, oder vielmehr gerade deswegen, ritt er am folgenden Tag, dem 15., nach dem Mittagessen wieder nach Olmütz, ging in das von Kutusow bewohnte Haus und fragte nach Bolkonski. Fürst Andrei war zu Hause,