Krieg und Frieden. Лев Толстой
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»Nein, hören Sie«, sagte Pierre, sich allmählich einigermaßen beruhigend. »Sie sind ein merkwürdiger Mensch. Was Sie da soeben gesagt haben, ist sehr schön, wirklich sehr schön! Es ist ja ganz natürlich, daß Sie mich nicht kennen; wir haben so lange keine Beziehungen zueinander gehabt ... wir waren damals noch Kinder ... Sehr erklärlich, daß Sie von mir die Vorstellung hatten ... Ich verstehe Sie, verstehe Sie vollkommen. Ich für meine Person hätte das nicht fertiggebracht; ich hätte nicht den Mut dazu gefunden; aber es war von Ihnen ganz ausgezeichnet. Ich freue mich sehr, Sie kennengelernt zu haben. Sonderbar«, fügte er nach einem kurzen Stillschweigen lächelnd hinzu, »was Sie von mir für eine Vorstellung gehabt haben!« Er lachte auf. »Nun aber, was tut's? Wir werden einander besser kennenlernen. Ich bitte Sie darum.« Er drückte Boris die Hand. »Wissen Sie, ich bin noch gar nicht bei dem Grafen gewesen. Er hat mich nicht rufen lassen ... Er tut mir schon vom rein menschlichen Standpunkt aus herzlich leid ... Aber was ist zu tun?«
»Und Sie glauben, daß es Napoleon gelingen wird, mit seiner Armee überzusetzen?« fragte Boris lächelnd.
Pierre verstand, daß Boris das Gespräch auf ein anderes Thema bringen wollte. Er war damit ganz einverstanden und begann die günstigen und ungünstigen Momente, die bei dem Boulogner Unternehmen in Betracht kamen, darzulegen.
Ein Diener kam, um Boris zur Fürstin zu rufen. Die Fürstin wollte wegfahren. Pierre versprach, zu dem Diner zu kommen, um mit Boris noch näher bekanntzuwerden, drückte ihm kräftig die Hand und blickte ihm durch seine Brille freundlich in die Augen. Nachdem Boris gegangen war, schritt Pierre noch lange in seinem Zimmer hin und her; aber er durchbohrte keinen unsichtbaren Feind mehr mit dem Degen, sondern lächelte bei der Erinnerung an diesen liebenswürdigen, verständigen, charakterfesten jungen Mann.
Wie es oft bei Menschen der Fall ist, die sich noch in den Zeiten der ersten Jugend befinden, und namentlich bei solchen, die allein dastehen, empfand er für diesen jungen Mann eine Zärtlichkeit, von der er sich nicht ganz Rechenschaft geben konnte, und faßte den Vorsatz, unbedingt Freundschaft mit ihm zu schließen.
Fürst Wasili begleitete die Fürstin hinaus. Die Fürstin hielt das Taschentuch an die Augen, und ihr Gesicht war von Tränen überströmt.
»Es ist schrecklich, schrecklich!« sagte sie. »Aber so schwer es mir auch werden mag, ich werde meine Pflicht erfüllen. Ich werde herkommen und die Nacht hier zubringen. So darf es nicht mit ihm bleiben. Jeder Augenblick ist kostbar. Ich begreife nicht, warum die Prinzessinnen noch länger zaudern. Vielleicht hilft mir Gott ein Mittel finden, um ihn vorzubereiten ...! Leben Sie wohl, Fürst, Gott verleihe Ihnen Kraft ...«
»Adieu, meine Liebe«, antwortete Fürst Wasili und wandte sich von ihr weg.
»Ach, er ist in einem schrecklichen Zustand!« sagte die Mutter zu dem Sohn, als sie wieder im Wagen saßen. »Er erkennt fast niemand mehr.«
»Ich bin mir darüber nicht klar, Mamachen: wie steht er eigentlich mit Pierre?« fragte der Sohn.
»Das Testament wird darüber Auskunft geben, lieber Sohn. Von diesem Testament hängt auch unser Schicksal ab.«
»Aber warum meinen Sie, daß er uns etwas hinterlassen wird?«
»Ach, lieber Sohn, er ist so reich und wir so arm!«
»Nun, das ist noch kein ausreichender Grund, Mamachen.«
»Ach, mein Gott, mein Gott! Wie krank er ist!« rief die Mutter.
XVII
Nachdem Anna Michailowna mit ihrem Sohn zu dem Grafen Kirill Wladimirowitsch Besuchow gefahren war, saß die Gräfin Rostowa längere Zeit still für sich da und drückte das Taschentuch gegen die Augen. Endlich klingelte sie.
»Was stellt das vor, meine Liebe?« sagte sie ärgerlich zu dem Stubenmädchen, das einige Minuten auf sich hatte warten lassen. »Sie wollen wohl Ihren Dienst nicht weiter verrichten, wie? Dann werde ich Ihnen einen andern Platz anweisen.«
Die Gräfin fühlte sich durch den Kummer und die demütigende Armut ihrer Freundin tief ergriffen und war deshalb schlechter Laune, was sich bei ihr immer dadurch äußerte, daß sie zu dem Stubenmädchen »meine Liebe« sagte und sie mit »Sie« anredete.
»Ich bitte um Verzeihung«, sagte das Mädchen.
»Ich lasse den Grafen bitten, zu mir zu kommen.«
Der Graf trat herein und näherte sich mit seinem watschelnden Gang seiner Frau; er machte, wie immer, eine etwas schuldbewußte Miene.
»Nun, meine liebe Gräfin, was das für ein ausgezeichnetes Haselhuhn-Sauté mit Madeira werden wird, meine Teuerste! Ich habe es gekostet; ich muß sagen: die tausend Rubel, die ich für unsern Koch Taras gegeben habe, waren nicht weggeworfen; er ist wirklich das Geld wert!«
Er setzte sich neben seine Frau, stützte in jugendlich unternehmender Haltung die Hände auf die Knie und fuhr sich mit den Fingern durch das graue Haar.
»Was befehlen Sie, meine liebe Gräfin?«
»Lieber Freund, ich möchte ... Aber was hast du da für einen Fleck?« fragte sie, indem sie auf seine Weste zeigte. »Das ist gewiß von dem Sauté«, fügte sie lächelnd hinzu. »Also höre, lieber Graf, ich brauche Geld.«
Ihr Gesicht nahm einen trüben, schmerzlichen Ausdruck an.
»Ah, das ist es, meine liebe Gräfin!« Der Graf holte seine Brieftasche heraus, wurde aber sehr verlegen.
»Ich brauche viel Geld, Graf; ich brauche fünfhundert Rubel.« Sie zog ihr batistenes Taschentuch hervor und rieb damit an der Weste ihres Mannes.
»Sofort sollen Sie das Geld haben, sofort! – Heda! Wer gerade da ist!« rief er mit so lauter, befehlender Stimme, wie nur jemand ruft, der überzeugt ist, daß diejenigen, die er ruft, Hals über Kopf auf seinen Ruf herbeistürzen werden. »Sag mal zu Dmitri, er möchte zu mir kommen!«
Dmitri, jener junge Edelmann, der im Haus des Grafen erzogen worden war und jetzt die Verwaltung der sämtlichen geschäftlichen Angelegenheiten unter sich hatte, trat mit leisen Schritten ins Zimmer.
»Hör mal, mein Lieber«, sagte der Graf zu dem respektvoll dastehenden jungen Mann. »Bring mir mal ...« Er überlegte. »Ja, bring mir mal siebenhundert Rubel. Ja! Aber bring nicht wieder so zerrissene, schmutzige Scheine wie das letztemal, sondern recht hübsche, für die Gräfin.«
»Ja, lieber Dmitri, bitte, recht saubere!« sagte die Gräfin mit einem traurigen Seufzer.
»Zu wann befehlen Euer Erlaucht das Geld?« fragte Dmitri. »Sie wissen ja, daß ... Indessen seien Sie ganz unbesorgt«, fügte er hinzu, da er bemerkte, daß der Graf schwer und hastig zu atmen begann, was immer ein Vorzeichen nahenden Zornes war. »Ich hatte beinah vergessen ... Befehlen Sie das Geld sofort?«
»Jawohl, jawohl, bring es nur her. Gib es der Gräfin.«
»Mein Dmitri ist doch wirklich ein Prachtmensch«, fügte der Graf hinzu, als der junge Mann hinausgegangen war. »Ein ›Unmöglich‹ gibt es bei ihm gar nicht. Und so etwas kann ich für meine Person auch durchaus nicht leiden. Möglich ist alles.«
»Ach,