Der neue Dr. Laurin 19 – Arztroman. Viola Maybach
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»Woran denkst du denn gerade, dass du so verträumt lächelst?«, erkundigte sich Joachim.
»An die Zeit, als ich mich in Antonia verliebt habe und als du Teresa wiederbegegnet bist.«
Da lächelte auch der Professor. »Schön war das«, sagte er.
Leon leerte seine Tasse. »Wieso bist du eigentlich noch hier? Es ist schon ziemlich spät, falls du das nicht mitbekommen hast. Wartet Teresa nicht auf dich?«
»Sie ist mit einer Freundin verabredet, und ich habe noch gar nicht richtig angefangen, weil dauernd jemand kam und mir einen Besuch abstatten wollte.«
Leon erhob sich. »Entschuldige, stören wollte ich dich nicht, nur kurz ›hallo‹ sagen.«
»Das weiß ich doch, und ich freue mich darüber. Aber jetzt möchte ich gern noch eine oder zwei Stunden in Ruhe arbeiten.«
»Dann gehe ich jetzt. Viel Erfolg!«
Joachim Kayser saß bereits wieder vor seinem Computer, als Leon die Tür öffnete. »Wir sehen uns!«, sagte er, ohne den Blick vom Monitor abzuwenden.
Leon schloss die Tür leise hinter sich. Er hatte seinen Schwiegervater schon lange nicht mehr so lebhaft und voller Tatendrang gesehen, also war es offenbar eine gute Idee gewesen, ihm seine Bitte nach einer Aufgabe nicht abzuschlagen.
*
Konstantin Laurin wanderte noch einmal durch die Halle, in der sie heute die allerletzte Einstellung für ihren Film gedreht hatten. Es war vorbei. Die Dreharbeiten waren beendet, heute gab es noch ein großes Abschlussfest, danach würde er etliche aus dem Team vielleicht nie wiedersehen. Noch konnte er sich das nicht vorstellen. Das waren die Menschen, mit denen er wochenlang ständig zusammen gewesen war! Einige würde er nicht sonderlich vermissen, andere dagegen schon. Es war sein erster Film gewesen, in dem er gleich die Hauptrolle gespielt hatte. Der Einstieg war ihm schwergefallen, aber er hatte diese Anfangsschwierigkeiten überwunden, und er wusste, er hatte gute Arbeit geleistet.
Das musste er auch, denn er wollte ja Schauspieler werden, und noch war er völlig unbekannt. Er musste sich einen Namen machen, damit auch andere Regisseure mit ihm arbeiten wollten. Oliver Heerfeld, der Regisseur dieses Films, würde jetzt erst einmal lange im Schneideraum sitzen, bevor er die Arbeit an seinem nächsten Film aufnehmen konnte – und in dem würde es wohl keine Rolle für Konstantin geben. Er musste ja auch zuerst noch die Schule beenden, das hatte er seinen Eltern versprochen.
Sie waren enttäuscht und zuerst wohl auch entsetzt gewesen, als er ihnen gestanden hatte, dass er nicht länger Medizin studieren wollte. Dabei hatte eins immer festgestanden und war deshalb nie in Frage gestellt worden: dass nämlich seine Zwillingsschwester Kaja und er Ärzte werden und später einmal die Kayser-Klinik übernehmen würden. Und dann hatte er in der Schule Theater gespielt und schlagartig gewusst, dass es das war, was er sein Leben lang tun wollte. Die Medizin war an die zweite Stelle gerutscht. Sie interessierte ihn noch immer, aber seine große Liebe war sie nicht mehr.
Er hatte Glück gehabt, seine Eltern waren verunsichert und wohl auch unglücklich gewesen, aber sie hatten ihm keine Steine in den Weg gelegt. Nur sein Abitur sollte er noch machen, und das hatte er ihnen auch versprochen. Vielleicht würde er, wenn ihm genug Zeit blieb, parallel zur Schauspielerei auch noch Medizin studieren, aber das wollte er davon abhängig machen, wie er weiter vorankam.
»Traurig?«, fragte eine Stimme hinter ihm.
Es war Sven Tobler, der Regieassistent, der plötzlich aufgetaucht war. Seine Schwester Mara hatte Konstantin während der Dreharbeiten unterrichtet. Sie würde heute Abend bei dem Abschiedsfest nicht dabei sein. Sie hatte sich in Konstantins Filmbruder Daniel Huber verliebt, der nach einem sehr schweren Unfall in einer Rehabilitationsklinik war, wo seine Genesung aber dem Vernehmen nach gute Fortschritte machte. Mara war bei ihm und konnte deshalb nicht kommen.
»Ja. Du wahrscheinlich nicht, oder? Auf dich wartet ja schon der nächste Film.«
»Traurig bin ich trotzdem, das bin ich eigentlich jedes Mal, es sei denn, dass die Dreharbeiten wirklich unangenehm waren.«
»Das kommt auch vor?«
»Ja, natürlich, und gar nicht einmal so selten, glaub das nur nicht. Es ist nicht immer so friedlich und angenehm wie bei uns. Es gibt Regisseure, vor denen das ganze Team zittert, es gibt Schauspieler, die Starallüren haben und sich ständig produzieren müssen, es gibt Leute, die sich nicht ausstehen können, aber trotzdem zusammen gute Arbeit leisten müssen. Ich habe schon viel erlebt in dieser Hinsicht. Auch deshalb bin ich traurig, die Arbeit an diesem Film war anstrengend, aber alle haben am selben Strang gezogen, wollten vor allem gute Arbeit leisten, keiner hat sich in den Vordergrund zu spielen versucht. Das gibt es nicht so oft.«
»Ich vermisse Daniel«, sagte Konstatin. »Er hat mir viel erklärt und mir oft geholfen, wenn ich unsicher war.«
»Er kann schon wieder ohne Gehhilfe laufen, stell dir vor. Ich habe vorhin mit Mara telefoniert. Die Ärzte sind völlig begeistert von den Fortschritten, die er macht.« Sven lächelte. »Wenn du mich fragst, liegt es an Mara, dass er so gut vorankommt. Liebe verleiht bekanntlich Flügel.«
»Kommt ihr?«
Es war Oliver, der nach ihnen rief. Langsam kam er näher. »Oder habt ihr noch private Dinge zu bereden?«
»Wir haben über Daniel gesprochen«, antwortete Sven. »Es geht ihm schon viel besser. Die Ärzte meinen jedenfalls, er wird wieder völlig gesund.«
»Der Unfall hat mir schlaflose Nächte bereitet«, gestand Oliver.
»Uns allen«, sagte Konstantin.
Oliver nickte nur, dann legte er seinem Regieassistenten und seinem Hauptdarsteller je einen Arm um die Schultern und führte sie in die kleine Halle, in der sie das Ende dieser Dreharbeiten feiern würden.
Man empfing sie mit großem Hallo, an einem der langen Tische waren noch Plätze frei, dorthin setzten sie sich. Plötzlich stand ein Glas Wein vor Konstatin, von dem er einen Schluck trank – und dann noch einen. Es schmeckte ihm, und er wusste, er würde noch mehr von dem Wein trinken, auch wenn er am Ende möglicherweise betrunken war.
Er ließ den Blick schweifen, sah die Gesichter, die ihm im Verlauf der letzten Wochen vertraut geworden waren, hörte die Stimmen, die er zuordnen konnte, ohne zu sehen, wer gerade sprach oder lachte, er sah Tränen in den Augen einer Maskenbildnerin, sah einen Beleuchter, der ihm zuprostete, wurde von der Tonfrau herzlich auf die Wange geküsst und dachte: Das ist das Leben, das ich führen werde. Ich schließe Menschen ins Herz, von denen ich mich bald darauf wieder trennen muss, um wieder neue Menschen kennenzulernen, von denen ich einige auch ins Herz schließe. Und so wird es weitergehen. Wenn ich nicht verrückt werden will, muss ich Freundinnen und Freunde finden, die mir bleiben. So, wie ich eine Familie habe, die immer zu mir stehen wird, so brauche ich einen festen Freundeskreis – und vielleicht muss der gar nicht aus Filmleuten bestehen. Freunde, zu denen ich nach jedem Film zurückkehren kann und die es akzeptieren, dass ich manchmal monatelang keine Zeit für sie habe. Solche Freunde brauche ich, sonst werde ich verrückt.