Krieg und Frieden. Лев Толстой
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Die ganze Zeit über, während er bei der Batterie an dem Geschütz stand, hörte er zwar ununterbrochen die Stimmen der Offiziere, die in der Hütte miteinander redeten, verstand aber, wie das häufig vorkommt, mit seinen Gedanken beschäftigt, kein Wort von dem, was sie sagten. Plötzlich fiel ihm eine dieser Stimmen durch ihren warmen, von Herzen kommenden Ton dermaßen auf, daß er unwillkürlich hinhorchte.
»Nein, mein Bester«, sagte die angenehme Stimme, die dem Fürsten Andrei bekannt vorkam, »ich bin überzeugt, wenn wir von unserem Zustand nach dem Tod Kenntnis haben könnten, dann würde niemand von uns den Tod fürchten. Ganz bestimmt nicht, mein Bester!«
Eine andere, jugendlicher klingende Stimme unterbrach ihn:
»Ob man sich nun fürchtet oder nicht, entgehen kann man dem Tod doch nicht.«
»Fürchten tut man sich doch! Ach, ihr klugen Leute!« sagte eine dritte, sehr mannhaft klingende Stimme, welche die beiden ersten unterbrach. »Ja, ja, ihr Artilleristen, eure große Klugheit kommt davon her, daß ihr alles mögliche mitführen könnt, Schnaps und Mundvorrat!«
Und der Besitzer der mannhaften Stimme, offenbar ein Infanterieoffizier, lachte kräftig.
»Ja, fürchten tut man sich doch«, fuhr die erste, bekannte Stimme fort. »Man fürchtet sich vor dem Unbekannten; das ist es. Und wenn man auch noch so oft sagt: die Seele kommt in den Himmel. Wir wissen ja doch, daß es keinen Himmel gibt, sondern nur eine Atmosphäre.«
Von neuem unterbrach die mannhafte Stimme den Artilleristen.
»Na, spendieren Sie mir ein Gläschen von Ihrem Kräuterschnaps, Tuschin«, sagte diese Stimme.
»Ah! Das ist der Hauptmann, der im Marketenderzelt ohne Stiefel dastand«, dachte Fürst Andrei, und es machte ihm Vergnügen, die angenehme, philosophierende Stimme als die jenes Hauptmanns wiederzuerkennen.
»Ein Kräuterschnäpschen können Sie haben«, erwiderte Tuschin. »Aber ich muß doch sagen, zu erkennen, wie es mit dem künftigen Leben steht ...«
Er sprach nicht zu Ende. In diesem Augenblick ließ sich in der Luft ein Pfeifen vernehmen, immer näher und näher, immer schneller und lauter, lauter und schneller; und in diesem Ton plötzlich innehaltend, wie jemand, der beim Reden mitten im Satz abbricht, klatschte eine Kanonenkugel nicht weit von der Hütte auf die Erde nieder. Ein Sprühregen von Lehm und Sand wurde mit ungeheurer Gewalt in die Luft geschleudert, und die Erde stöhnte gleichsam auf unter dem furchtbaren Schlag.
In demselben Augenblick sprang, früher als alle andern, der kleine Tuschin aus der Hütte heraus; eine kleine Tabakspfeife hing ihm im Mundwinkel; sein gutes, kluges Gesicht sah ein wenig blaß aus. Hinter ihm trat der Besitzer der mannhaften Stimme heraus, ein frischer, kräftiger Infanterieoffizier, und lief zu seiner Kompanie, indem er sich im Laufen den Rock zuknöpfte.
XVII
Fürst Andrei hielt zu Pferd bei der Batterie und spähte nach dem Rauch des Geschützes, aus dem die Kugel abgefeuert war. Er ließ seine Augen in dem weiten Raum umherschweifen. Er sah nur, daß die vorher an ihren Plätzen verharrenden Massen der Franzosen in Bewegung geraten waren, und daß sich zur Linken tatsächlich eine Batterie befand. Von hier war der Schuß gekommen: das Rauchwölkchen über der Batterie hatte sich noch nicht verteilt. Zwei französische Reiter, wahrscheinlich Adjutanten, sprengten auf der Anhöhe einher. Eine deutlich erkennbare kleine feindliche Abteilung marschierte bergab, wohl zur Verstärkung der Vorpostenkette. Noch hatte sich der Rauch von dem ersten Schuß nicht verzogen, als ein zweites Rauchwölkchen sich zeigte und ein Schuß ertönte. Der Kampf begann. Fürst Andrei wandte sein Pferd und ritt in scharfem Tempo nach Grund zurück, um den Fürsten Bagration aufzusuchen. Er hörte, wie hinter ihm die Kanonade häufiger und lauter wurde. Offenbar hatten die Unsrigen angefangen zu antworten. Unten, in der Gegend, wo am Vormittag die Parlamentäre erschienen waren, erscholl Gewehrfeuer.
Sowie Lemarrois mit dem streng tadelnden Brief Bonapartes nach scharfem Ritt bei Murat eingetroffen war, setzte Murat, der sich schämte und seinen Fehler wiedergutmachen wollte, seine Truppen sofort zum Angriff auf das Zentrum und zur Umgehung der beiden Flügel in Bewegung, in der Hoffnung, es werde ihm noch vor dem Abend und vor der Ankunft des Kaisers gelingen, die unbedeutende Abteilung, die ihm gegenüberstand, zu erdrücken.
»Es hat angefangen! Nun ist es da!« dachte Fürst Andrei und fühlte, wie ihm das Blut in größeren Wellen zum Herzen strömte. »Aber wo und wie wird sich mein Toulon zeigen?«
Während er zwischen den Kompanien dahinritt, die noch vor einer Viertelstunde ihre Grütze gegessen und ihren Schnaps getrunken hatten, sah er überall die gleichen, schnellen Bewegungen der sich aufstellenden und ihre Gewehre bereitmachenden Soldaten und erkannte auf allen Gesichtern das gleiche Gefühl lebhafter Erregung, von dem sein eigenes Herz erfüllt war. »Es hat angefangen! Nun ist es da! Furchtbar und lustig zugleich!« stand gleichsam auf dem Gesicht jedes Soldaten und Offiziers geschrieben.
Er hatte die im Bau begriffene Verschanzung noch nicht erreicht, als er in der abendlichen Beleuchtung des trüben Herbsttages eine Anzahl von Reitern erblickte, die ihm entgegenkamen. Der vorderste, der einen Filzmantel und eine Mütze mit einem Besatz von Lämmerfell trug, ritt einen Schimmel. Dies war Fürst Bagration. Fürst Andrei machte halt und erwartete ihn. Fürst Bagration hielt gleichfalls sein Pferd einen Augenblick an, und als er den Fürsten Andrei erkannte, nickte er ihm mit dem Kopf zu. Er fuhr fort, gerade vor sich hin zu blicken, während Fürst Andrei ihm berichtete, was er gesehen hatte.
Der Gedanke: »Es hat angefangen! Nun ist es da!« war auch auf dem festen, braunen Gesicht des Fürsten Bagration mit den halbgeschlossenen, trüben, verschlafenen Augen zu lesen. Mit besorgter Neugier betrachtete Fürst Andrei dieses regungslose Gesicht und hätte gern gewußt, ob dieser Mann in diesem