Krieg und Frieden. Лев Толстой

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Krieg und Frieden - Лев Толстой Große verfilmte Geschichten

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Ende des zweiten Briefbogens angelangt, und Mama läßt mich rufen, da wir zu Apraxins zum Diner müssen.

      Lesen Sie das mystische Buch, das ich Ihnen gleichzeitig schicke; es macht hier bei uns gewaltiges Aufsehen. Obgleich in diesem Buch Dinge stehen, an die der schwache Menschenverstand kaum heranreicht, so ist es dennoch ein bewundernswürdiges Buch, dessen Lektüre auf die Seele beruhigend und erhebend wirkt. Adieu! Richten Sie bitte meine Empfehlungen an Ihren Herrn Vater und meine Grüße an Mademoiselle Bourienne aus. Ich umarme Sie in herzlicher Zuneigung.

      Julja.

      PS: Schreiben Sie mir doch, wie es Ihrem Bruder und seiner reizenden kleinen Frau geht.«

      Die Prinzessin sann ein Weilchen mit einem schwermütigen Lächeln nach, wobei ihr Gesicht, von den strahlenden Augen erhellt, sich völlig verklärte; dann stand sie schnell auf und ging mit ihren schweren Schritten an den Tisch. Sie holte sich Briefpapier hervor, und ihre Feder begann schnell darüber hinzufahren. Die Prinzessin schrieb folgende Antwort:

      »Liebe, teure Freundin!

      Ihr Brief vom 13. hat mir eine große Freude bereitet. Sie lieben mich also immer noch, meine poetische Julja. Die Trennung, von der Sie so viel Böses sagen, hat also auf Sie ihre gewöhnliche Wirkung nicht ausgeübt. Sie klagen darüber, daß Sie von diesem und jenem getrennt sind – was müßte ich erst sagen, wenn ich überhaupt wagte, mich zu beklagen, ich, die ich aller derjenigen beraubt bin, die mir teuer sind? Ach, wenn wir nicht die Religion hätten, um uns zu trösten, so wäre das Leben doch gar zu traurig. Warum setzen Sie bei mir eine strenge Beurteilung voraus, wenn Sie mir von Ihrer Neigung zu dem jungen Mann schreiben? In solchen Dingen bin ich gegen niemand streng als gegen mich selbst. Ich habe für diese Gefühle bei anderen Verständnis, und wenn ich ihnen auch nicht eigentlich Beifall zollen kann, da ich sie nie selbst empfunden habe, so verurteile ich sie doch nicht. Nur bin ich der Ansicht, daß die christliche Liebe, die Nächstenliebe, die Liebe zu unseren Feinden verdienstlicher, süßer und schöner ist als die Empfindungen, welche die schönen Augen eines jungen Mannes bei einem poetisch veranlagten, der Liebe zugänglichen jungen Mädchen, wie Sie, hervorrufen können.

      Die Nachricht von dem Tod des Grafen Besuchow war uns schon vor Ihrem Brief zugegangen, und mein Vater war davon tief ergriffen. Er sagt, das sei der vorletzte Repräsentant jenes großen Jahrhunderts gewesen, und nun komme er selbst an die Reihe; indes werde er tun, was in seinen Kräften stehe, um erst möglichst spät daranzukommen. Gott wolle uns vor diesem furchtbaren Unglück bewahren!

      Ihre Meinung über Pierre, den ich schon gekannt habe, als wir noch Kinder waren, vermag ich nicht zu teilen. Er schien mir immer ein vortreffliches Herz zu besitzen, und das ist die Eigenschaft, die ich an den Menschen am höchsten schätze. Was seine Erbschaft anbelangt und die Rolle, die Fürst Wasili dabei gespielt hat, so ist das für alle beide recht traurig. Ach, liebe Freundin, das Wort unseres göttlichen Erlösers, es sei leichter, daß ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als daß ein Reicher in das Reich Gottes komme, dieses Wort ist ebenso wahr als furchtbar; ich beklage den Fürsten Wasili, aber noch mehr bedauere ich Pierre. So jung noch und dabei mit diesem Reichtum belastet, welche Versuchungen wird er da nicht durchzumachen haben! Wenn man mich fragte, was ich mir auf der Welt am meisten wünschte, so wäre mein Wunsch der, ärmer zu sein als der ärmste Bettler. Tausend Dank, liebe Freundin, für das mir freundlichst übersandte Werk, das bei Ihnen so großes Aufsehen erregt. Da Sie mir indessen schreiben, es enthalte neben mancherlei Gutem auch anderes, an das die schwache menschliche Vernunft nicht heranreicht, so scheint es mir ziemlich zwecklos, sich mit einer unverständlichen Lektüre zu beschäftigen, die eben deshalb keinerlei Vorteil gewähren kann. Unbegreiflich ist mir immer die Passion mancher Leute gewesen, sich die eigene Denkkraft dadurch zu verwirren, daß sie sich mit mystischen Büchern abgeben, die nur Zweifel im Geist des Lesenden erregen, seine Phantasie überreizen und seinem ganzen Wesen etwas Übertriebenes geben, das zu der christlichen Einfalt im schroffsten Widerspruch steht. Wir tun besser, die Schriften der Apostel und die Evangelien zu lesen. Aber auch da sollen wir nicht den Versuch machen, in das einzudringen, was sie Mysteriöses enthalten; denn wie könnten wir elenden Sünder uns erdreisten, in die furchtbaren, heiligen Geheimnisse der Vorsehung eindringen zu wollen, solange wir diese fleischliche Hülle an uns tragen, die zwischen uns und dem Ewigen gleichsam eine undurchdringliche Scheidewand errichtet? Begnügen wir uns lieber damit, die erhabenen Weisungen in uns aufzunehmen, die unser göttlicher Erlöser uns für unser irdisches Leben hinterlassen hat; suchen wir, uns nach ihnen zu bilden und ihnen zu folgen; lassen wir uns von der Überzeugung durchdringen, daß, je weniger freien Spielraum wir unserm schwachen menschlichen Geist verstatten, er um so angenehmer dem Allmächtigen ist, der alle Weisheit verwirft, die nicht von Ihm kommt, und daß, je weniger wir das zu ergründen suchen, was unserer Kenntnis zu entziehen Ihm gefallen hat, Er um so eher es uns durch Seinen Heiligen Geist wird erkennen lassen.

      Von einem Bewerber um meine Hand hat mir mein Vater nichts gesagt; er hat mir nur mitgeteilt, er habe einen Brief vom Fürsten Wasili erhalten und erwarte dessen Besuch. Hinsichtlich des mich betreffenden Heiratsprojektes muß ich Ihnen, liebe, teure Freundin, sagen, daß die Ehe meiner Ansicht nach eine göttliche Einrichtung ist, der wir uns fügen müssen. Sollte der Allmächtige mir jemals die Pflichten einer Gattin und Mutter auferlegen, so werde ich, mag es mir auch noch so schwer werden, sie so treu, wie ich nur irgend kann, zu erfüllen suchen, ohne vorher eine ängstliche Prüfung meiner Gefühle gegen denjenigen vorzunehmen, den Er mir zum Gatten geben wird.

      Von meinem Bruder habe ich einen Brief erhalten, in dem er mir seine und seiner Frau baldige Ankunft in Lysyje-Gory in Aussicht stellt. Aber es wird nur eine kurze Freude sein; denn er verläßt uns, um an diesem unglückseligen Krieg teilzunehmen, in den wir, Gott weiß wie und warum, uns haben hineinziehen lassen. Nicht nur dort bei Ihnen, im Mittelpunkt des geschäftlichen und gesellschaftlichen Lebens, bildet der Krieg das einzige Gesprächsthema; auch hier inmitten dieser ländlichen Arbeiten und dieses stillen Friedens der Natur, der nach der gewöhnlichen Vorstellung der Städter auf dem Land herrscht, macht sich das Geräusch des Krieges hörbar und in schmerzlicher Weise fühlbar. Mein Vater redet nur noch von Märschen und Kontremärschen, Dingen, von denen ich nichts verstehe, und als ich vorgestern bei meinem gewöhnlichen Spaziergang durch die Dorfstraße kam, wurde ich Zeugin einer herzzerreißenden Szene. Es war ein Trupp Rekruten, die bei uns ausgehoben waren und nun zum Heer abgehen sollten. Es war entsetzlich zu sehen, in welchem Zustand sich die Mütter, die Frauen und die Kinder der abmarschierenden Männer befanden, entsetzlich zu hören, wie die Zurückbleibenden und die Wegziehenden schluchzten! Man möchte sagen, die Menschheit habe die Gebote ihres göttlichen Erlösers vergessen, der uns doch geheißen hat, einander zu lieben und Beleidigungen zu verzeihen, und suche nun ihr größtes Verdienst in der Kunst, sich wechselseitig zu morden.

      Adieu, liebe, gute Freundin! Mögen unser göttlicher Erlöser und Seine allerheiligste Mutter Sie in ihren heiligen, mächtigen Schutz nehmen.

      Marja.«

      »Ah, Sie sind dabei, einen Brief für die Post zurechtzumachen, Prinzessin; ich habe den meinigen schon fertiggestellt. Ich habe an meine arme Mutter geschrieben«, sagte rasch mit angenehmer, vollklingender Stimme, das r etwas schnarrend, die lächelnde Mademoiselle Bourienne; sie brachte in die bedrückende, trübe, ernste Atmosphäre der Prinzessin gleichsam einen Hauch aus einer ganz anderen Welt, etwas Leichtlebiges, Vergnügtes, Selbstzufriedenes.

      »Ich muß Sie warnen, Prinzessin«, fügte sie mit leiserer Stimme hinzu; »der Fürst hat einen Wortwechsel« (das Wort »Wortwechsel« sprach sie ganz besonders schnarrend und hatte offenbar ihr Vergnügen daran, sich selbst zu hören), »einen Wortwechsel mit Michail Iwanowitsch gehabt. Er ist sehr übler Laune, sehr mißgestimmt. Seien Sie also gewarnt; Sie wissen ja ...«

      »Oh, liebe Freundin«, erwiderte die Prinzessin Marja, »ich habe Sie gebeten, niemals mit mir darüber zu sprechen, in welcher Laune sich mein Vater befindet. Ich erlaube mir nicht, über ihn zu urteilen, und

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