Krise am Golf. Robert Fitzthum
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Saudi-Arabien findet in Afrikas Staaten auch Bündnispartner, um seine sicherheitspolitischen Ziele regional und international durchzusetzen. So wird die Golfmonarchie im Jemen-Krieg vom Sudan mit Bodentruppen unterstützt. Von Eritrea, Dschibuti und Somalia aus zerschlägt saudisches und emiratisches Militär die Nachschubrouten der Huthi und fliegt Luftangriffe gegen den Jemen. Die enge Kooperation bewirkt jedoch auch, dass Konflikte der Nahost-Region nach Afrika exportiert werden. Saudi-Arabien und die Emirate übten am Beginn der GCC-Krise Druck auf ihre afrikanischen Partner aus, ihre diplomatischen Beziehungen zu Katar einzufrieren. Eritrea, Mauretanien und Senegal entsprachen dem Wunsch und brachen ihre diplomatischen Beziehungen ab. Der Tschad, Dschibuti und Niger schränkten ihre Beziehung zu Doha ein.
Einige dieser Staaten erhielten in den folgenden Monaten finanzielle Zuwendungen, auch wenn nicht belegt ist, dass diese in Zusammenhang mit der diplomatischen Solidarität stehen. So stellte etwa im August 2017 das saudische »King Salman Humanitarian Aid and Relief Center« 250 Millionen US-Dollar an Flüchtlingshilfe für Dschibuti zur Verfügung. Und der »Abu Dhabi Fund for Development« öffnete einen Fördertopf von 50 Millionen US-Dollar für Firmen, die im Tschad investieren wollen. Doch nicht immer gelang es Saudi-Arabien, diplomatische Gefügigkeit zu erkaufen. Im Juni 2017 wurde bekannt, dass die somalische Regierung 80 Millionen US-Dollar an Hilfsleistungen von Saudi-Arabien ablehnte. Sie hätte im Gegenzug ihre Beziehungen zu Katar einfrieren sollen.66 Die guten Beziehungen zu Doha waren der somalischen Regierung in diesem Fall wichtiger als jene zu Riad. Denn Katar leistet nicht nur Finanzhilfe, es investiert auch massiv in somalische Infrastruktur, wie der Plan für den Bau eines neuen Hafens in Hobyo zeigt, eine strategisch wichtige Stadt am Bab al-Mandab.67
Nicht nur die Konflikte zwischen den Golfstaaten, auch die alte Feindschaft zwischen Saudi-Arabien und dem Iran wird in Afrika ausgefochten. Bis 2015 hatte der Iran eine Militär- und Sicherheitskooperation mit dem Sudan und nutzte dessen Häfen, um Waffen an seine Proxies im Nahen Osten zu verschiffen. Saudi-Arabien gelang es, diese Kooperation zu sprengen. Nicht nur half die Golfmonarchie dem Sudan aus seiner diplomatischen Isolation, es deponierte außerdem 2015 eine Milliarde US-Dollar in Khartoums Zentralbank. Die Wirkung ließ nicht auf sich warten. Noch im selben Jahr beendete der Sudan seine Kooperation mit dem Iran.
Auch militärisch hinterlassen die Golfstaaten ihre Fußabdrücke an der Ostküste Afrikas. Saudi-Arabien plant seine erste Militärbasis außerhalb der eigenen Landesgrenzen in Dschibuti einzurichten.68 Gemeinsam mit den VAE hat Saudi-Arabien 2015 ein Abkommen mit Eritrea geschlossen, das dem Land für 30 Jahre die Nutzung des Tiefwasserhafens Assab und eines militärischen Flugfelds erlaubt. Saudi-Arabien und die Vereinigten Emirate befinden sich damit in direkter Nachbarschaft zu China, Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, der Türkei und den USA, die ebenfalls Militärbasen am Horn von Afrika besitzen.
Neben sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Kooperationen bietet Afrika für das an fruchtbaren Böden und Trinkwasser arme Saudi-Arabien vor allem eines: Ackerland. 2013 musste die Monarchie 80 Prozent der benötigten Nahrungsmittel importieren. Und die Bevölkerung wächst. Glaubt man den Statistiken von aktuell 34 Millionen auf 46 Millionen im Jahr 2050.69 Um den Wasserverbrauch zu reduzieren, fährt Riad den Anbau von bewässerungsintensiven Pflanzen wie Alfala zu Gunsten von Weizen zurück. Dennoch musste Saudi-Arabien zwischen Sommer 2018 und 2019 knapp drei Millionen Tonnen Getreide importieren.70 Um Nahrungssicherheit zu gewährleisten, verlagert Riad daher die Produktion landwirtschaftlicher Güter ins Ausland: Saudische Firmen bauen Reis auf den Philippinen an, betreiben Rinderfarmen in Kalifornien und Weizenfelder in der Ukraine. Die Regierung motiviert saudische Unternehmen durch Subventionen, sich in Afrika zu engagieren. So werden von Südafrika über Senegal bis Äthiopien mit saudischem Geld Bewässerungsanlagen aufgebaut, Traktoren und Erntemaschinen angeschafft, Düngemittel, Straßen und Kühlhäuser finanziert, um Lebensmittel für Saudi-Arabien zu produzieren. Inzwischen ist Saudi-Arabien der Top-Investor in die afrikanische Landwirtschaft. 2009 kaufte die Golfmonarchie 500.000 Hektar Land in Tansania.71 2016 unterzeichneten Khartoum und Riad einen Pachtvertrag, der Saudi-Arabien für die nächsten 99 Jahre erlaubt, über 400.000 Hektar Ackerland im Sudan zu nutzen. Im Wettlauf um Ackerland ist Saudi-Arabien nur einer von vielen Playern, mit weitreichenden Folgen für Sudans eigene Nahrungsmittelsicherheit.72
So wenig Ackerland das Königreich besitzt, so intensiv exportieren die Saudis den Wahhabismus. Als nach der Islamischen Revolution 1979 der Iran begann, seinen schiitischen Islam in die Welt zu tragen, fühlte sich Saudi-Arabien bedroht. Die Golfmonarchie befürchtete ein Erstarken der Schiiten in den Golfstaaten und im Irak.73 Hinzu kam die Katastrophe vom November 1979, als saudische Extremisten die Moschee in Mekka besetzten und Pilger als Geisel nahmen. Sie riefen die Bevölkerung zum Sturz des Hauses Saud auf, dem sie religiöse Laxheit und Verwestlichung vorwarfen. Die Geiselnahme wurde mit Hilfe französischer Spezialeinheiten nach zwei Wochen blutig beendet. Doch am Ende gewann der Geist der Extremisten. Der damalige saudische König sah die Lösung der Gefahr vor religiösem Terrorismus in mehr Religion: Kinos und Musikläden wurden geschlossen, Frauen durften nicht mehr in Zeitungen abgebildet werden, im gesellschaftlichen Leben wurden Frauen und Männer noch strikter als zuvor getrennt. Und er setzte auf Missionierung: in Asien, Afrika und in Teilen Europas.
Um die wahhabitische Lesart des Islam zu exportieren, stiften die Saudis Moscheen und islamische Lehreinrichtungen und vergeben Stipendien für theologische Studien an Saudi-Arabiens religiösen Universitäten. In den vergangenen 30 Jahren hat Saudi-Arabien Schätzungen zufolge 67 Milliarden US-Dollar in die Verbreitung des ultra-konservativen Wahhabismus weltweit investiert.74
In Afrika unterstützen neben der saudischen Regierung zahlreiche private Sponsoren wahhabitische Gemeinden in Ländern wie Mali, Senegal oder Nigeria. Die Verbreitung des Wahhabismus mit seiner salafistischen Ideologie führt nicht selten zu Spannungen.
Vor allem in der Shalelzone ist allerdings der Sufismus weit verbreitet, eine mystische Variante des Islam, den die wahhabitischen Prediger als unislamisch verurteilen. In Koranschulen und Moscheen versuchen Wahhabiten daher, den afrikanischen Muslimen ihre Interpretation des Islam aufzudrängen.75
Der ultra-konservative Wahhabismus ist auch geistiger Nährboden für militante Gruppen wie Al-Kaida oder den Islamischen Staat. Die Unterdrückung der Frau, Hinrichtungen mit dem Schwert und Strafen für Apostaten finden sich in der salafistischen Ideologie ebenso wie in der wahhabitisch geprägten saudischen Gesellschaft.
Ausblick
Saudi-Arabien ist nach wie vor superreich und bleibt (vorerst) ultrakonservativ. Das spiegelt sich in seiner regionalen und internationalen Politik wider, indem es versucht, durch Missionierung in Asien, Afrika und vereinzelt in Europa seinen Einfluss zu sichern. Wie die Offensive im Jemen zeigt, ist die Golfmonarchie aber zusehends willig, auch militärisch in der Region einzugreifen.
In seiner »Vision 2030« will Riad die Abhängigkeit vom Öl reduzieren, die Wirtschaft diversifizieren, in Gesundheit, moderne Bildung und Infrastruktur investieren. Ebenso zielt Riad auf eine größere Unabhängigkeit im militärischen Bereich. Unter anderem soll das durch den Aufbau einer eigenen Waffenindustrie erreicht werden.76 Doch um die Ziele der »Vision 2030« zu erreichen, wird auch ein Umbau der gesellschaftlichen Strukturen notwendig sein.77 Im Oktober 2017 kündigte Kronprinz Mohamed bin Salman an, Saudi-Arabien wolle ein Land des moderaten Islam werden. Kleine Schritte in diese Richtung sind getan, wie die Wiedereröffnung von Kinos oder das Ende des Fahrverbots für Frauen im Jahr 2018 zeigen. Doch von einem moderaten Islam ist Saudi-Arabien immer noch weit entfernt. Das Königshaus ist gespalten als Hüter der heiligen Stätten und Repräsentant des sunnitischen Islam einerseits und seinem Ziel, das Land zu modernisieren und wirtschaftliche wie militärische Reformen (mithilfe westlicher Staaten) voranzubringen. Eine »Vision 2030« wird sich ohne Reibungen mit der mächtigen Wahhabiya nicht realisieren lassen. Zur sich abzeichnenden internen Zerreißprobe