Du hast mich nie gewollt - Liebesroman. Thomas Tippner
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Die Papiere waren wichtig. Ungeheuer wichtig.
Wenn er den Deal über die Bühne brachte, winkte nicht nur eine saftige Provision, sondern auch die Chance, ins höhere Management aufsteigen zu können. Das, was er immer gewollt hatte. Das, was er brauchte, um sich selbst besser zu fühlen.
Der Erfolg gab ihm recht.
Alles andere war nur bitterer Beigeschmack.
Und doch erwischte er sich dabei, wie er zu Denise hinüberschaute, die ihr zweites Kind noch immer an der Hand hielt. Die wiederum zu ihrem Mann schaute, der dem Jungen am Schaufenster zurief: „Kommt schon. Wir wollten doch ein Eis essen gehen!“
„Yeah!“, rief der Junge mit den haselnussbraunen Haaren und streckte wie ein Sieger die Faust in die Höhe. „Eis essen!“
„Dann mal los, Pirat. Dort entlang!“
„Yeah!“, rief der Bengel noch einmal und war dann, wie sein Vater und sein Geschwisterchen in der Menschenmenge verschwunden.
Nur sie blieb noch einen Augenblick deutlich sichtbar für ihn auf der Promenade stehen. Beinahe so, als merkte sie, dass die Blicke der Vergangenheit auf sie gerichtet waren.
Ich habe ihr den besten Rat ihres Lebens gegeben, sagte er sich selbst. Ich habe ihr den am besten ausgehandelten Vertrag ihres Lebens vor die Nase gehalten. Ich habe ihr Leben bereichert. Es geradliniger gemacht.
Ich …
… war derjenige, der maßlos und egoistisch gewesen war. Ich habe mich über alles und jeden gestellt. Ich meinte, der wichtigste Mensch auf Erden zu sein.
Sebastian verzog die Lippen zu einem freudlosen Lächeln.
Er versuchte sich einzureden, dass er damals richtig gehandelt hatte. Dass all seine Entscheidungen fehlerlose gewesen waren. Jetzt, da er dasaß und sie noch immer wie angewurzelt dort stehen sah, beschlichen ihn Zweifel, ob damals wirklich alles korrekt gewesen war.
War es, nickte er sich zu und schob die Sonnenbrille wieder die Nase hinauf. Wo würde ich denn sonst heute stehen?
Ich wäre ein Niemand! Ein kleiner Angestellter, der froh darüber sein konnte, unbefristet angestellt zu sein, damit er die laufenden Kosten gerade so gedeckt bekam, um nicht den Dispokredit in Anspruch nehmen zu müssen.
So einer wäre ich gewesen.
So einer wollte ich niemals sein.
Gewinnen, ja, das war mein Ziel. Dort gehörte ich hin. Auf die Gewinnerstraße.
Und wer war sie schon, dass sie mich jetzt zum Zweifeln bringen konnte?
„Denise“, murmelte er … und fügte in Gedanken hinzu: ist es, die mich zum Zweifeln bringt.
„Hey!“, begrüßte Nancy Sebastian mit einer schüchtern wirkenden Geste. Er gestattete sich ein Lächeln. Es war klar gewesen, dass er sie noch einmal treffen würde. Frau Hartmann hatte ihr Kommen ein weiteres Mal angekündigt, um ihn die neusten Entwürfe des Umbaus zu zeigen, den sie für ihn geplant hatte.
Nancy, Frau Hartmanns persönliche Assistenz, hob die Hand und schien nicht zu wissen, wie sie sich verhalten sollte. Das frivole, das lebensbejahende Lächeln, das sie das Wochenende über zur Schau getragen hatte, war gänzlich verschwunden. Sie wirkte plötzlich wie ein in die Ecke getriebener Hund, der nicht wusste, ob er bellen oder winseln sollte.
Sebastian genoss ihre Unsicherheit.
Bot sich ihm so doch die Chance, das Heft in die Hand zu nehmen und Nancy das machen zu lassen, was er wollte.
Platz! Sitz! Aus!
Er liebte es, wenn unsichere Menschen in seiner Nähe waren.
Er fühlte sich bei ihnen so lebendig.
Zu Lukas hatte er einmal gesagt: „Sei kalt und abweisend, damit die dummen Kühe lernen, wo ihr Platz ist!“
Ein Spruch, auf den er bis vor Kurzem noch stolz gewesen war.
Ein Spruch, der ihm so viel Sicherheit gegeben hatte, dass er sich sicher gewesen war, dass er über allen anderen Dingen stand, die er sonst noch als Rat verteilen konnte. Jetzt aber, da er Nancy sah und sie mit einem Hund verglich, setzte in ihm etwas ein, das er nicht spüren wollte.
Etwas, das ihm erst gestern so unangenehm aufgefallen war.
Er kämpfte mit sich, um die Unsicherheit nicht allzu groß werden zu lassen, und sagte sich selbst, dass er mit seiner Meinung noch nie hinter dem Berg gehalten hatte. Dass er auf seinen Satz stolz sein konnte.
Er war Sebastian Freis!
DER Sebastian Freis.
Die Einzige, die ihm was sagen durfte, was Frau Hartmann.
Sie machte sein Haus wohnlich.
Nicht, dass es das nicht schon vorher gewesen wäre. Aber als Sebastian eines Abends nach Hause gekommen war, sich auf die Couch fallen ließ, den Fernseher anschaltete und die Luftpumpe des Aquariums hörte, war ihm ein eisiger Schauer der Einsamkeit über den Rücken gelaufen.
Nicht, dass er ihn als solchen erkannt hätte. Aber als er so dasaß, gelangweilt von einem Programm zum nächsten zappte, war es ihm klar zu Bewusstsein gekommen, dass er ganz allein in dem großen Haus war.
Allein!
Es war keine Frau bei ihm und auch kein Freund. Er hatte nicht einmal einen verzweifelt klingenden Anruf seiner strenggläubigen Mutter auf dem Anrufbeantworter gehabt, den er mit einem genervten Kopfschütteln ungehört löschen konnte.
Niemand war da gewesen.
Er war …
… allein …
In dem Moment hatte er sich ein Bier genommen, es auf ex geleert und sich dann erleichtert gefühlt. Beinahe so, als habe das kaltgestellte Bier ihm die Leere wegspülen können, die er für einen kurzen Augenblick gespürt hatte.
„Wie geht es dir?“, wollte Nancy wissen.
Sie sah bezaubernd aus in ihrem schwarzen Blazer und dem dunklen Minirock. Sie hatte etwas versteckt Elegantes, das Sebastian mit einem inneren Wohlwollen an die Nächte zurückdenken ließ, die er mit ihr verbracht hatte. Ihre blonde Lockenmähne hatte sie zu einem äußerst unordentlichen Pferdeschwanz gebunden. Ihr standen die Haare vom Kopf ab, und trotzdem sah sie adrett aus. Verführerisch. Er erwiderte ihr Lächeln nicht. Warum auch? Er hatte keinerlei Interesse an ihr.
Das war letzte Woche so gewesen.
Da hatte er es genossen, in ihrer Nähe zu sein, und sich die Farben zeigen lassen, in denen das Wohnzimmer gestrichen werden sollte. Dazu war das erotische, dass sinnliche Knistern gekommen. Die ersten verstohlenen Blicke, die sie sich über den Rand des Aktenordners zugeworfen hatten. Hochgezogene Augenbrauen, ein anerkennendes Nicken oder zufriedenes Lächeln, während Frau Hartmann – langweilig, wie sie nun einmal war – ihm erklärte, in welchem Terrakottaton