Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher
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Beim ersten Morgengrauen war Sebastian auf den Beinen. Immer wenn er in den Bergen unterwegs war, richtete er es so ein, daß er den Sonnenaufgang erleben konnte. Es war ein herrliches und gewaltiges Schauspiel, wenn sich die glutrote Scheibe allmählich am Horizont zeigte. In Gedanken hörte der Geistliche die zauberhafte Melodie der »Morgenstimmung«, aus Peer Gynt, von Edvard Grieg, und wieder einmal freute sich sein Herz an Gottes Schöpferkraft.
Natürlich war auch Sophie Tappert an diesem Morgen aufgestanden und hatte sich persönlich um Sebastians Frühstück gekümmert. Im Pfarrhaus verzichtete der Geistliche darauf, eine reichhaltige Morgenmahlzeit einzunehmen. Ein Becher Kaffee und ein belegtes Brot genügten ihm, denn zu seinem größten Vergnügen auf einer Tour gehörte ein ausgiebiges Frühstück in der freien Natur.
Auf einer Almwiese hatte er es sich gemütlich gemacht. Von hier oben hatte er einen herrlichen Blick, hinunter ins Wachnertal. Drüben grüßten ihn die weißen Spitzen des Zwillingsgipfels, der Himmelsspitz und die Wintermaid. Lange und genüßlich ließ er sich schmecken, was seine Haushälterin ihm an Köstlichkeiten eingepackt hatte und beobachtete dabei, wie sich rings um ihn herum Leben regte.
Aber natürlich machte der Geistliche sich auch Gedanken über seine Schäfchen und ganz besonders über das, was er gestern abend am Stammtisch erfahren hatte. Daß der alte Breithammer vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen worden war, hatte wohl alle überrascht. In wieweit diese Tatsache mit dem Schuß auf die beiden Frostbeamten in Zusammenhang stand, konnte zur Stunde noch niemand sagen. Dies zu ermitteln, war in erster Linie Max Aufgabe. Xaver Anreuther hatte den Wilderer verdächtigt, auf die beiden Männer geschossen zu haben, also mußte der Polizist der Sache natürlich nachgehen. Wahrscheinlich fuhr er schon am Morgen in den Ainringer Wald, um den Alten zu vernehmen. Aber auch Sebastian würde, wie er es am Abend vorher angekündigt hatte, Joseph Breithammer und dessen Tochter in ihrer Hütte besuchen.
Doch zunächst hatte er noch eine weite Tour vor sich. Sein Ziel war die Korber-Alm. Als er sie erreichte, war es bereits elf Uhr am Vormittag. Sebastian stellte fest, daß er nicht der einzige Besucher hier oben war. So allmählich begann die Urlaubszeit, und damit fanden sich auch wieder die Touristen und Wanderer ein.
»Grüß Gott, Hochwürden«, sagte das junge Madel.
Es kam gerade aus der Hütte und hatte den Geistlichen gesehen, der sich an einen der Tische gesetzt hatte, die draußen aufgestellt waren.
»Pfüat di’, Katja«, grüßte Sebastian zurück. »Bist’ auch einmal wieder hier ’droben, beim Großvater?«
»Es sind ja Ferien, Herr Pfarrer. Da bleib’ ich die ganzen Wochen oben und geh’ dem Großvater zur Hand. Er ist ja den ganzen Tag mit dem Kas’ beschäftigt. Was darf’s denn sein?«
»Ein Glaserl Milch, wie immer, Katja«, bat Sebastian. »Und was habt ihr zum Mittag vorbereitet?«
»Heut gibt’s geschmolzenen Käs’, mit Röstkartoffeln.«
»Hm, das klingt gut. Davon nehm’ ich eine Portion.«
»Ist recht, Herr Pfarrer. Kommt sofort.«
Sebastian schmunzelte über das eifrige Madel. Er freute sich, daß Katja so engagiert mithalf. Eigentlich wohnte sie bei ihren Eltern in St. Johann, doch an den Wochenenden und in den Ferien hielt sie nichts im Tal. Da verbrachte sie ihre Zeit am liebsten hier oben auf der Alm, und half so gut sie konnte.
Flink brachte sie die frische, kühle Milch und wenig später das Essen an den Tisch. Pfarrer Trenker genoß das einfache, aber wohlschmeckende Mahl und trank ein zweites Glas Milch. Später gesellte sich der Senner zu ihm. Der alte Alois freute sich jedesmal, den Geistlichen begrüßen zu können. Nicht zuletzt auch, weil er von Sebastian verläßlichere Nachrichten aus dem Tal zu hören bekam als von anderen Besuchern. Gerne hätte er noch weitergeplaudert, doch so langsam wurde es für den Seelsorger Zeit, sich auf den Rückweg zu machen. Immerhin lag noch eine ziemlich weite Strecke vor ihm.
Zudem wollte er nicht so spät zurück sein. Schließlich stand sein Besuch beim Breithammer noch bevor.
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Wie immer lief Nero schnüffelnd voraus, während Christian langsam daherschritt. Der junge Förster schaute sich ausgiebig um in seinem neuen Revier. Was er sah gefiel ihm. Xaver Anreuther hatte in seinen Dienstjahren hier gute Arbeit geleistet, und Christian würde sie fortsetzen. Er war froh, daß der erfahrene Kollege noch ein paar Wochen im Forsthaus bleiben wollte, bevor er zu seiner Schwester zog, wie er erzählt hatte. So konnte er seinen Nachfolger bestens einweisen und ihm seine Erfahrung zugute kommen lassen.
An diesem Nachmittag war Christian allerdings alleine unterwegs. Lediglich Nero, der Setterrüde, begleitete ihn. Nach der letzten, schlaflos vergangenen Nacht fühlte sich der junge Forstbeamte wie gerädert. In aller Herrgottsfrühe war er schließlich aufgestanden und hatte sich daran gemacht, sich im Arbeitszimmer des Forsthauses einzurichten und seine Unterlagen zu ordnen. Als Xaver sich sehen ließ, schien er sehr erstaunt darüber, daß der junge Kollege schon auf den Beinen war. Er sagte aber nichts weiter. Christian überlegte, ob man ihm ansah, daß er ein Problem mit sich herumtrug, denn ein Problem war sie für ihn, seine unerfüllte Liebe zu Kathrin Breithammer.
Er konnte es anstellen wie er wollte – das Madel ging ihm einfach nicht mehr aus dem Sinn.
Christian war völlig in Gedanken versunken, so daß er erst nach einer Weile wahrnahm, daß Nero laut bellend vor ihm hin- und her lief. Als das Tier bemerkte, daß sein Herr auf ihn aufmerksam geworden war, lief er ein kleines Stück in die Schonung hinein, die rechts von ihnen war. Laut kläffend kam er zurückgeschossen, um gleich darauf wieder zwischen den niedrigen Bäumchen zu verschwinden.
Der Rüde gehörte mittlerweile drei Jahre zu Christian. Der Forstbeamte war mit dem Tier zunächst auf einer Hundeschule gewesen und hatte Nero dann zu einem Jagdhund ausbilden lassen. Es hatte seinen Grund, wenn der Setter immer wieder in die Schonung hineinlief und dort etwas verbellte. Christian Ruland folgte dem Hund, der einige Meter vor ihm stand und nun, wo er seinen Herrn kommen sah, aufgeregt mit der Rute wedelte.
»Was hast’ denn Nero?« fragte der Forstbeamte und sah im selben Moment, was das Tier entdeckt hatte.
Unter den niedrigen Kiefernbäumchen lag ein verendetes Reh, gefangen in einer Drahtschlinge.
Kalte Wut stieg in dem jungen Mann auf, als er dieses Verbrechen sah.
»Brav, das hast’ gut gemacht«, sagte er und tätschelte dem Rüden den Kopf. »Aber wehe, wenn ich diesen Lumpenhund in die Finger bekomm’…«
Christian führte nicht weiter aus, was er zu tun gedachte, wenn er den Kerl erwischte. Er überlegte, wie es am klügsten war, weiter vorzugehen. Wahrscheinlich wird irgendwann der Wilddieb auftauchen und nachschauen, ob sich ein Tier in der Schlinge verfangen hatte. Aber wann würde das sein? Am sichersten war es für ihn wohl in der Nacht. Also würde der junge Förster sich auf die Lauer legen müssen, wenn er den Übeltäter schnappen wollte.
Doch zuvor gab es etwas anderes zu tun. Wo eine Schlinge auslag, da waren meisten noch mehr versteckt. Christian suchte sorgfältig die Schonung ab. Dabei stieß er immer wieder auf diese gemeinen Fallen. Nach gut zwei Stunden hatte er insgesamt siebzehn Drahtschlingen gefunden. Gottlob hatte sich in keiner ein Tier verfangen.
Der Forstbeamte setzte seinen Weg fort. Dabei dachte er darüber nach, wie dem Wilddieb das Handwerk gelegt werden konnte. Auch mit Xavers Hilfe konnte