Der exzellente Butler Parker 19 – Kriminalroman. Günter Dönges
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»Nur ein kleines Versehen, mein Kind, weiter nichts.« Mylady winkte lässig ab und breitete bedauernd die Arme aus. »Mir rutschte ein Rennreifen aus der Hand, rollte davon und zerschlug die Scheibe, so war das.«
»Ihnen rutschte ein Reifen aus der Hand?« erkundigte sich Mike Rander lächelnd. »Was wollten Sie denn damit, Mylady?«
»Mylady stoppte einen Schläger, der sein Heil in der Flucht suchen wollte«, erklärte Parker anstelle seiner Herrin. »Dabei geriet besagter Reifen durch widrige, nicht vorhersehbare Umstände aus der Richtung und richtete leichten Schaden an.«
»Sagten Sie vorhin nicht, es wären mehrere Fensterscheiben gewesen?« bohrte Mike Rander nach.
»In der Tat, Sir.« Parker nickte dem Anwalt höflich zu, schwieg dann aber, um seiner Herrin die Erklärung zu überlassen.
»Zieren Sie sich nicht, Mister Parker, sagen Sie schon, wie es war«, forderte sie und seufzte erneut. »Ich hoffe, Sie wissen noch, wie es passierte«, fügte sie hinzu und sah Parker gespannt an.
»Wie Sie wünschen, Mylady.« Parker verbeugte sich höflich und lieferte die Erklärung. »Mylady führten nach diesem kleinen Malheur einige ergänzende Tests durch, da man sich nicht erklären konnte, wie der erste Reifen derart außer Kontrolle geraten konnte. Im Verlauf dieser Tests wurden zwangsläufig weitere Scheiben in Mitleidenschaft gezogen, diesmal jedoch aus rein wissenschaftlichen Erwägungen und sozusagen geplant.«
Agatha Simpson sah ihren Butler verblüfft an, auf eine derartige Erklärung war sie nicht gefaßt gewesen. Sie räusperte sich lautstark und nickte energisch. »Richtig, Mister Parker, genauso war der Hergang. Ich hoffe, damit ist diese Angelegenheit hinreichend erklärt«, wandte sie sich an die »Kinder«.
»Nur noch eine Frage, Mylady.« Mike Rander lächelte sie entwaffnend an und zwinkerte diesmal Parker zu. »Was hat Sie dieser... äh... wissenschaftliche Test gekostet?«
»Erinnern Sie mich nicht daran, mein lieber Junge ...« Lady Agathas Stirn umwölkte sich sorgenvoll. In ihre Augen trat unübersehbare Traurigkeit. »Mister Parker war wie immer in solchen Situationen wieder mal alles andere als maßvoll. Was haben Sie diesem Rennstallunternehmer in den gierigen Rachen geworfen?«
»Lediglich hundert Pfund, Mylady«, berichtete Parker würdevoll, »ein Betrag, der sich gemessen am Schaden durchaus in Grenzen hält.«
»Mein Gott! Solches Denken bringt mich noch an den Bettelstab!« Lady Agatha sackte förmlich in sich zusammen und griff verzweifelt an die Stelle, wo sie ihr Herz vermutete. »Das halte ich nicht aus«, stöhnte sie. »Das macht mein Kreislauf nicht mit.«
»Darf man Mylady die Medizin reichen?« Parker stand bereits neben seiner Herrin und verabreichte ihr ein hochwirksames Mittel. Lady Agatha griff nach dem Schwenker mit dem alten französischen Cognac und trank ihn leer.
Wie sich einen Moment später zeigte, war dies genau die richtige Rettungsmaßnahme gewesen. Myladys Wangen bekamen wieder Farbe, sie richtete sich mit einem Ruck auf und sah sich mit blitzenden Augen um.
»Und jetzt werde ich diesen Wettschwindler aufsuchen«, verkündete sie voller Energie. »Mister Parker, treffen Sie alle Vorbereitungen für die Abfahrt.«
*
»Nun, Mister Parker, das sieht ja recht passabel aus.« Lady Agatha sah sich animiert in dem kleinen Wettbüro in Soho um, das laut Leuchtreklame über dem Eingang von einem gewissen Sol Baker betrieben wurde.
An einer Längswand befanden sich verglaste Verschläge, hinter denen die Wetten angenommen wurden. Sämtliche Wände waren mit Plakaten von Sportveranstaltungen und mit Ankündigungen und Ergebnistabellen bedeckt. An den Schmalseiten des Büros standen zerschlissene Sessel an kleinen Tischen, wo die Wettscheine ausgefüllt wurden, Deckenlautsprecher übertrugen ohne Unterbrechung Rennen und Durchsagen, die mit den Stimmen der Wetter zu ohrenbetäubender Lärmkulisse anschwollen.
»Na, willste deine Haushaltskasse ’n bißchen aufbessern?« erkundigte sich ein abgemagerter, älterer Mann in zerschlissenem Anzug bei Lady Agatha und grinste, »dann würde ich im nächsten Rennen ›Lady Windsor‹ auf Sieg setzen, ’n todsicherer Tip, auf Ehre und Gewissen!«
Lady Agatha musterte den vorlauten Wetter nachdenklich und wandte sich an ihren Butler. »Was sagen Sie zu diesem Tip, Mister Parker?« erkundigte sie sich stirnrunzelnd. »Sollte ich tatsächlich ein Pfund auf dieses Pferd setzen?«
»Die Voraussagen für dieses Rennen nennen ›Lady Windsor‹ in der Tat als den großen Geheimfavoriten, Mylady«, wußte Parker, der wie immer gut informiert war und vor dem Besuch des Wettbüros einschlägige Fachblätter studiert hatte.
»Ach, wirklich?« Agatha Simpson machte einen ausgesprochenen unternehmungslustigen Eindruck. »Sie glauben also auch, daß ich damit ein paar Pfund gewinnen könnte?«
»Möglicherweise, Mylady.« Parker wiegelte vorsichtig ab. »Da ›Lady Windsor‹ als Geheimfavorit gilt und dementsprechend stark gesetzt werden wird, dürfte die Quote nicht allzuhoch sein. Bei einem Pfund Einsatz dürften Mylady wahrscheinlich nur drei Pfund zurückbekommen.«
»Und so was nennt sich Gewinn?« Die ältere Dame war aufrichtig empört.
»Auf Einlauf müssen Sie setzen, das bringt Geld in die Kasse!« ließ sich ein anderer Wetter vernehmen, der in Myladys Nähe stand und sich einen sogenannten »Flachmann« mit Whisky einverleibte. »Nur mit ’ner Einlaufwette kommt man zu was, glauben Sie mir das!«
»Eine Einlaufwette, Mister Parker?« Lady Agatha wiegte nachdenklich den Kopf und gab sich den Anschein sorgfältigen Abwägens. »Na, Mister Parker, was sagen Sie dazu? Wissen Sie, was das ist oder soll ich es Ihnen kurz erklären?«
»Mylady sprechen möglicherweise von einer Wette, bei der die ersten drei Pferde in der richtigen Reihenfolge gesetzt werden müssen«, sagte Parker erklärend. »Eine nicht ganz einfache Vorhersage, dafür aber entschieden lukrativer, wenn man gewinnt.«
»Richtig, Mister Parker, Sie haben es erfaßt!« Lady Agatha nickte gewichtig und baute sich vor den Tabellen mit den Ergebnissen auf, um sie eingehend zu studieren.
In diesem Augenblick kam eine neue Durchsage, die die Leute im Büro förmlich elektrisierte. »Das Rennen in Ascot startet in fünf Minuten«, plärrte der Lautsprecher. »Letzte Gelegenheit, um Wetten zu plazieren!«
Im Nu waren die Wettschalter von gestikulierenden Männern und Frauen belagert, die unbedingt noch ihre Einsätze tätigen wollten, bevor es zu spät war.
Lady Agatha ließ sich von der allgemeinen Hektik und Aufregung anstecken und pflügte sich energisch durch die Menschenansammlung vor einem der Schalter.
»Fünfzig Pfund auf Einlauf, junger Mann«, verlangte sie, »und zählen Sie schon mal meinen Gewinn ab, wenn ich bitten darf.«
»Haben Sie keinen Wettschein ausgefüllt?« Der »junge Mann« hinter dem Schalter, ein gut Sechziger mit ausgeprägter Stirnglatze, sah die Lady vorwurfsvoll an.
»Papperlapapp! Das werden Sie selbstverständlich für mich erledigen«, entschied Agatha Simpson und sah ihn entschlossen an.
»Na schön, wenn Sie meinen